Auf der Trabrennbahn

Neue Ziele: Deutschlands größter Pferdeblog werden. Zufälligerweise war Leser JMO2, sonst unser Fußballexperte, neulich auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen. Und zufälligerweise ist sein Text heute fertig geworden. Super Übergang nach Thorstens German Masters Report. 

Der Fußballverein meines Geschmacks spielt nach 100 Jahren endlich wieder überregional. Das hat schöne Vorteile. Zum einen muss man nicht mehr Spiele gegen Pfullendorf, Alzenau oder diverse Zweitvertretungen besuchen, zu deren Partien meist nur die Familien der Spieler sowie deren Hunde anreisen. Zum anderen lernt man noch andere Facetten Deutschlands kennen. Hört sich zugegebenermaßen ein wenig pathetisch an. Normalerweise geht man nach dem Spiel in die nächste Kneipe und macht das, was man sonst auch macht. Aber in manchen Gegenden gibt es Dinge, die dann doch die Neugier herausfordern und dies war in diesem Fall der Trabrennsport.

Trabrennen ist der hässliche Cousin des noblen Galopprennen, mehr Schinkenbrot als Lachshäppchen und eher Rotlichtadel als Geldadel. Kurzum, genau das richtige für mich als Fußballromantiker. Zu dem meine Erinnerung an Trabrennen aus der Sportschau Ende der 80er herrührt, als Adi Furler das noch moderierte. Außerdem macht Hannes Bongartz, ehemaliger Bundesligaprofi und -trainer damit heutzutage seine Kohle – das kann also kein schlechter Sport sein.

Die Anreise nach Gelsenkirchen geriet aufgrund mangelnder Kenntnis des Nahverkehrs im Pott etwas schwierig. Es fährt offenbar nicht jede S2 von Dortmund nach Gelsenkirchen, manche fährt auch gern nach Recklinghausen. Aber dank des Umwegs dann noch den Begriff „Strukturwandel“ mit eigenen Augen gesehen, nämlich beim Schlendern durch den Essener Stadtteils Katernberg, der seit dem Zusammenbruch der Zeche Zollverein in der Nachbarschaft doch sehr zu kämpfen hat. Scheint nicht der Stadtteil zu sein, in dem man aufgrund der Nachfrage neue Büchereien hin bauen würde. Kann auch am kühlen Abendwetter gelegen haben, das man außer an der Trinkhalle und vorm Internetcafe keine großen Menschenmassen erblickte.

Rund fünf Meter nach überqueren der Essener-Gelsenkirchener Stadtgrenze tut sich dann der Eingang zur Rennbahn auf. Schlicht in Beton gefasste Kassenhäuschen, von denen aufgrund des Andrangs nur eines auf hat. Für vier Wettgutscheine á fünf Euro kommt man rein, kriegt noch eine Ausgabe der Szenefibel „TraberWelt“ für lau in die Hand gedrückt. Ohne Wettguthaben kommt man für 5 Euro Einlass in die Zeitreisemaschine Trabrennbahn.

Nach dem Eingang erscheint zur Rechten die eigentliche Rennbahn, auf der sich gerade die Gäule zum nächsten Rennen warmliefen und zur linken ein großes Gebäude, die eigentliche Tribüne, nach vorne raus fast voll verglast, also voll 21. Jahrhundert, zu den Seiten hin mehr 60er Jahre Waschbeton.

Das Publikum scheint eher so treues Stammpublikum zu sein, das wahrscheinlich mit seinen eigenen Händen nach dem Krieg hier alles wieder aufgebaut hat. Auf jeden Fall zählten mein Begleiter und ich mit unserem kombinierten Alter locker zu den Jüngeren. Es wurde auffallend viel Cord in Brauntönen getragen. Weiterhin scheint es durchaus ein Sport zu sein, bei dem einen die Gattin begleitet.

Der Bau an sich enttäuscht innen nicht, wohl noch alles im Urzustand. Nur ein paar Mal wurde hier geputzt, Ordnung muss schließlich sein. Optisch grüßt ein wunderbarer schwarzer Steinfußboden mit weißen Sprengseln, der vorm Wettbereich sich als Holzboden abhebt, die Treppen entpuppen sich als Stolperfallen, aber gute Sicht auf die Bahn. Und das ist ja das wichtigste, beziehungsweise fast.

Das wichtigste ist das Wetten, das auch im Inneren der Tribüne vonstatten geht. Und Wetten geht in dem Fall für den Laien so: Erstmal an einen Tisch gestellt, haben die Höhe von Bistro-Stehtischen, sind aber geneigt, damit man da ganz bequem sich in den Zahlenwust einlesen kann, den einem die „TraberWelt“ offeriert. Als Anfänger sagt einem das an sich nicht viel, außer das die Favoriten ganz wenig Kohle bringen, die Graupen dagegen richtig viel. Wenn sie mal gewinnen. Wie im Fußball. Hättest am ersten Spieltag auf Gladbach gesetzt, als sie gegen die Bayern schlugen, hättest ein kleines Vermögen gemacht. Aber das tippt halt keiner. Außer Gladbacher.

Beim Trabrennen muss man als Newbie selbstverständlich auch den Namen des Pferdes mit einfließen lassen und fertig ist der erste „Schein“. Den hab ich dann wie beim Lotto mit Kreuzchen vollgepflastert. Anscheinend ein typischer Anfängerfehler, denn die Ruhrpottomi hinterm Wettschalter hat mir dann durch Sprache und Gestik klargemacht, das es ja so nicht geht. Da im Pott alle herzlich sind und hat sie alles von Hand eingetippt, wie ich es wollte, anstatt es den Computer wie beim Lottoschein einlesen zu lassen. Wir wurden aber eh wahrscheinlich schon vorher voll als Unwissende enttarnt – siehe Textabschnitt Altersstruktur.

Zurück zum Sport. Habe im ersten Rennen ausnahmsweise den Namensfavorit „Yes Alki“ außen vor gelassen und einen Fünfer auf „Emblem“ gesetzt, zweiter Favorit laut sportlicher Quote. Aber manchmal muss man auch Glück haben, der Gaul siegte im Fotofinish knapp…

…aber doch deutlich genug um mich – yes, nur noch 1,50 Euro im Minus! Für den Fünfer Einsatz gabs 18,50 raus, ich Gewinnertyp!

Zu den Rennen an sich nur kurz erläutert, das die wenigsten im klassischen Sinn geritten werden (enter your Altherrenwitz here) sondern im Wagen, dem sog. Sulky, gefahren werden. Leider ohne Ben Hur-Spikes oder ähnliche Gimmicks, die für zusätzliche Spannung sorgen könnten. Ein Rennen ist zwischen 1,8 und 2,6 Kilometer lang und dauert rund fünf bis sechs Minuten. Dazwischen ist immer knapp 15 Minuten Pause bis das nächste Rennen läuft. Also eine abendfüllende Veranstaltung.

Ansonsten zieht sich das Retro-Thema durch die ganze Veranstaltung, wenn man mal vom bemalten Pferd im Glaskasten am Rennbahnrand absieht. Zur sogenannten Siegerehrung wird der Triumphmarsch der Aida aus blechernen Lautsprechern abgespielt und man verpflegt sich an der heimeligen und passend benannten „Bratwurst Ecke“. Dort auch Preise wie vor der Währungsreform von 2002. So wird für eine Flasche Bier 1,50 Euro aufgerufen, für Wurst und Frikadelle legt man zwei Euro hin und Vegetarier dürfen zwischen Pommes und nichts wählen.

Ein wenig mehr Auswahl tut sich dann im Obergeschoss auf, das früher wohl mal so etwas wie eine VIP-Loge war. Ein Traum in Resopal mit tollen Deckenlampen und noch bessere Sicht auf die Gäule, dazu Stehtische oder gleich ganz bequem einen ganzen Tisch für die Familie bunkern. Dank kleiner TV-Geräte ist man immer dicht am Geschehen.

Ich war so aufgeregt, das mir das Versagen der von mir unterstützten Pferde, u.a. „Butcher’s Dream“, der hoffentlich zur Strafe jenem Butcher, dessen Traum er ist zugeführt wurde, fast zur Nebensache wurde.

Allgemein gesagt lebt so ein Renntag dann doch eher von der Spannung, denn durch herausragende Leistung der Protagonisten. Wobei ich mir auch nicht anmaßen würde die Vorzüge von Rennen X gegenüber Rennen Y darzulegen. Ein Pferd rennt bzw. trabt eben schneller als das andere und es geht für mich um ein wenig Geld. So wie im letzten Rennen. Dort hat dann alles gestimmt, der sportliche Favorit hat einen wunderbaren Scheißnamen, nämlich „Gaby Sigero“. Gab im Endeffekt nicht viel raus, aus fünf mach elf, aber zusammen mit Emblems Sieg am Anfang verbuchte ich doch ein kleines Plus.

Zufrieden wurde man dann nach dem letzten Rennen doch recht fix in die kühle, herbstliche Ruhrgebietsnacht entlassen, man muss ja schließlich durchwischen und den Laden für den nächsten Renntag vorbereiten.

Allgemein sieht es im Trabrennsport für die Zukunft aber eher düster aus, richtig Geld ist weder für Bahnbetreiber noch für Züchter/Fahrer drin, das ganze wird wohl eher in die Liebhaberschiene abgleiten denn sich als „Siegertypensport“ etablieren. Aber solang ich wiederkommen darf, ist das für mich in Ordnung.

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6 Comments

  1. says: kollege geiger

    RAM, der alte Marketing-Fuchs und Zielgruppenwallach hat erst neulich gesagt: „lass uns mal was über Pferde bringen. Dann kriegen wir endlich auch weibliche Leser“.

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