Stressfraktur

Vorgezogener Jahresrückblick: 2011 war nicht mein Laufjahr. Zwar ging der Halbmarathon Ende Mai überraschend gut aus, aber alles in allem bin ich eher schlecht in den Tritt gekommen. Kein Plan genau woran das lag, mitunter wahrscheinlich an den im Vergleich zu den letzten Jahren verhältnismässig vielen Donnerstag-Gigs. Haben mein Rhythmus schon bisschen durcheinander gebracht.

Dabei standen die Zeichen gut, mein Körper ist nach wie vor eine Maschine. Mach´ alle zwei Jahre eine Vollkontrolle – Urinprobe, großes Blutbild – und kann das wirklich immer wieder nur jedem empfehlen, gerade wenn ihr langsam in mein Alter kommt, längst in meinem Alter seid oder sogar schon in den Altersphären vom Geiger rangiert. Macht es einfach. Sag immer zu meinem Doc: „Schon wieder zwei Jahre rum, wieder viel gelaufen, viel gesoffen, will wissen ob noch alles tut.“

Es tut immer alles ganz vorzüglich. Alle Werte immer im tiefgrünen Bereich, schöner Ruhepuls unter 50. Bester Spruch von meinem Hausarzt dieses Jahr: „Ihrer Leber sieht man wirklich überhaupt nicht an, dass sie viel Alkohol trinken.“

Geballte Siegesfaust in der Hosentasche. Ein Freifahrschein für zwei weitere Jahre unbändigen Konsum. Kurioserweise meinte Thorstens Hausarzt mal zu ihm, er solle sich doch bitte weniger Alkohol einflössen. Zur Wiederholung: Thorsten trinkt keinen einzigen Tropfen. Vielleicht wurden die Proben vertauscht oder der Medizin-Check ist einfach doch nur für den Arsch.

Dieses Jahr bin ich noch einen Schritt weitergegangen: war beim Kardiologen. Wollte es genau wissen, ob die Pumpe richtig funktioniert. Hatte so ein Druck bzw. Stechen in der Brust. Bin wirklich kein Hypochonder, aber da hab ich mir manchmal bisschen den Läuferalptraum Herzmuskelentzündung eingeredet, weil ich auch im Winter recht lange erkältet war und trotzdem gelaufen bin, geht nicht anders. Völliger Blödsinn eigentlich sich eine Herzmuskelentzündung einzureden, weil das fühlt sich nochmals ganz anders an, meinte mein Hausarzt.

Vor dem Kardiologen damals den Afro-Dieter davor getroffen. Hat mich betroffen angeschaut, so als würde ich bald sterben, mir danach noch gesmst: „Ich erzähl das natürlich keinem!“ War sehr nice diskret, aber hab ihm versichert, alles gut Junge, bis zum Wochenende, da geht es weiter, einer Kurzer reicht da nicht.

Beim Kardiologen sieht man halt auf dem Ultraschall sein Herz, wie die Herzklappen klappen und das Blut durchschleusen. Der Arzt wiederum meinte, das Herz wäre etwas absolut faszinierendes, was man auch nie 100 Prozent mit einem Herzschrittmacher klonen könnte, so genial sei dieses Herz. Ich gratulierte dem Herz zu seiner Genialität, hockte mich anschließend auf einen Hometrainer, drückte ein paar Minuten bei 275 Watt in die Pedale und bekam zwei Wochen später Bescheid, dass mein Herz absolut keinen Rettungsschirm benötigt. Das war im April. Glaub. Oder Anfang Mai?

Kerngesund eigentlich, aber seid Mitte, Ende August bahnte sich das eigentliche Drama an. Mein großer Zeh tat von jetzt auf nachher immer mehr weh, beim Laufen zog sich der Schmerz über das ganze Zehenskelett und die Wade hoch. Danach immer rumgehumpelt, sah bisschen markierermässig aus. Kennste noch aus dem Schulsport? Steh auf du Markierer! Und dann wieder gelaufen, logisch, muss. Wurde davon auch nicht besser. Erst als ich einen Termin beim Orthopäden letzte Woche hatte, waren die Schmerzen fast weg. Der Arzt meinte lächelnd, das wäre oft so. So bald man einen Date mit dem Doc hat, hören die Schmerzen auf. Verrückter Zusammenhang.

