Im Transitbereich oder: Sex and the Stuttgart

Unsere neue Kolumne für die aktuelle re.flect-Ausgabe, die letzten Freitag erschienen ist. 

In FlipFlops kann man definitiv keinen längeren #hoodcheck (früher „Einflussrunde“, frei nach Massive Töne) durch S-Mitte machen. Ich versteh bis heute nicht, warum die Menschheit auf diese Zehenpeiniger abfährt. Ich würde jetzt sowieso lieber ein Stockbrot peinigen und dabei auf Andrea Berg (nackt) liegen. David Garrett geigt dazu irgendwas von Tyga, Daft Punk oder Helene Fischer. It was all a dream in Großaspach und Edward Snowden darf in diesem Moment den Transitbereich im Moskauer Flughafen verlassen. Melden die SZ- und Spiegel-App; die SZ-Redaktion übrigens rund fünf Minuten früher am Push-Nachrichten-Daumen.

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(DJ Swist im Transitbereich Stuttgart-Geiss. Welche Tür soll ich nehmen?)

Wenn ich wiederum im Transitbereich vom Bergamo am DJ-Pult stehe und am Ende des Abends nicht mehr weiß, durch welchen Ausgang ich diese Zone verlassen darf, besser gesagt kann, schreiben die nie was darüber, die ollen Flachwutze aus Hamburg und München. Dafür stand vor mir neulich im Transittanzbereich ein junges Mädchen, das sich Gefieder von mindestens drei Seeadlern und sämtliche Woodstock-Gedächtnis-Haarbänder aus dem DaWanda-Shop in die Haare gesteckt hat, so dass sie einfachhalber unter „die Indianerin“ firmierte. Ätsch, ihr App-Eimer. So was habt ihr nicht.

DaWanda und Seeadler fanden also gefallen an der Musikauswahl des bebrillten älteren Herren, der noch mit Waldheim, Straßenfußball und Stockbrot und garantiert nicht mit #stockbrotporn oder #stockimpo aufgewachsen ist, und bewegte anmutig ihren jungen, indigenen Leib. Einige andere Männer, denen offensichtlich das Wifi schon durch die Kinderadern floss, fanden wiederum Gefallen an der anmutigen Tänzerin.

Kleines Gedankenspiel zwischendurch: Hätte ich an diesem Abend im Transitbereich die Wahl zwischen Andrea Berg nackt und einer Tonne DaWanda im Haar gehabt, hätte ich mich für „Ferber erleben“ – im wahrsten Sinne des Slogans – entschieden. It was all a Milf. Unterschiedliche Generationen, unterschiedliche Gelüste.

Frau Berg kam nicht. Dafür lungerte rechts neben mir am Pult ein ziemlich junger Kerle, Typ Skaterundzugroßestshirt. Er versuchte dringend Kontakt mit mir aufzunehmen und starrte mich dauernd an. Brille: „Yep?“ Skater: „Ey, du bist der geilste DJ!“ Wie gesagt, er war jung, ich tippe gerade mal auf 18, wenn überhaupt, so viel Erfahrung hat er noch nicht, diese Aussage sei ihm also verziehen. Aber, scheiß drauf, nimm´s mit, ich bin der geilste DJ.

Der Kontakt steht also. Jetzt reden wir Tacheles. Mann zu Mann. Nur wir zwei. The Final Countdown. Money for nothing and Hits for free. Absolut abhörsicher, weil Musik laut. Er setzt also an, legt nach, ich weiß eh schon Bescheid, denke ich zumindest, jetzt kommt der Wunsch. Völlig normal. Erst schmieren sie dir Honig ums Maul und dann wollen sie was dafür. Skater: „Samal, meinsch die Indianerin is scharf?“

I broke nieder! „Junge! Woher soll ich wissen, ob sie scharf ist?! Geh hin, frag sie und check sie ab!“

(Ich kenne Männer, die Frauen ansehen, ob sie scharf sind oder sich das zumindest einbilden und obendrein einbilden, die Frauen wären wiederum scharf auf sie. Ich gehöre aber leider nicht dazu. Ich bin schon froh, wenn ich durch meine Brille scharf sehen kann.)

Er bewegte sich also ein, zwei Meter Richtung Ausgang, so dass er freien Blick auf das D.I.Y.-Mädchen hatte, ein Schritt vor, inspizierte sie schüchtern, und dann war er weg und ich lachte den ganzen Abend weiter, awa, das ganze Wochenende. Und jetzt neu im DJ-Service: Den Gästen ansehen, ob sie scharf sind. Ob sie einen Ständer haben (bei Skinny-Jeans durchaus möglich). Ob sie geil sind. Ob sie ficken wollen. Ich will mehr Gage.

Ein Teil von jener Gage ging ein paar Tage später für eine Dienstleistung des Unternehmens Siam-Thai-Massage in der Königstraße 54b drauf. 39 Euro die Stunde. Happy End ausschließlich für den Rücken und nicht für Geschlechtsteile. Dieser Punkt wiederum ist nicht allen Männern klar, wenn sie zur Thai-Massage gehen. Handentspannung ftw. Aber nicht hier, mein Freundchen.

Ich liege also auf dem riesigen Bett, Gesicht in das Kissen gedrückt, die Dame knetet mich wirklich richtig gut durch, hemmungslose Werbung an dieser Stelle für Siam-Thai-Massage, und verfolge währenddessen im Flur ein Gespräch zwischen einem potentiellen Neukunden und einer Knet-Kollegin. Er druckst offensichtlich rum, versucht das Angebot des Salons zu erörtern und sie sagt immer nur: „Massage! Massage!“ Er macht, so spekulierte ich, man hört ihn kaum, Andeutungen und zeigt dabei – vielleicht – auf seinen Tiefleistenbereich. Auf einmal erwidert sie ziemlich deutlich und angeheitert: „Ah no! No Sex! No Sex!“

Der ganze Laden lacht und ich wiehere in mein Kissen hinein. Stuttgart wie es leibt und bumst. Und nächstes Mal berichten wir von unserem Camp Out vorm Salamander Kornwestheim. Die luftgepolsterte Trekkingsandale Dino kommt die Tage in einer limitierten Kreissparkassen-Edition rein. Wir campen schon 20 Tage davor, um fjehden die Latschen ab zu kriegen. Checkliste stündlich, Wurst for free und Swimmingpool for life.

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5 Comments

  1. says: kutmaster

    Als alter Kornwestheimer kenne ich noch den Salamander Mitarbeiter-/Werksverkauf alle paar Monate. Da standen die Leute schon mal 5 Stunden vor Beginn an den Türen und wenn die dann endlich geöffnet wurden, wurde der Laden überrannt.

    Da hatte man schnell paar Prellungen wenn man ungünstig an der Tür stand und auch drinnen spielten sich Szenen ab, die man eventuell in einem Supermarkt kurz vor einem Atomkrieg oder vor Weihnachten/Silvester erwarten würde.

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