Zwischen Müsli, Oz und der Aral in Echterdingen

Letzten Sommer gab es auf diesem Blog eine schöne Diskussion. Der Berliner Journalist Jörg Rohleder hatte die kessel.tv-Gemeinde um Recherchehilfe gebeten. Rohleder bereitete damals seinen ersten Roman vor. In seinem Buch „Lokalhelden“ sollte es um Aufwachsen und Abstürzen in Stuttgart in den 90ern gehen. Jörg suchte nach Augenzeugenberichten einer Razzia im legendären Oz, die Veteranen unter den Kessel.tv-Usern halfen ihm locker aus.

Gestern ist sein Buch bei Piper erschienen, es heißt Lokalhelden und erzählt die Geschichte des Protagonisten Schmall, der versucht, seinen Weg zu finden zwischen zwischen dem ersten Kuss, der ersten Bong, dem ersten Mal im Müsli und eben dem ersten Rave im Oz. Das Ergebnis ist sehr lesenswert geworden, für mich das spannendste Buch, das bisher über die 90er veröffentlicht wurde. Martin hat es auch ganz doll abgefeiert, weil man sich in vielen Szenen des Buches wunderbar wieder findet, auch wenn man nicht in Stuttgart oder auf den Fildern aufgewachsen ist.

„Echterdingen ist überall“, wird Kollege Jan von der Stuttgarter Zeitung in der morgigen Ausgabe in Bezug auf das Buch feststellen. Recht hat er, Martins Jugend in Korntal, die besten Jahre meines Lebens in der Stadt gewordenen Tiefgarage Pforzheim oder eben Jans erste Berührungen mit Pop in Bremen sind wohl ähnlich verlaufen wie Rohleders Aufwachsen auf den Fildern. Immer auf der Suche nach Antworten, die einem in der Schule keiner verrät, begibt er sich auf eine spannende Reise, an deren Kreuzungen jede Menge feine Beobachtungen oder Begegnungen stehen. Zum Beispiel im Oz:

Als wir schließlich kurz vor Mitternacht im Club ankommen, spielt DJ R.o.o.d.y. gerade Wayfarer, dann Brainchild von Nostrum. R.o.o.d.y. steht auf Hardtrance aus Antwerpen. (…) Wolle begrüßt ein paar Typen an der Bar, die aussehen, als seien sie aus dem Kuriositätenkabinett eines mittelalterlichen Jahrmarkt ausgebrochen.
Wolle fragt, ob ich eine Pille will. Eigentlich hatte ich Natja versprochen, keine Drogen mehr zu nehmen, zumindest keine in Pillenform. Was soll’s, denke ich, als ich die Pille mit einem großen Schluck Wasser runterspüle.
Zwanzig Minuten später fängt es an zu summen in meinem Kopf, in meinem Bauch, in meinem Körper. Meine Beine werden leicht und zappelig, ich fürchte, dass ich bald genau so bescheuert grinsen werde wie Wolle.

Freunde der elektronischen Musik-Kultur werden sich im Buch ganz besonders gut wieder entdecken, aber auch andere Pop-Spielarten deckt Jörg gekonnt ab. Ein Auftritt der Fantas im Jugendhaus, Abhängen an der Aral in Echterdingen, ein Ausflug an den Bodensee zum Festival, der mich ein bisschen an Afro Dieters schöne Southside-Review erinnert hat, die erste Begegnung mit den Massiven und deutschem HipHop der zweiten Generation made in Stuttgart: Lokalhelden ist eine feine Biographie der 90er, ausgehend vom Schauplatz Kessel.

Wer wissen will, wie das damals ungefähr aussah und wie einigermaßen gruselig sich das in der Rückschau anhört, findet jede Menge lustige Clips auf Youtube. Sind solche Basslines heute eigentlich noch erlaubt?
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=VfF2azLElXo[/youtube]

Donnerstag liest Jörg ab 23 Uhr beim Treff auf der Dachterrasse der Schräglage, wir zeigen alte Oz-Flyer, Jörg verrät ein wenig zur Entstehung des Büchles und anschließend spielt Schowi Sound, der zum Buch passt. Ist also fast wie eine kessl.tv-Lesung, nur ohne Ram, der darüber auch recht traurig in seinem Urlaubsdomizil sitzt. Bei der nächsten Lesung macht er aber den Support, das hat er hoch und heilig versprochen. Wie immer gilt: Wer sich als kessel.tv-Keser outet, bekommt nach der Lesung einen Schnaps.

Jörg Harlan Rohleder  Lokalhelden, Piper,  288 S., € 16,95

Lokalheldenlesung bei der Party Treff, 19.8. 23 Uhr, Schräglage, S-Mitte, anschließend DJ-Set Schowi
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28 Comments

  1. says: chris

    Ich will wieder das Oz, das Müsli, das Maxim, den Club Prag mit 0711CLUB und Neue Heimat, die Stomp Afterhour, das Nexus6 und das alte M1 und das Splash wieder zurück. Ach waren das noch Zeiten. Ich geh ja immer noch aktiv clubben, aber heute ist es nicht mehr so geil wie früher. Liegt primär am Stuttgarter Publikum.

  2. says: Ken

    Das Bessere war damals halt viel guter als heute!

    neee – sposs!

    früher wars wie oben beschrieben einfach noch neu und aufregend, vielleicht auch deswegen, weil vieles noch ziemlich roh und unkommerziell war!