War auf Empfehlung vom Majde schick über der Suite, denn mein alter Orthopäde war etwas seltsam („Na, schon auf Ibiza dieses Jahr gewesen und ein paar Bräute flachgelegt?“ Wirklich jetzt) und dem wollte ich mein Fahrgestell (sagen Orthopäden übrigens echt) nicht anvertrauen.

Auch wenn das gerade so klingt: Ich gehe nicht oft zum Arzt, und ich muss sagen im Praxis-Bereich hat sich einiges getan in den letzten Jahren. Früher oftmals eine Mischung aus Feldlazarett und Folterkammer hat sich mancherorts die moderne Arztpraxis in eine Lounge verwandelt, in der auch nachts durchaus Kaltgetränke über den Tresen gehen könnten – zumindest in einigen Wartezimmern.

Bei meinem ehemaligem Hautarzt zum Beispiel steckten tighte Flatscreens in der Wand und standen total schnieke Lederquaderhocker ohne Lehne herum, auf denen sich gerade die wartenden älteren Herrschaften richtig gemütlich fühlten. Und ganz offensichtlich war das Einstellungskriterium für die Arzthelferinnen blutjung und schwer attraktiv. Hab den Hautarzt gewechselt, der konnte nix und war mir eindeutig zu versnobt.

Bei meinem neuen Orthopäden wiederum kam sogar Waranga-Vogelzwitschern aus den Wartezimmer-Speakern. Und halt nur, ähm, cooles Zeug zum Lesen. Als echter Boheme und Architekturkenner („Ui, das Haus ist aber schön.“) hab ich natürlich zum Architekturmag gegriffen.

Bei meinem Zahnarzt übrigens, den ich jetzt dann seid bald 35 Jahren besuche, gammelt noch das Spielzeug herum, mit dem ich mir schon als kleiner Bub die Zeit vertrieben habe (diverse Gummi-Dinosaurier und ein ziemlich uncooles Hartplastik-Raumschiff). Und nix zum Lesen ausser GEO und Motorradmagazine. Mein Zahnarzt fährt Moped.

Zum Spielen gab es beim Orthopäden nix, dafür war er ziemlich cool, die Diagnose eher blöd und hat mich ziemlich geknickt. Stressfraktur, so der Fachausdruck. Ermüdungsbruch im Zeigezeh, also der Stinker neben dem Großen. Kann nach 12 Jahren Laufsport mal passieren. Nee, eigentlich nicht. Aber darf mich wirklich nicht beklagen, ging alles gut bislang, egal mit welchen Schuhen, egal auf welchem Boden. Trotzdem sehr hartes Urteil: Zwei Monate Laufverbot. Vollschock. „Fahren sie Rad, das ist so ein schöner Sport“, empfahl der Arzt mir noch, lächelte wieder und schickte mich in die VfB-Reha-Welt. Bekomme dort Spezialeinlagen, die ersetzen sozusagen den Gips.

In  der VfB-Reha-Welt ist nichts besonders passiert, ausser das ich mit meinen Fußen auf einem Scanner stand und kurz Delpierre einkam, der macht ja auch Reha. Die Innenverteidigung steht ohne ihn ganz gut.

Kam von der Tür hinten links rein und sagte hallo, also nicht zu mir, sondern zu den Reha-Mitarbeitern. Der Einlagen-Macher war ebenfalls sehr nett. Am Telefon meinte er, ich soll die Schuhe mitbringen, die ich am meisten anziehe. Hm, ich trag sehr viele unterschiedliche Sneakers, meinte ich, aber hab dann mal einen 89er Air Max und einen 90er als Modell mitgenommen.

Beim Rauslaufen bin ich fast gegen diese Säule gerannt und hätte mir noch einen Kreuzbandriss geholt. Musste bisschen schmunzeln bei diesem Layout. Ansonsten ist die EnBW der beste und schönste Energielieferant der Welt! (Achtung Advertorial, ein Jahr umsonst Strom Büro plus Wohnung).

