KTV Jahrzehnt-Rückblick: 2017 – I bims

Völlig verdient in die erste Bundesliga abgestiegen – der VfB.

Eine Schande. 40 Jahre nach dem ersten Abstieg in die erste Bundeliga muss der VfB Stuttgart am 21.5. erneut den schweren Gang ins „Oberhaus des deutschen Fußballs“ (G. Rubenbauer) antreten – 4:1 gegen Würzburg gewonnen. So leid es mir tut, da hat man halt einfach nix mehr in der 2. Bundesliga zu suchen.

Danach dann Party auf dem Cannstatter Wasen mit allen, die noch stehen können. Die Fantastischen Vier sind natürlich auch da. Und spätestens wenn „Troy“ zum 438. Mal über die Anlage bollert, darf man zumindest das mit gutem Gewissen ein bisschen hassen. Weit schlimmer sind aber die Idioten, die „nur zu Gast“ in der zweiten Liga waren. Wo’s an Demut mangelt, riecht’s meistens nicht gut.

Ich stehe mit meinem Freund Marco auf dem Wasen und wir trinken Bier, weil einiges hier besser mit einem kleinen Dulli zu ertragen ist. Und es riecht tatsächlich ein bisschen nach Aufbruch, Kotze und Selbstüberschätzung.

Immer was los in Köln, da war ich 2017 sehr oft.

Apropos Fußball, ich hab 2017 Kontakte nach ganz oben klargemacht. Und wenn ich „ganz oben“ sage, dann meine ich: lieber Atemgerät mitnehmen, so oben ist das. In Köln bestellt neben mir ein Mann mit eindringlicher und irgendwie bekannter Stimme Getränke an der Bar. Und ich gucke halt neugierig und auch ein bisschen dumm – weil mir nicht einfällt, woher ich die Stimme kenne.

Er: „Hallo!“
Ich: „Béla Réthy?“
Er: „Ja, gehen wir eine Rauchen?“

Eigentlich wollte ich „Heribert Faßbender!“ sagen, fand das dann aber etwas nassforsch, überhaupt nicht witzig und auch wahnsinnig unfreundlich. Ich mag’s ja auch nicht, wenn ich Bob Marley genannt werde. Was ich gelernt habe: angenehmer Mann, der Réthy. Und der hat tatsächlich so viel Bass in der Stimme, dass bei parkenden Autos die Alarmanlagen nervös werden.

Türsteher: „Könnt Ihr euch bitte leiser unterhalten? Nachbarn und so.“
Bela Rethy: (flüstert) „Klar, Schuldigung“
Auto: „Tatütata“

Ein bisschen traurig hat mich der Abend trotzdem gemacht. Bis heute hat Réthy im Fernsehen kein Wort über unseren Abend in Köln-Nippes verloren, und der redet manchmal wahnsinnig viel, wenn das Spiel lang ist – 90 Minuten oder so.

Trump macht mich paranoid

2017 ist trotzdem das beste Jahr der Welt gewesen. Wenn im Januar Donald Trump zum US-Präsident gekürt wird, wie viel mieser soll das Jahr dann bitte noch werden? Wenn man noch vor dem Frühstück von einem Reisebus überfahren wird, läuft man wegen einem SUV ja auch nicht mehr schneller über den Zebrastreifen.

Das Jugendwort des Jahres wollen wir natürlich auch nicht schuldig bleiben: „I bims“ was streng genommen aber eigentlich zwei Worte sind. Hier ein kleiner Service: Bitte nicht mehr „i bims“ sagen – besonders wenn Ihr ein mittelständiges Unternehmen leitet, auf der Suche nach jugendlichen Fachkräften oder Freunden seid. „I bims“ verwies übrigens „napflixen“ (beim Fernsehen einschlafen) und „tinderjährig“ auf die Ränge.

Wort des Jahres: „Jamaika-Aus“, weil Lindner lieber gar nicht als schlecht oder irgendwas wollte. Platz 2: „Ehe für Alle“ und Platz drei, das Gegenteil davon „#MeToo“. Unwort des Jahres, damit wir das jetzt auch abhaken können: „Alternative Fakten“. #danketrump

In Stuttgart wurde es dagegen richtig weltmännisch. Düsseldorfer Metropolen-Flair, das New Fall Festival findet zum zweiten Mal hier statt – dieses Mal mit unter anderem Olli Schulz, Glen Hansard, Die Höchste Eisenbahn und hab‘ ich vergessen. Endlich mal was los in Stuttgart … *schlägt sich massiven Holztisch gegen die Stirn *.

