Hobby-Heimwerker in Stuttgart: Technical Rider von Erick Morillo

(„Mein“ erstes Sub Culture: Mai 2001)

Als Kollege Setzer am Samstag auf die Seite The Smoking Gun verwies, welche die „deppersten Bühnenanweisungen von Stars und Sternchen“ verewigt, musste ich prompt an einen meiner größten Schätze denken, den ich nun seit sage und schreibe neun Jahren wie meine beiden stark kurzsichtigen Augäpfel hüte: einen längst ranzigen, ausgedruckten Zettel, ein Text-File mit dem Titel „Erick Morillo Technical Rider“.

Dieser Wisch erinnert mich an meine ersten Tage bei Sub Culture. Pünktlich zum 1. April 2001 habe ich meinen Job als Redaktions-Fuzzi beim A6 Magazin angetreten. Gleichzeitig sind wir ins Medienhaus eingezogen.

Fortan teilte ich mir ein Büro mit Yugo und Dauertelefonierer Vlado. Direktor Brunski, auch mein damaliger Boss, und sein Partner und erster Offizier Ussi residierten nebenan im ehemaligen Büro vom Bär. War schön da, ich hab das Medienhaus in Heslach sehr gemocht. Vielleicht auch weil der Krupa und der Willy in unmittelbarer Nähe waren.

Neben dem ebenfalls hochgeschätzten Graphiker Elmar, bei SC für Satz und Layout zuständig, habe ich damals übrigens auch Heidi Klum kennengelernt. Das Model war absoluter Bildschirmschoner-Konsens all over im Büro. Mit nassen Haaren und im Bikini. Mir war das zierliche Wesen mit der samtweichen Stimme aus Gladbach bis dato völlig unbekannt. „Und geile Hupen, oder?“, meinte Vlado am ersten oder zweiten Tag. „Haaa jaaaa…“

Der Direktor und der Ussi haben wiederum auch Partys gemacht, Housesession hießen die bzw. heißen sie heute noch. Manche hießen auch Stay Tuned, da wiederum hat der Yugo mitgemacht. Immer Riesendinger. Mit (damals) mega-bekannten DJs. Und egal in welcher Location vom Zapata bis Red Room immer mega viele Leute. Irgendwie war sowieso alles mega zu dieser Zeit. Mir manchmal etwas zu mega. Genau genommen war „large“ das Wort der Stunde. Alles war large.

Kurz nachdem ich meinen Job angefangen habe, hieß es: Gaaanz dickes Ding, OMG, wir machen Erick Morillo im P-Club (Ex-Oz, heute Aer)! Am 30. April. Der ist – large. Gut, das wusste ich natürlich auch.

Ich weiß wiederum nicht genau, was der Herr heute so macht. Sein Myspace-Kalender quillt jedenfalls nach wie vor über, gealtert ist er scheinbar ebenfalls kaum. 2001 erreichte Morillo seinen ersten Zenith würde ich behaupten.

Sein Label Subliminal hatte einen absoluten Hype und Morillo war in der obersten Sphäre der DJ-Großverdiener angekommen, der die typische Schlaufe dieser kleinen, elitären Kaste drehte: England, Ibiza, Asien, kurzer Zwischenstopp in den Staaten um den Schlafi zu wechseln. Und immer schön im DJ-Mag drin, am Pool, mit Bikini-Weibern, die noch etwas gazelliger waren als Heidi.

Das war, das ist, oberster DJ-Setset, was wiederum bedeutete, dass seine Gigs auf deutschem Boden zunehmend seltener wurden, weil im Ausland für die Superstar-Riege traditionell noch höhere Gagen gezahlt werden, woran sich die Künstler wiederum logischerweise schnell gewöhnen.

Der Bubbi hat Morillo in den 90ern ein paar Mal ins M1 gebucht, seitdem war er nicht mehr in Stuttgart.

Demnach freuten sich die Jungs im Büro wie Bolle, als das Date – ich meine eher kurzfristig – zu Stande kam. Was kostet die Welt, wir machen den, meinten sie. Nicht nur weil er large ist, Morillo hatte zugegebenermaßen schon bissle was auf dem Kasten. Auf sein Konto geht unter anderem der Instant-Gassenhauer & House-Classic „I Like To Move It“ und „Reach“ (gemeinsam mit Louie Vega/MAW)  natürlich nicht zu vergessen.

Man erfüllte sich letztendlich einen Traum mit diesem Booking. Ich freute mich einfach mal mit und wir klatschten den guten Herrn also auf das Cover (siehe oben) und kamen mit der Mai-Ausgabe extrem früh raus, Date war wie gesagt der 30. April, damit man diesen vermeintlichen Promo-Effekt noch ein paar Tage nutzen konnte.

Einige Tage vor dem Gig kam dann per Mail der sogenannte Technical Rider rein, da steht drauf was ein DJ alles so an Zeug benötigt. Auch das war mir damals völlig neu (Was braucht ein DJ noch außer zwei Plattenspielern und einem Mixer?). Brav ich den ausgedruckt und auch später aufbewahrt.

