Die Pfeife und die Frage des Jahres.

Die Pfeife des Jahres. Ich hatte da eher ein paar andere Kandidaten im Sinn. Angefangen bei den Leuten, die auf dem New Fall Festival Gastspiel in der Carl-Benz-Arena die Stuhlreihe 7 zwar verkauft, aber nicht aufgebaut haben.

Dann gab es den einen oder anderen Instagram-Takeover-Overtaker, der den Kanal der Stuttgarter Zeitung gekapert hat – und das besser nicht hätte tun sollen.

Außerdem in den Top 3 der Pfeifen des Jahres: die Experten, die uns von kessel.tv in einem Sondierungsgespräch sagten, sie würden ja gerne ein kessel.tv Buch veröffentlichen. Aber Stuttgart sei überpubliziert. Nur um direkt danach selber den Markt mit noch mehr Stuttgart-Büchern, die weder die Welt noch die Stadt braucht, zu überschwemmen. Womit in meinem Nicht-BWL-Verständnis solche Verlage an der Überpublikation Stuttgarts nicht ganz unschuldig sind.

Der Sonderpreis für sein Lebenswerk geht an den Autor mit der Zimmerpflanze, der uns bei unserem textbroker-Versuch eindrucksvoll beschrieben hat, wie schön Stuttgart doch ist. Und das nicht zuletzt, weil wir viele Laubbläser und eine Pferderennbahn in der Stadt haben.

Noch weniger Ahnung haben da nur die Jungs vom Vertikalpass bewiesen, die versehentlich sowohl diesen Blog hier, als auch diesen Autor hier in ihre Liste der „99 VfB-Influencer, denen man folgen muss“ geadelt haben. Ich weiß ja auch nicht, was das über einen Blog, der Ahnung vom Fußball hat, aussagt, wenn der einen Blog, der keine Ahnung vom Fußball hat, zur ‚VfB Army of Love‘ zählt. The winner is LaLa-Land?

Die fadenscheinigen Begründungen:

kessel.tv. Der Blog für Stuttgart und nicht für Stuggi. Haben alles schon gesehen: VfB, Möpse, Bärte, Pferde, Dildos, Einkaufscenter.

kollegegeiger. Kollege Geiger ist berühmt für seine Insta-Walks auf kessel.tv, Mastermind hinter den Steig-in-den-Ring-Videos.

Ja. So kann man sich die durchwachsene Saison natürlich auch schön reden und saufen. Aber trotzdem danke. Hier jetzt dann auch #ironieoff und wirklich von Herzen Gruß in die Runde. Denn wir lieben Vertikalpass. Und das ist doch total schön, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.

Hood des Jahres ist für mich der Hölderlinplatz. Auch wenn der Textbroker-Broketexter uns etwas anderes weis machen wollte: „Um gut in Stuttgart einzukaufen, kann ich jedem Besucher die Königsbau Passagen empfehlen. Dort findet man quasi alle großen Modeketten.“

Rund um den Hölderlinplatz ist – wann eigentlich genau? – ein schöner und ziemlich eigenständiger Mix an alten und neuen Fachgeschäften entstanden. Ganz ohne Modeketten.

Zum Beispiel mit Herrn Schäuble von Tabacum & La Casa del Habano, wo es nicht nur die Pfeife des Jahres, sondern auch die Frage des Jahres gab: „Wollt ihr Alkohol dazu?“ meinte der freundliche Fachberater zur Kundschaft beim Zigarrenkauf.

Das möchte ich mal in der Yeanshalle hören. Oder beim Elektro Dräger. Oder beim Bäcker Frank. Das ist doch mal ne kundenorientierte und servicezentrierte Frage. Palimpalim, ich hätte gerne ein paar UGG Boots in 37 1/2. „Wollt Ihr Alkohol dazu?“ Die Herrschaften wollten übrigens sehr gerne. An einem Mittwochnachmittag, kurz nach 2.

Der Laden ist gut. Und das, obwohl ich das Gegenteil von einem Zigarrenraucher bin: ich bin derjenige, der sich schwer wundert, dass im Neckarstadion Menschen ein Fußballspiel anschauen und sich dazu eine Zigarre mitbringen. Nennt mich altmodisch, aber der Einzige, der im Stadion Zigarre rauchen darf, ist für mich Klaus Augenthaler, wenn er einen internationalen Titel errungen hat.

