Stockender Verkehr mit Stillstand

Bild dpa

Als leidenschaftlicher Tatort-Gucker hat man ein Anschlusszug-Problem, außer man nimmt den nach Anne Will. Problem ist in meinem Fall vielleicht etwas übertrieben, weil länger als circa halbelf halte ich sonntags eh seltenst durch. Penn ich unter der Woche  meistens wie ein Stein, schlaf ich am Wochenende alles in allem circa sieben bis acht Stunden. Liegt mitunter am Alkohol oder an schreienden Kindern beim sonntäglichen Zadu-Brunch.

Gestern Abend war ich seltsamerweise etwas fitter. Dumm nur, dass der über Jahre bewährte Anschlußkombinationszug, in den man nach dem Tatort einsteigen kann, ohne auch nur ein Promillewatt Hirnleistung zu verbrauchen, „Promi Dinner“ und „Prominent“ mit meiner guten Freundin Constanze „dir würde ich gerne einfach mal so eine reinhauen“ Rick längst ziemlich langweilt.

Bei Prominent war bestimmt kein Einspieler über Lothar vorgesehen, gab ja kein Drama in den letzten sieben Tagen, sondern nur einen Sieg. Schlechtes Material für Constanze. Ich hingegen hab mich übrigens fürn ihn sehr gefreut. Vielleicht ist es Mitleid.

Beim „Promi Dinner“ hat mich gestern letztendlich nur das Anwesen von Thomas „Nora“ Anders interessiert, aber leider verpasst, da ich schon beim Deutschen Fernsehpreis hängengeblieben bin.

Der Raab hielt gerade eine (seine erste) Dankesrede. Hat wahrscheinlich einen Preis für die Grand Prix Großtat bekommen, dachte ich mir, wenn schon Lenchen mit auf der Bühne steht, die in ihrem neuen Kleid – böse, böse Menschen behaupten ja, sie habe nur eines – bissle wie eine Bloggerin aussah. Oder das ist halt gerade die Mode, wer weiß das schon so richtig. Sie wollte übrigens nix sagen, „nö“. Konnte das aufgrund besagter Minimalleistung meines Hirnes nicht richtig zwischen sympathisch oder arrogant einsortieren.

Deutscher Fernsehpreis also. Spötter mögen behaupten, ein Widerspruch, im deutschen Fernsehen gibt es nichts was eines Preises würdig wäre. Seh ich fast ähnlich. Bis aufn Tatort (gab sogar einen für den letzten mit Dellwo & Sänger) und SOKO Stuttgart natürlich. Und „Im Angesicht des Verbrechens“ war auch sehr gut.

Dieser „Epos“ über die Berliner Russenmafia hat prompt und völlig zurecht die Trophy eingeheimst. Da standen dann recht viele Menschen auf der Bühne, weil die Ausrichter (ARD, ZDF, Rüttel und Sattel) dieses Jahr das Preisvergabesystem geändert haben. Regisseure, Autoren, Kamera, Schnitt, Deko und so werden nicht mehr extra gewürdigt. War pissy Stimmung im Vorfeld des Awards, kann man nachlesen, und manche hatten bei der Verleihung so einen Button am Sakko und Kleidchen, „Oben bleiben!“, Scherzchen, „Ich bin preiswert“ stand drauf.

Mir gerade bumms, hab das bislang nie verfolgt und werde es wohl auch nie wieder anschauen, weil so Verleihungen bissle wie stockender Verkehr mit Stillstand sind. Gestern war es besonders schlimm, schreiben heute zumindest Spiegel und Süddeutsche. Hab keinen direkten Vergleich wie gesagt, aber es war schon sehr hölzern.

Lag auch an den, sagen wir, gehemmten Moderatoren. Den Job übernahmen der schon hier gelobte Kurt Krömer, den ich gestern zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe und mittelwitzig fand, und Maybritt Illner. Oder Sandra Maischberger. Hab gestern Abend festgestellt, dass ich Illner und Maischberger nicht voneinander unterscheiden kann.

Es war dann die Sandra, die sich während der Show mitunter in die zwei Mädchen verliebt hat, die den mit 7500 Euro dotierten Förderpreis gewonnen haben, und die Gören einfach nicht mehr von der Bühne lassen wollte. War sehr krampfy, weiß nicht wer mehr gelitten hat, mein altes TV-Gerät oder meine unterzuckerten Waden. Gott sei Dank steht unter meinem Bett immer eine Vodka-Flasche bereit.

„Was macht ihr mit 7500?“ „Hm vielleicht was spenden? Ich wollte schon immer mal was spenden, spenden ist voll cool!“, gackerte die Große mit ihrem Indianertäschchen, die ebenfalls eine Bloggerin hätte sein können. Es ist wohl doch die Mode.

Etwas lockerer, und ich bin gewiss kein Fan, war da schon Cindy aus Marzahn. Die olle Qualle verlieh den Preis in der Kategorie „Dokutainment“ und erklärte dem Publikum wirklich wunderbar dieses zweifelhafte Genre. Darunter versteht man, auch das habe ich gestern gelernt, Kessels-Lieblingssendungen wie „Die Auswanderer“, „Die Supernanny“, „Unser neues Zuhause“, „Ab ins Beet“ oder natürlich „Raus aus den Schulden“.

Gewonnen hat leider nicht der letzte deutsche Volksheld Peter Zwegat, sondern Herr Rach für sein, sagen wir, bisheriges „Gesamtkunstwerk“. Sah wie immer sehr müde aus, der wie immer sehr wild gestikulierende Koch. Kein Wunder bei 20 Azubis, die größtenteils am Rande der Begriffsstutzigkeit agieren.

Ansonsten? Klitschko übergab den Preis für die beste Sportsendung. Da nominierte die Jury besonders kreativ: WM-Berichterstattung ARD, WM ZDF, WM Sky, WM RTL. Wow. Sicherlich ist die WM das wichtigste sportliche Ereignis und um einiges interessanter als die Baseball EM in Stuttgart, aber zum einen ist WM ZDF mit dem Oliver Kahn und der Kathrin Müller-Hohenstein absolut unnominierbar und zum anderen fand in diesem Jahr zum Beispiel eine nicht ganz unspannende Winterolympiade statt.

Aight, der Kolben ging an Jauch und Kloppo, Begründung der Jury, besonders nah an den Leuten dran. Jauch pflegte aber lieber seinen neuen Weinberg und Kloppo seine Borussen. Der RTL Sportchef, den keiner kannte und den Preis stellvertretend übernahm, war trotzdem witziger als Kurt Krömer: „Ich freue mich sehr, auch wenn man mir es nicht ansieht.“

Stefan Raab war ebenfalls witziger als Kurz Krömer, bekam on top noch einen Sonderpreis für herausragendes Entertainment, und versprach demnächst den erfolgreichsten Flopp aller Zeiten zu produzieren, weil ansonsten, so sagt man, macht so viel Erfolg auf Dauer doch unsympathisch. Weiser Mann und in dem Bereich das einzige Fähnlein im seichten deutschen Fernsehwind.

Beim Stichwort Wind fällt mir ein, „Sturm der Liebe“ mit einem Stuttgarter Hauptdarsteller hat den Publikumspreis abgeräumt, beste Schmonzette oder so.

Alles in allem war es der Deutsche Fernsehpreis so geil, dass ich meinen Einschlafzeitpunkt von 22:30 Uhr auf 23:30 Uhr hinauszögern konnte. Bin nach der besten Schauspielerin, die ich nicht kannte, weggeratzt. Die DFB-Elf hat einen Ehrenpreis erhalten, habe ich heute morgen erfahren. War aber keiner da, ausser Bierhoff. Verstanden hat das alles keiner. Aber die Friseur sass. Bestimmt.

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12 Comments

  1. says: Thorsten W.

    Respekt! Ich hab’s nicht länger als 10 min. am Stück ausgehalten, immer mal wieder versucht, aber ging nicht. Dann noch mit Kill Bill hin- und hergezapped, den ich wahrscheinlich bis an mein Lebensende nicht weiter als bis zur zweiten Kampfszene sehen werde. Mehr ist mir wohl nicht vergönnt.

  2. says: Ken

    Auch von mir dickes Lob. Ich hab es nicht länger als ne Minute gepackt!
    Im ZDF kam übrigens GSI – Spezialeinheit Göteborg. Sehr, sehr gut!

  3. says: Philgrooves

    Ja klar, wer denkt im deutschen Fernsehen gäbe es keine ausgezeichneten und auszeichnungswürdigen Sendungen, der hält auch den Deutschen Fernsehpreis für eine Unterhaltungsshow.

  4. says: Patrice Grad

    Leider, leider ging die Verfilmung des Lebens der Romy S. beim deutschen Fernsehpreis leer aus. Die Gute hätte es verdient gehabt, leistet sie doch Wochenende für Wochenende großartiges.

  5. says: Jana

    @Ken
    @Jones
    bin ja so eurer Meinung. Die Skandinavier im ZDF sind der Hammer. Mir graut schon wieder vor den Sonntagen mit Inspektor Barnerby…

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