Hallo Herr Postmann!

postmann

Wenn man so alt ist wie ich, wird man irgendwann zum Gewohnheitstier. Man hat seinen Lieblingsbäcker, kauft immer beim gleichen Metzger ein und freut sich schon dienstags auf den frischen Fisch beim spanischen Supermarkt am Freitag. Support your local Einzelhandel-Dealer lautet mein Motto, was zur Folge hat, dass man irgendwann mit Namen angesprochen wird bei der Bestellung.

„Darf’s ein bisschen mehr sein, Herr Aussenreporter, die Fleischwurst ist aber auch wirklich ausgezeichnet, Herr Aussenreporter, und haben Sie das Hirschgulasch schon probiert? Das Tier haben wir heute morgen frisch mit unserer S-Klasse am Schattenring überfahren, ganz zart, Herr Aussenreporter!“

Anfangs war mir das Prozedere megapeinlich, mittlerweile schieß ich einfach zurück und sprech‘ den Händler nach jeder Bestellung auch mit Namen an.

„Nein, Herr Metzger, das ist ja toll, na klar Herr Metzger, da können Sie mir ne extra dicke Scheibe abschneiden, fjehden, Herr Metzger, Schattenring-Hirsch rules mit Rotkraut und Knödeln, Herr Metzger, so machen wir’s, schönes Wochenende, Waidmanns Heil.“

Eine unschöne Form der Namensnennung, die Starbuckisierung der Bestellung so zusagen, findet mittlerweile in manchen Stuttgarter Restaurants statt. Da ich nie zu Starbucks gehe, weil das nicht meine Tasse Kaffee ist, war ich ganz schön überrascht, dass es diese Phänomen nun auch in anderen Läden gibt.

Man bestellt ahnungslos einen Teller Pasta an der Kasse und wird dann aufgefordert, seinen Namen zu nennen, damit die Bedienung ihn neun Nudel-Minuten später durch den Laden brüllen kann.

Da mein Vorname grenzwertig ist, wird er grundsätzlich falsch gebrüllt, also hab ich mir angewöhnt, unter falschem Namen zu bestellen. „Aussenreporter“ ist aber zu sperrig, also nenn ich mich Rämalder, oder, wenn ich richtig gut drauf bin, Adolf oder so. Dumm nur, wenn man kein Kurzzeitgedächtnis hat und nach drei Minuten schon wieder vergessen hat, dass man eben witzig sein wollte.

Da steht dann die Bedienung neben einem, brüllt „Adolf” durch den ganzen Laden mit einem Teller Carbonara in der Hand, und ich denk mir so, wieso holt der blöde Adolf nicht endlich seine Scheiß-Pasta ab. Bis mir dann wieder einfällt, dass ich der Mittagsessen-Adolf bin, sind die Nudeln kalt und der ganze Laden hasst mich.

Die neueste Variante des Namen-Spiels zockt meine Bäckerin seit Wochen mit mir. Frau Weible hatte ich monatelang vernachlässigt, weil ich mit einem anderen Bäcker fremdgegangen war.

In der Zwischenzeit hat sie aus Rache für meine Brezel-Affäre die vordere Hälfte meines Nachnamens verdrängt. Seitdem begrüsst sie mich morgens immer mit „Hallo Herr Postmann. Sonst noch einen Wunsch, Herr Postmann. Schönen Tag noch, Herr Postmann.“

Ich genieße das Spektakel zum wach werden und lass mir jetzt selber immer neue Namen für sie einfallen, nuschle etwas von „Morgen Frau Schneible“, „Dankeschön, Frau Heible“, „Das wünsche ich Ihnen auch, Frau Reible.“

Macht insgesamt einen Heiden-Spass, und ohne Spass ja bekanntermaßen kein Fun. Bin gespannt, wer zuerst aufgibt, Frau Meible, und freu mich schon auf morgen früh.

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21 Comments

  1. says: Lino

    Sehr schön das mit dem Adolf!! Dieser ganze übertriebene Dienstleistungsquatsch-Wahn gehört eh mal runtergedimmt. Freundlich ja, aber ich möchte doch nicht von unterwürfigen Sklaven bedient werden. Und Vornamen zu verlangen ist unzulässiges fraternisieren. Wo bleibt denn die schön höfliche Distanz und das respektvolle „Sie“?

  2. says: K.

    Sehr schönes Spielchen mit dem falschen Namen. Ich erinner mich noch, dass wir das früher zu Schulzeiten gern mit Referendaren gespielt haben. Und weil man nach kurzer Zeit seinen fingierten Namen wieder vergessen hatte, wurde dreimal vom angehenden Lehrkörper verzweifelt laut „Dieeeeter!“ durch den Raum gerufen bis man merkte: „Oh, das bin ja ich!“ Har har, a heiden Spaß!

  3. says: Thorsten W.

    Hämmer. Ich geh so gut wie nie zum Metzger, und als ich mal in der Olgastraße bei einem war, wo sich samstags die M-Klassen vor der Tür stauen und die Schlange bis zur anderen Straßenseite geht, da kam ich mir bissle schäbig vor, dass alle mit Namen angeredet wurden außer ich.

  4. says: Weini

    also ich geh auch nie zum Metzger…

    beim bäcker frank hab ich imma meine brezeln gekauft aber da wurde ich nie mit namen angesprochen…:(da war ich dann irgendwie schon n bissl neidisch auf die, die mit namen angesprochen wurden….tz tz tz

  5. says: Aussenreporter

    @ Lino: Danke für das tolle Wort „fraternisieren“, das hatte ich schon lange nicht mehr gelesen, wird viel zu selten gebraucht.
    @ Thorsten: Der Olgastraßen-Metzger ist der Metzger aus dem Text! Am Wochenende steht da wirklich ein beachtlicher Fuhrpark vor der Tür.
    @ Weini: Das Geheimnis ist eine Vorbestellung, also etwa „Am Wochenende brauch ich zwei Möhrensonnen und 18 Butterbrezeln.“ – „Auf welchen Namen, bitte?“ – Ab dann bist du im Club!

  6. says: julia

    da geh ich nicht mit… mir is schon wichtig wo es her kommt. wurst aus der packung is so naja, aber fleisch frisch vom metzger schmeckt schon um welten besser!
    aber über bäcker und dergleichen, wo frische ware herkommt, haben wir alle ja schon öfter diskutiert.
    😛

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