Hier möchte ich bitte eine Lanze für den Namen und das Logo brechen. Eine Joaillerie ist ein Juweliergeschäft, petzt leo.org, weil ich selber keine Ahnung hatte. Und ein Löwe, der durch einen Reifen springt, ist ein verdammt schönes Signet. Ich möchte euch, die Ihr ja mindestens noch acht Finger für Ringe frei habt, bitten, da hinzugehen, weil es gut ist: www.joaillerie-stuttgart.de. Und lasst euch nicht immer zweimal bitten.

Auch gut. Sogar sehr gut. Die Bottega da Giulia. Eine Mischung aus italienischem Feinkostgeschäft und Tagesbar. Der Mittagstisch und die Freundlichkeit waren herausragend.

So sehr, dass auch wir freundlich genug waren, dem Gast einen Stern auf die Ömme zu kleben, damit er nicht zuhause gesagt hat, er müsse arbeiten und dann im Internet mit einem Cappucino tindert und dann ist wieder die Hölle los daheim und wir sind schuld.

Merke: das Da Giulia ist das wesentlich bessere Oh Julia, aber wenn man unbedingt fremdgehen muss: nicht ins Schaufenster setzen. Ehering auf dem Foto: aus der Joaillerie, Lagen-Achat mit Goldgravur. Ag 925.

Ohne Secret Shopper Storecheck auskommen musste der Milk Wood Concept Store. Im Vorbeigehen kann man aber bitte auch bescheinigen, dass das alles schön und anders und nicht nach von der Stange aussieht. In anderen Stuttgart-Gazetten würde man jetzt vielleicht sagen: das Sortiment ist kuratiert. Weil wir Leute, die „kuratiert“ schreiben, wenn sie ausgesucht meinen, aber doof finden (außer Aussi, der darf das gerade so), schreiben wir es nicht. Die kuratierte Pfeife des Jahres geht deshalb an jemand anders – wollt Ihr vielleicht Alkohol dazu?

Hier wären wir gerne rein, hatte aber zu. Ein Laden mit kuratierten Forelleschuhen und sehr, sehr guten weiteren Botschaften im Schaufenster. Kapriolen! Wer da nicht an Mainzelmännchen denken muss, hat die 80er nicht richtig erlebt.

Leider hat das Schuhwaren Fachgeschäft geschlossen. Und wie es aussieht: ein für alle mal. Das ist schade für die Handelslandschaft Hölderlinplatz. Zeitgleich aber auch eine große Chance für einen Neuanfang. Irgendjemand wird sich schon selbstständig machen.

Und das Gute ist ja, dass das Gute dort das Gute anzieht. Umgeben von smarten Konzepten und schönen Läden wird ja keiner so doof sein, und da jetzt ein olles Internet-Café reinmachen. Wo es in unmittelbarer Umgebung noch ein weiteres italienisches Stehcafé mit hoher VfB-Spielerdichte, einen ayurvedischen Inder, einen ziemlich schicken Barbershop oder eine Chocolatterie gibt.

Übrigens hat man von der Gegend rund um den Hölderlinplatz zum Jahresende kein Mimimimi gehört, dass der böse Feinstaub schuld daran wäre, dass die Menschen bei ihnen nix zu Weihnachten gekauft haben. Das kam nur aus der Innenstadt. Wozu mir die naive Gegenfrage in den Sinn kam, ob es denn nicht sein könnte, dass die Menschen 2017 einfach nicht so viel haben wollten?

       

Letzte Station des kleinen Instawalks in der Gegend: Cappu im Heilignüchtern. DJ Elbe war schon kurz nach der Eröffnung im September da. Aber wir holen bei kessel.tv gerne eine zweite Meinung ein. So wie in:

„Der alternative Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz ist voll super.“
„Warst du schon?“
„Nö“

So ungefähr. Heilignüchtern ist auch nach der zweiten Begehung noch gut. Und an alle, die immer meckern, es gebe zu wenig Cafés und das Stella und das Soho und überhaupt: ja, vertretet euch halt mal die geschwollenen Feiertagsbeine und geht ein paar Schritte. Oder fahrt mit der U4 direkt vor die Kuchentheke. Wo kann das schon?

Der Kosenamen-Contest für die Hölderlinplatz ist damit dann auch eröffnet: Ich sag mal „Höldi“. Und jetzt Ihr!

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