Die Spannung steigt auch bei mir in dieser Woche, denn ich erwarte ein großes Paket. Hab prompt das Alternativsportprogramm in die Wege geleitet und ein Rennrad geordert. Letzten Samstag meinen alten Rennfahrer-Kumpel Hilm angerufen und feierlich verkündet: „Lieber Hilm, ich will dich hiermit in Kenntnis setzen, dass ich demnächst ins Rennradgeschäft einsteige.“ Hat er sich gefreut. Denke ich mal.

Eventuell gibt es doch noch die Kessel-Radtour dieses Jahr. Aber nur bei Schnee. Fortsetzung folgt.

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28 Comments

  1. says: Elly

    Haben uns im Freundeskreis vor kurzem mal über Arztbesuche unterhalten und festgestellt dass irgendwie alle Orthopäden Vollpfosten sind. Keiner von uns war schon mal bei einem Guten. Ist ja schön zu hören, dass da irgendwo in Stuttgart ein gescheiter ist. Sitzt wahrscheinlich bald die halbe Kessel.tv Leserschaft im Wartezimmer 🙂

  2. says: giano

    äh, der alte orthopäde (ibiza usw.) – war das der Dr. Kunz aus der Tübingerstraße?
    Der bringt nur so Sprüche. „…. zum bumsen kannst die Schiene schon abmachen“

  3. says: martin

    yep, genau der. hab ihm damals prompt die erste seite im SC gewidmet. war schon sehr unterhaltsam und wäre sicherlich nochmals einen gang wert gewesesen. fachlich scheint er wohl doch ganz okay zu sein, sagen zumindest einige, die mit ihm zusammenarbeiten, aber hatte irgendwie dieses mal kein nerv für seine sprüche

  4. says: giano

    @ martin, sc?
    ich fand den ja echt lustig.
    wie krass die praxis von dem auch aussieht, die alten spritzen in nem glas gesammelt, auf dem schreibtisch über den yacht magazinen. aber irgendwie sympathisch. dafür aber auch immer fast schon bissl party atmosphäre in der praxis, zumindest die male, als ich da war. alle angestellten aufgekratzt gut drauf gewesen.

  5. says: martin

    sub culture.

    ja klar, der war auf jeden fall lustig, war nur etwas irritiert zunächst, der ging von 0 auf 100 mit seinen sprüchen. seine praxis hab ich kaum mehr im kopf, alles länger her, an die yacht bilder kann ich mich noch erinnern und dass es doch eher hektisch war.

  6. says: sascha

    alter,

    der bernd kunz is ne koryphäe… der typ is so krass. „…hmm jetzt tuts gerade bissl arg weh…“ kunz: „ach halt doch mal die fresse… oder willste gleich heulen…“
    er is wohl wirklich ganz gut und kann dir akut immer helfen. danach wird man bei ihm definitiv an die richtigen fachärtzte überwiesen hatte ich das gefühl. und er spart auch nicht mit rezzepten für massagen und physio. thumbs up for bernd kunz… die koryphäe!

  7. says: Anja

    Also zu Frauen war der Dr. Kunz nicht so wild…zumindest zu mir nicht. Nur anstellen darf man sich nicht bei dem, dann wird er sauer. Massage gab es aber jedes mal. Problem nur, dass Massage bei kaputtem Rücken echt kein Spaß macht, also hab ich es auch gelassen und therapier mich jetzt selbst 🙂

  8. says: Herr Cut

    Boah, der Dr. Kunz. Bei dem war isch auch schon. Guter Arzt, mega große Klappe. Das man den nicht mit „check five“ begrüßt ist alles.

  9. says: PowerBar

    Ken™
    Mittwoch, 12. Oktober 2011 um 18:25
    @ martin:

    wäre ein komplett anderer text geworden, wenn du bei der aok versichert wärst!

    Da muss ich Ken zustimmen! Meist vergeht einem das Lachen schon bei der Terminfindung…

    @Martin
    Beine schon rasiert? 😉

  10. says: martin

    nee natürlich nicht, aber ich wollte mir früher oder später eh eines kaufen, so als ausgleich zum laufen, und nen anderes rad hab ich ja schon, zwar schwer und hässlich geht zur not aber auch.

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