Nee, alles nicht so schlimm, sieht man vom Marketinggeschwätz und Selbstverständnis des Veranstalters ab, der Stuttgart, ganz grob, wie einen Kuhstall ohne Trog sieht. Und ohne Stalltür.

Damit’s hier endlich geiler wird, beschließt der Stuttgarter Gemeinderat im Dezember, das Festival zwei Jahre lang mit insgesamt 80 000 Euro zu fördern. Wahnsinn – 2018 kam allerdings eine vorläufige Insolvenz dazwischen.

Tatsächlich fantastisch war die Ausstellung , das Buch, die Platte „Wie der Punk nach Stuttgart kam“. Eine wirklich sensationell rausrecherchierte Geschichtsstunde über Punk, Hausbesetzer, Polizei, RAF, geilen Lärm und ehrlich prägende Jahre für Stuttgart – grob zwischen 1978 und 1985.

Die städtische HipHop-Geschichte wurde drüben im Stadtpalais bei „Palais der Kolchose“ abgehandelt. Fand’s allerdings etwas lieblos, gerade mit dem Volumen der Punkausstellung im Hinterkopf. Aber jetzt mal kurz festgestellt: Matze Bach steht gleichermaßen im Punk- wie im HipHop-Museum. Kurz: Riesentyp.

Auch saustark, aber gaaannz anders: Das Wouahou auf dem Marienplatz. Ein Weihnachtsmarkt für die sophisticated Klientel, die gerne Kurkuma im Glühwein hat, Omis selbstgehäkelte Topflappen nur ironisch geil findet, aber trotzdem bei Eiseskälte auf dem Straßenfest rumstehen will. Das „alternative Winterdorf“ hat aber ein Tipi! Das wiederum ist: ein Zelt. Ebenfalls satt vertreten ist das internationale Zeichen für individuelle Selbstverwirklichung: wahnsinnig viele Europaletten.

Und dann das: Ich war da. Und so schlimm war’s gar nicht. Im Gegensatz zu … nee, anders …. Also, 2017 habe ich zum ersten Mal von Rin, Bausa, Shindy, Hartmut Engler und diesem Bietigheim-Dingsbums mitbekommen.

Und dann habe ich mich gottseidank an Tokio Hotel und Cro erinnert. Ich muss dazu nämlich gar keine Meinung haben – bin zu alt, keine Zielgruppe. Wenn ich das alles doof finde, ist das total egal. Die wollen ganz andere Leute ansprechen. Die sollen aber nicht denken, dass ich nicht wüsste, was die da für einen Quatsch machen. Bin ja nicht doof. Nur alt.

Ebenfalls geile Szenenewcomer in Stuttgart 2017: Die Pflichtbiotonne. Herzlich Willkommen. Diese Innovation hat mich derart beflügelt, hab sogar mein erstes Theaterstück geschrieben. Auf dem zweiten Platz: Der Würth-Family-Store. Sagenhaft.

Zwölfzehn macht Schluss

Schluss war derweil im Zwölfzehn – Stress mit dem Vermieter. Bums aus Jugendhaus. Von Peter Donnerbauers Plänen, baldmöglich einen neuen Laden zu eröffnen, ward auch nichts mehr gehört. Der Keller Klub, nebenan pfeift auch nur noch beschwerlich aus dem letzten Loch. Das war’s dann mit dem letzten Rest Indie-Hype in Stuttgart.

Aber niemand floppte so schön wie das Fyre Festival von Ja Rule, mein Highlight 2017. Die Doku auf Netflix ist auch sehr lustig.

Und das Jahr endete magisch, also wenn man gerne rund um die Uhr besoffen ist: Das nächtliche Alkoholverkaufsverbot (tolles Wort!) wurde gekippt. hihi. Verstehse? Gekippt. Prost ihr Säcke!

Nimm das, Trump. UND DEINEN BEKACKTEN FIDGET SPINNER KANNSTE DIR AUC HIN DIE HAARE SCHIEBEN!!!!111

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1 Comments

  1. says: martin

    „Die Fantastischen Vier sind natürlich auch da. Und spätestens wenn „Troy“ zum 438. Mal über die Anlage bollert, darf man zumindest das mit gutem Gewissen ein bisschen hassen.“

    Besser Satz, mindestens diese Woche, mindestens im Dezember 😀

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