  3. says: jo

    tier wär endgeil … *heul, schluchz* … und red dog … *flenn* …

    Wer weiss noch wie der Club hiess der vor’m Tier dort hausste 😀

  4. says: chris

    nö, das publikum heute ist im vergleich zu früher kacke. ich will das techno wieder in den underground zurück kehrt damit nicht so viele komisch leute dort abhängen.
    kannst dir ja mal den unterschied anschauen wenn wir im lehmann techno machen was da für leute kommen/reinkommen und was für volk im romy abhängt. sry sowas gabs früher net bei techno. auf jedenfall net da wo ich war. und außerdem lass mich heute immer noch von neuen sachen überraschen. und kann ganz gespannt sein. ich mein clubs wie dem rocker33 oder dem romy s. könnten mich begeistern, aber sie erschrecken mich immer wieder. und das sag ich nicht weil ich die läden nicht mag. ich bin im romy schon seit es herr jägermeister übernommen hat. hab da immer meine buddys wie den kim besucht.

    erzählt mir nix. bin dieses jahr nach 10 jahren mal wieder auf die sms gegangen und hatte spass wie die sau. auch war ich einige wochen in berlin. so entspannt habe ich schon lange nicht mehr geclubbt.

    naja die clubs und veranstaltung die ich im post oben aufgezählt habe, würden mich heute immer noch begeistern. kommt halt drauf an wie man sie führt. so begeistert ich am freitag vom climax war, so schockiert war ich am samstag.
    brrr…

    ich glaub aber ein laden mit der größe vom climax bis romy s. und einer türpolitik wie vom berghain/panorma bar würde in stuttgart guten anklang finden. naja so ne ähnlich politik haten wir früher auch bei der neuen heimat im prag.

    ach ist eh müßig darüber zu lamentieren.

  5. says: Whiskydrinker

    Roody kam doch nach der Razzia, wo das Oz in Planet umbenannt wurde und der Zauberer auf einmal schwarz/weiss statt bunt war? Oder habe ich da etwas falsch in Erinnerung?

  6. says: Corbin

    Man nehme den guten alten Dominator Sound und lege eine neue bassline und sonstigen Kram drunter und drüber. Was kommt bei raus? Nur ein Abklatsch, der nie an das legendäre Original kam. Verkauft hat sich das früher sicherlich trotzdem gut

  7. says: Sue

    chris spricht mir aus der seele. neue heimat, stomp, nexus und das alte M1 oh jaaa <3
    da gabs halt noch keine lederjackentrend leute…

  8. says: Constantin

    ich war selber nie im Oz oder sonstigen Clubs, da ich mit meinen 24 zu jung bin um damals am Start gewesen zu sein… allerdings erzählt mir ausnahmslos JEDER über 30 von dem ich was halte, dass es damals wohl das größte gewesen sein muss…. angefangen von meim Dad, der wohl mal Depeche Mode Anfang der 80iger dort spielen hat sehen vor 50 Leute oder so. Ich kenn nur die In Memory of Oz Partys, die mir früher echt die Schuhe ausgezogen haben, leider find ich diese aber seit 2 Jahren nicht mehr so toll. Irgendwie kann ich mir das Gefühl vorstellen wie es damals gewesen sein muss und leider weiß ich das die Clubszene heute nicht mehr so ist…

  9. says: chris

    naja man sollte aber nicht das colibri in einem satz mit dem Oz oder anderen oben erwähnten clubs nennen. sorry die spielten in einer anderen liga. das coli war nett aber mehr auch nicht. meiner meinung nach.

    warum gibt es eigentlich keine laser mehr in den clubs?

  10. says: chris

    Wtf. Laser sind geil.

    Danke für das vorlesen meiner Kommentare. Ist lustig sein eigenen Text zu hören. Ob jedoch die Bullen daran schuld sind, das die partys nicht mehr so gut sind wie damals, lasse ich mal offen. Auf jeden Fall wars cool, jedoch hoffnungslos überfüllt. Buch für 10 takken ist schwäbisch mäßig fair. Den von Torsten versprochene Schnaps habe ich jedoch nicht erhalten. Jetzt erst mal saufen und den beatz von Schiri lauschen.

  11. says: Thorsten W.

    Ich fand die Lesung auch cool – kurz aber unterhaltsam. Bissle mehr Leute hätte noch reingepasst.

    Das Buch ist aber tatsächlich super – ich hab nachts noch damit angefangen und bin fast bis zur Hälfte gekommen…

  12. says: Herr Cut

    Unglaublich wie viel Lichtechnik früher in den Clubs verbaut wurde… wenn heute zwei rote Lichter leuchten und ne Spiegelkugel sich dreht ist das schon ziemlich abgefahren. Und wenn es noch nen Lightjockey gibt ist es Luxus.
    Übrigens dieses Lied war tatsächlich auch mein Einstieg in Techno.
    Lesung habe ich leider verschlafen f**k

  13. says: Renate

    ich wär ja so gern auch auf der terasse gewesen, aber die zickigen blondinen am eingang fandens zu eng und haben mich nicht mehr reingelassen… deshalb musste ich leider nach 5min an der treppe stehn und nix hören wieder gehn – bock auf schlammcatchen hatte ich dann doch nicht -.-

  14. says: franzi

    war dann doch gut, das die lesung nicht allzu lange ging; noch länger hätte ich nicht mehr auf einem bein balancieren können…

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