Das Stuttgarter Konzept für Vergnügungsstätten (aka Discos, Clubs & Casinos)

(Bäm, Spielcasino Hauptstätterstraße) 

Angedockt an die gestrige Diskussion eine kurze Übersicht was sich aktuell im Punkt Spielcasinos so tut – oder auch nicht tut. Zumindest ist das Thema im Gemeinderat sehr präsent, auch wenn man sich nicht einig ist, wie man mit den sogenannten „Vergnügungstätten“ weiter verfährt.

Die Ausgangslage: Die Stadt wollte eigentlich ein neues Konzept für Vergnügungsstätten auf den Weg bringen (siehe Pressemitteilung vom 7. Februar auf der nächsten Seite oder Artikel StZ). Unter Vergnügungsstätten fallen nicht nur Spielcasinos, Wettbüros oder Striplokale, sondern z.B. auch „Tanzlokale und Diskotheken“.

„Ziel der Vergnügungsstättenkonzeption ist, städtebaulich verträgliche Standorte von Vergnügungsstätten festzulegen und in den übrigen Gebieten weitgehend auszuschließen. Dies soll durch die Bauleitplanung gesichert werden“, sagte damals der Städtebaubürgermeister Matthias Hahn. Mittlerweile gibt es 125 Spielhallen in Stuttgart.

Konkret war der Ansatz, dass die Vergnügungsstätten „nur noch ausnahmsweise in der Stadtmitte, in Bad Cannstatt, Feuerbach, Vaihingen, Weilimdorf und Zuffenhausen zulässig sein werden, dort allerdings auch nicht mehr im Erd-, sondern nur noch in Unter- oder Obergeschossen“, schrieb die StZ und man sich so eine Eindämmung erhofft. Oder wie die Stadt selbst formuliert: „Sie sollen deshalb gezielt in starke und robuste Hauptgeschäftslagen der größeren Zentren gelenkt werden.“

Sprich: Hans im Glück Rudel auch dank der gewachsenen Barszene „starke und robuste Lage“, da machen zwei weitere Casinos nix aus. So interpretiere ich das zumindest. Total super Idee. Eher ein Fall für die Gewerbegebiete dieser Erde.

Meiner Meinung nach kann man es drehen und wenden wie man es will: Ein Spielcasino verwässert jede Lage der Welt. Da hat sich z.B. erst die Haupstätterstraße zwischen Wilhelms- und Österreichischem Platz eigentlich ganz nice mit Stella, Dräger, Pauls Musique und (Ex) Liebstöckel (kommt ein neues Restaurant rein) ganz charmant gewandelt, dann klatscht man ein Casino dazwischen.

Check ich nicht. Oder check ich schon, scheint sich für die Vermieter zu rechnen. Die Stadt kann selbst nicht sagen, so das Boot ist voll, jetzt reicht es. „Das sieht der Bundesgesetzgeber nicht vor“, erklärte Hermann-Lambert Oediger vom Amt für Stadtplanung und -erneuerung in einem anderen StZ-Artikel. Einfach weniger Konzessionen aussprechen? Geht das? Wahrscheinlich nicht.

Dieses neue Konzept wurde jedenfalls vergangenen Dienstag im Gemeinderat diskutiert und liegt nun wieder auf Eis, weil den Grünen, der SPD und dem Bezirksrat Mitte gehen die Einschränkungen (nur Zentrumslagen, kein Erdgeschoss) nicht weit genug. Sie plädieren z.B. für die Mindestabstandregelung. Heißt: Keine neue Spielhalle wenn im Abstand von 100 bis 150 Meter schon eine andere sitzt. So verfährt man in Städten wie z.B. in Berlin oder Bremen. Geht aber gerade nicht, dafür fehlt die rechtliche Grundlage, schreibt die StZ. Die wiederum soll im Sommer mit einem neuen Landesgesetz geschaffen werden, das aber wiederum nicht für alle „Vergnügungsstätten“ gilt.

Alles in allem ziemlich kompliziert. So gut diese Regulierung gemeint ist, kann wiederum evt. das Nachtleben von Schaden nehmen, wenn z.B. außerhalb von Mitte ein Club eröffnen will und das aufgrund der Verordnung nicht mehr geht.

Artikel StZ

Witzige Facebook-Seite zum Thema

P.S.: Coming soon ft. Geiger und Thorsten W. – die KTV-Spielhöllen-Tour.

Pressemitteilung Stadt Stuttgart vom 7. Februar 2012

Spielhallen und Wettbüros dürfen sein – aber nicht überall: Neues Konzept für Vergnügungsstätten

Am Donnerstag, 9. Februar, 18 Uhr treffen sich im Rathaus, Großer Sitzungssaal, alle Bezirksbeiräte Stuttgarts. Unter Vorsitz von Städtebaubürgermeister Matthias Hahn steht bei der gemeinsamen Sitzung die neue gesamtstädtische „Vergnügungsstättenkonzeption für Stuttgart“ auf der Tagesordnung. Die neuen Regelungen sollen Anfang März vom Ausschuss für Umwelt und Technik beschlossen werden. „Ziel der Vergnügungsstättenkonzeption ist, städtebaulich verträgliche Standorte von Vergnügungsstätten festzulegen und in den übrigen Gebieten weitgehend auszuschließen. Dies soll durch die Bauleitplanung gesichert werden“, unterstreicht Städtebaubürgermeister Matthias Hahn.

Die Vergnügungsstättenkonzeption soll die notwendige städtebauliche Grundlage für Aufstellungsbeschlüsse von stadtbezirksbezogenen Bebauungsplänen bilden. Als künftige Satzungen werden sie die Ansiedlung von Vergnügungsstätten aller Art, so wie Spielhallen und Wettbüros, im Stadtgebiet steuern.

Seit Inkrafttreten der novellierten Spielverordnung im Jahr 2006 haben auch in Stuttgart die Anträge auf die Errichtung von Spielhallen sowie Wettbüros stark zugenommen. So ist die Zahl der Spielhallen in den 23 Stadtbezirken in den letzten Jahren rapid gestiegen. Wurden vor zehn Jahren noch rund ein Dutzend in der Landeshauptstadt gezählt, so sind es heute etwa 125.

Zur gezielten Steuerung von Vergnügungsstätten wurde im Herbst 2010 das Büro Dr. Donato Acocella, Stadt- und Regionalentwicklung, Lörrach/Dortmund, mit einer gesamtstädtischen Konzeption beauftragt. Diese liegt nun vor. Eine juristische Überprüfung durch die Stuttgarter Kanzlei Dolde, Mayen & Partner Rechtsanwälte hat die konzeptionellen Ansätze zur Steuerung von Vergnügungsstätten in wesentlichen Aspekten bestätigt.

Was sind Vergnügungsstätten?

Vergnügungsstätten sind Gewerbebetriebe, die auf unterschiedliche verschiedene Weise Freizeit- und Unterhaltungsangebote anbieten, im Bereich von Sex, Spiel oder Geselligkeit. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Spielhallen, Wettbüros, Tanzlokale und Diskotheken, Stripteaselokale oder auch Sex- und Erotikshops mit Videokabinen.

Wenn die Qualität sinkt

Vor allem in Innenstädten sind solcherlei Einrichtungen ein Zeichen für Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und -zonen. „Meist wird der traditionelle, gehobene Einzelhandel verdrängt“, konstatiert der Städtebaubürgermeister. „Dafür konzentrieren sich dann dort Spielhallen, Sexbetriebe, Schnellimbisse und Billigläden. Stadtplaner sprechen von Trading-Down-Prozessen.“

In Stuttgart habe sich gezeigt, dass Vergnügungsstätten vor allem in Randlagen der Innenstadt und der Stadtteilzentren sowie innerhalb der Gewerbegebiete zu Konflikten führen. Bürgermeister Hahn: „Sie sollen deshalb gezielt in starke und robuste Hauptgeschäftslagen der größeren Zentren gelenkt werden. Die Verwaltung schlägt vor, Vergnügungsstätten in allen übrigen Gebieten weitgehend auszuschließen.“

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20 Comments

  1. says: bernd

    scheinbar und leider ist die Nachfrage groß genug, daß da ein Win-A-Lot am anderen existieren kann und noch genügend Kundschaft anlockt um zu überleben. Wie sagt man beim TiVi so schön, die Zuschauer bekommmen die Sendungen die Sie verdienen. Ich hoffe das gilt nicht 1 zu 1 auch für Nutzung der Stuggi-Locations. Hiesse ja dann, ihr wollt nur Zockerbuden, also nehmt.

  2. says: Matthias

    „Vergnügungsstätten sind Gewerbebetriebe, die auf unterschiedliche verschiedene Weise Freizeit- und Unterhaltungsangebote anbieten, im Bereich von Sex, Spiel oder Geselligkeit. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Spielhallen, Wettbüros, Tanzlokale und Diskotheken, Stripteaselokale oder auch Sex- und Erotikshops mit Videokabinen.“

    Haha! Sehr schön. Da wird mal schnell ein Club wie der Keller Club, Speakeasy, 1210, Schräglage oder Rocker 33, etc. mit ner Spielhalle oder nem Sex-Shop in einen Topf geschmissen und im gleichen Maße „für Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und -zonen“ verantwortlich gemacht? Sehe ich das richtig?

  3. says: der felix

    … irgendwie sehen Spielcasinos halt auch immer extrem scheisse aus. Zugeklebte Fenster, eine ganz eigenen Stil an extrem schlechter Grafik und das ganze dann eben meist in einem Gebäude, welches das ganze noch mit Hässlichkeit unterstreicht. Spiel und Spass strahlt das ganze dann in den seltensten Fällen aus …

  4. says: kesselfieber

    Die arme Stadt steht da halt zwischen den Stühlen. Einerseits wollen Sie dem Bürger und dem Stadtbild nicht zu viele Casinos antun, andererseits gibt es doch so viel Geld durch die Vergnügungssteuer. Und dann ist es ja auch so, dass die privaten Casinos eine Konkurrenz für die staatlichen Casinos darstellen. Was also machen? Konkurrenz aussieben oder mehr Steuern einholen?

    Letztlich geht es um Geld und nicht um Kultur. „Wenn wir nicht verhindern können, dass so viele Casinos entstehen, dann wollen wir wenigstens die Steuern.“ Zwickmühle halt.

  5. says: bernd

    Freiheitsliebe ist ja auch was wert, und dieser huldigend rufe ich nicht nach mehr Behördenregulierung, sondern frag mich ´nen Wurm warum so viele Nasen scheinbar lieber das Geld in Maschinen mit rotierenden Früchten stopfen oder alles auf Sieg und Platz setzten statt es für Kultur egal welcher Spielart auszugeben. Die Nachfrage scheint doch leider auch hier das Angebot zu steuern.

  6. says: kesselfieber

    Die Antwort ist einfach: die Geschäft mit der Sucht.

    In staatlichen Casinos darfst du Alkohol trinken und so viel ausgeben wie du willst. Die privaten Casinos werden durch Gesetze versucht unten zu halten (Vergnügungssteuer, Limits an Automaten, kein Alkohol). Die Sache stinkt einfach zum Himmel. Wie gesagt: es. Geht nicht um Kultur sonder wie immer um das liebe…

  7. says: Elli

    Spielsucht als Geschäftsmodell. Man fragt sich trotzdem, wer geht in diese Trash-Schuppen und haut dort so viel Geld raus, dass sich die ganzen Läden lohnen?

  8. says: kesselfieber

    Es gibt die absoluten Trashläden und welche, die versuchen den großen Casino-Flair mit Themenparks nach Deutschland zu holen. Zum Beispiel: a7-spielotheken.de (Design ist trotzdem hässlich, aber die scheinen Kohle zu haben). Man muss bedenken, dass manche ihr ganzes Hab und Gut in die Maschinen schmeißen. Die Dinger laufen (leider) besser denn je.

  9. says: martin

    das können sie von mir aus gerne tun ihr hab und gut da reinstecken. mir bumms. finde trotzdem dass man da eine lösung finden sollte seitens der stadt, auch wenn dann vielleicht eine einnahmequelle zurück geht. oder man steckt alle 125 casinos ins zukünftige ece oder ins gerber.

  10. says: martin

    aso du meinst die spieler – ich dachte diejenigen die eine spiehalle aufmachen, hab mich verlesen. ja okay klar, das ist natürlich traurig, bzw. können traurige schicksale daraus resultieren, bestimmt aber dann doch auch jeder ein bisschen selbst, nicht wahr?

  11. says: Normann

    Meine Güte, wenn sich diese Gutmenschen mal um die wichtigen Dinge des Lebens kümmern würden. Aber nein, hauptsache alles sieht wie geleckt aus, im schönen Einheitsbrei. Irgendwann wird einem noch vorgeschrieben, wann und wie man auf´s Scheißhaus gehen darf bzw. muss.

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