Wie die Amis schon immer so waren, wollte Morillo halt auch einen Mixer mit Drehpoti-Reglern, und, klar, von Rane natürlich. War damals sau schwer zu bekommen, auch diese Effekteinheiten. Das war aber nicht alles. Besonders stutzig machte uns dieser Abschnitt:

Sollte also die DJ-Kanzel nicht ordentlich zugezimmert sein, so damit das gemeine Fußvolk den Herrn Morillo nicht bei seiner Performance stören, geschweige denn auf Gottes Hände schauen kann, möge doch der Club bzw. der Veranstalter bitte folgendes für einen kleinen Heimwerker-Bunker bereit stellen:

40 Betonklötze, 3 Pressspanplatten, eine Packung Schrauben und eine Schlagbohrmaschine mit dem entsprechenden Aufsatz, aber bitte strombetrieben und ohne Akku, damit man im Ernstfall der Herr Morillo ohne von jämmerlichen Ladezeiten aufgehalten seinen kleinen Schützengraben basteln kann.

Wir standen vor einem riesigen Rätsel und wissen bis heute nicht, ob das eine Verarsche bzw. Test war. (Ab und zu sind in solchen Ridern sozusagen „Testsätze“ eingebaut, nur um zu sehen, ob sich der Veranstalter auch ja den kompletten Scheiß richtig durchliest. Habe ich erst letztes Jahr bei einem Artikel fürs Jazz Open gelernt.)

Ich meine, man stelle sich nur mal vor, ein Veranstalter karrt tatsächlich 40 Betonklötze ran – du lachst dich doch krumm, wenn du Erick Morillo bist oder nicht?

Gut, bissle ne Diva war er dann schon. Er hatte so einen Roadie asiatischer Abstammung dabei, der mit seiner Kutte aussah als wäre er direkt aus einem 70er-Jahre-Kung-Fu Film rausgehüpft und es hat eigentlich nur noch gefehlt, dass dieser dem Erick beim Pickeln den Lümmel gehalten hat. Der Typ hatte sogar eine Papprolle dabei, wo man das Eventplakat knickfrei verstauen konnte!

Jedenfalls hat Morillo dann ziemlich gut aufgelegt und unter anderem einen meiner All-Time–House-Favorites gespielt, nämlich X-Press 2 „Muzik“:

Ist von 1993/1994, lief in den ersten M-Einsens rauf und runter. Wir standen im P-Club da beim DJ-Pult rum, also natürlich nicht hinter ihrer Majestät, sondern auf dem Balkon daneben. Und da haben wir dann halt ein bisschen rumgeschrieen als Morillo den Track reingemixt hat. Wurden prompt ermahnt doch etwas ruhiger zu sein.

Vielleicht war das mit der Heimwerker-Liste doch ernst gemeint.

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19 Comments

  1. says: Ken

    ist doch harmlos… einem freund von mir ist versehentlich der vertrag von carl cox für die sensation white zugefaxt worden. als ich das ding durchgelesen habe, hätte ich beinahe einen blutsturz bekommen. da ist der morillo ja noch echt kindergarten dagegen…

  2. says: martin

    gut, der wisch ist wie gesagt von 2001, ich schätze mal der erick hat heute noch etwas andere allüren, seinen marktwert hat er ja wohl gehalten bzw. weiter erhöht.

    aber ganz ehrlich ken: wenn sich ein dj überlegt, wenn es hart auf hart kommt, sich mal schnell eine art „schutzbunker“ vor seinen gästen zu bauen, dann lang ich mir noch heute an kopf.

  3. says: Ken

    also ich würde das eher als einen witz verstehen und bis auf die technik nicht unbedingt alles ernst meinen, was auf diesem zettel steht.

  4. says: martin

    die jungs haben auch damals auch keine 40 betonsteine in den p-club gekarrt 🙂 und dass man es nicht ernst nehmen sollte und evt. ein test war, hab ich auch geschrieben. kurios wars alle mal und darum gings eben nochmals.

  5. says: jaytext

    schön, dass man als normaler clubber erfährt, was damals so hinter den kulissen abging. auf der tanzfläche bekam man davon nichts mit – man war ja eh zu sehr beschäftigt 😉 erick m. hat mir manche qualmende sohle beschert, ich mochte seinen filterhouse-sound sehr und habe noch ganz viele subliminal-platten im keller (viele davon in bestzustand, falls einer was sucht …)

  6. says: LKTROSNDY

    Die Idee mit dem Schutzbunker ist doch eigenltich garnicht so schlecht. Guckt euch doch den Richie Hawtin an. Der hat das in seinem Rider nicht drin. UNd jedesmal wenn er auflegt hat er ne Traube an Freunden und Vips um sich drum herum. Deswegen isser dann ja auch auf Laptop umgestiegen, weil er kein Platz für ne Plattenkiste mehr hatte.

  7. says: Moritz

    Wundert mich dass nicht drinne steht dass das pult maximal 1 Meter hoch sein darf da Mr More Morillo doch nur etwa 1,20 groß ist…..
    War übrigens zuletzt Ende 2005(glaub ich) im damals noch M1. Es war leer ohne Ende auch wenn der Zwerg nett gespielt hat.
    Hatte damals mal wieder nen neuen PA der ihm immer seinen Drink geben durfte. Allerdings musste er permanet unterm DJ Pult bleiben so dass man nur „big Eric“ sehen konnte….

  8. says: Alexander aka Heslach Buddha

    mir fallen hierzu noch die stichworte „preiselbeersaft“, „autohaus“ & „MAW“ ein 😀

  9. says: Heslach Buddha

    @martin: stimmt ;). den wodka-preiselbeer hat der gute kenny dope auch bei seinem auftritt in der buddha lounge bekommen, aber nicht getrunken. mir hat’s aber geschmeckt ;).

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