Oh Gott, Lemmy

kessel_jehova

Die kleine Welt von Schallplatten-Idioten: Wenn’s an der Tür klingelt, muss das die witzige Frau von DHL sein, die Mitbewohn-O-Matic oder mir „heiße Scheiben“ bringt, mich schnippisch für meine karierte Pyjamahose lobt und gottlob nix über meine Frodo-Füße sagt. Sonst klingelt bei uns ja niemand – oder höchstens Leute mit sehr dicken Fingern, die eigentlich woanders hin wollten. Und dann das: Neulich hat Gott geklingelt. Ich habe ihn einfach reingelassen, bin nicht mal an die Sprechanlage im Haus gegangen.

Gut, eigentlich war das nicht direkt Gott, sondern zwei freundliche und auch etwas verunsicherte aber durchaus gepflegte Damen, die mit mir über Gott reden wollten, anstatt mir die neue Doomriders-Platte in die Hände zu legen. Ich hab’s vor dem dritten Kaffee allerdings nicht so mit Gott. Danach auch nicht wirklich gerne, aber das Leben ist halt kein Ponyschlecken.

Unser Gespräch lief so locker, wie das eben nur geht, wenn man in Treppenhaus zwei Damen in Mänteln gegenüber steht und dabei nix außer Pyjamahosen und einem „end of green“-Kapuzenpulli trägt. Ich hätte beinahe gesagt : „Ich trage unser Bandmerchandise echt nur zu Hause. Jenseits der Haustür sollte niemand die Oberbekleidung seiner eigenen Band tragen.“ Ich befürchte allerdings, dass Gott end of green gar nicht kennt.

Dass die Zeugen Jehovas überhaupt noch Direktmarketing für den Heiland betreiben, wusste ich nicht. Ich glaube auch, mich daran zu erinnern, dass ich mal gehört habe, deren Ansicht nach würde die Frau die Zahl „1“ symbolisieren, der Mann die „2“. Deswegen müssten Frauen hinter ihren Männern stehen, weil „21“ geiler als „12“ sei. Das sind Argumente, denen man wirklich nix mehr entgegenzusetzen vermag. Vielleicht habe ich das aber auch falsch in Erinnerung.

„Sie sehen aus, als ob sie sich für das Internet interessieren würden“, sagte eine der Damen zu mir und drückte mir einen Flyer in die Hand, den RAM später hoffentlich noch ins Flyerghetto oben reinbumst. „Da steht auch eine Homepageadresse drauf, können sie ja mal in Ruhe nachlesen, wenn sie jetzt gerade nicht über Gott reden wollen.“  Ich hätte fast „lol“ gesagt, musste aber darüber nachdenken, ob tatsächlich schon mal jemand gesagt hat: „Also, ich interessiere mich sehr für das Internet.“

Nur einen Tag später flatterte plötzlich das erste Zeichen der Apokalypse ins Haus: Motörhead sagen ihre Europatournee ab (29.11., Schleyerhalle). Für Rocker ist das in etwa so, als würde es plötzlich Kröten oder Pet Shop Boys-Platten vom Himmel regnen. Wir blicken nur, dass bald Weihnachten ist, weil kurz davor grundsätzlich Motörhead in der Stadt sind. Das ist eine Art Naturgesetz. Heuer fällt beides aus. Basta. Lemmy müsse sich scheinbar regenerieren. Wenigstens schrieb er sinngemäß, man solle keine Angst haben, er würde als Veganer oder Bionade-Trinker wiederkommen – die Dates sollen im Februar nachgeholt werden.

Aber eines ist sicher: Wenn Motörhead eine Tournee absagen, wird Gott nervös. Dann ausgerechnet bei mir zur klingeln, halte ich dennoch für etwas überhastet. Dramaqueen, der Typ.

Ab Morgen gehe ich trotzdem wieder an die Sprechanlage.

______

UPDATE: Das Konzert in der Schleyerhalle wird am 5.3. nachgeholt. Dies wird wahrscheinlich dazu führen, dass ich Mitte April irgendwelchen Leuten „Fröhliche Weihnachten“ entgegenbrüllen werde.

Join the Conversation

5 Comments

  1. says: VanDamme

    Steh dazu: Iron Maiden tragen grundsätzlich ihr eigenes Merch auf der Bühne und ich find das ziemlich clever, weil echt jeder (zumindest der jüngere) Fan meint, er würde in dem Shirt besser aussehen, als Steve Harris & Co. … und abschließend sein 30 Euro-Shirt am Stand abgreift.

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert