Ratzer zieht um

Unida

„Jetzt kaufst Du auch schon seit über 20 Jahren bei mir Platten ein“, sagte Karlheinz Ratzer mal und er hatte Recht. Das Schlimme daran: das ist schon ein paar Jahre her. Im Oktober zieht er nun mit dem besten Plattenladen der Welt in die Altstadt: Hauptstätter Straße 31. Das frühere Caritas Café. Bewohner von Jurassic Park  und ein paar The Cure-Fans kennen das eventuell noch als „Weißer Rabe“.

Ab Oktober ist da dann Ratzer Records. Etatsmäßig bestückt mit Platten, CDs, Nippes und einem Tagescafé mit kleinen Snacks. Auch auf der Karte: geballtes Fachwissen zu den Themenbereichen „VfB“, „Fußball allgemein“, „früher war irgendwie doch alles geiler“ und „Wie retten wir eigentlich die Welt, wenn Bruce Willis gerade keine Zeit hat?“. Das läuft immer so locker zwischen Plattensichten, bezahlen und „ich hab‘ eh noch vier Stunden Zeit“.

„Voll gut, Karlheinz“, hab ich gesagt. „Bierchen zischen, Schorle trinken und dann schauen wir VfB bei Dir im Laden.“ Die Nummer ging voll nach hinten los: „Spinnsch?! Bei mir gibt’s koin Alkohol im Laden. Des wär‘ tödlich. Au wege de Nachbarschaft. In der Ecke  kriegsch a ganz komische Kundschaft wenn d‘ Mittags scho Bier verkaufsch. Vergiss es.“ Argumente, die überzeugen. Ich trau‘ mich da auch nicht zu widersprechen, zu betteln oder gar wutzubürgern.

Jeder kennt schließlich die freundliche ältere Dame, die einem als Kind im Lädle immer das Gefühl gegeben hat, man wäre irgendwie cool und halt kein doofes Kind mit alberner Zahnspange. Mein Lädle war Ratzer Records, beziehungsweise ganz früher „Govi“ am Kleinen Schloßplatz, als der echt noch klein und keine Paul’s Boutique in Sicht war. Und, äh, meine ältere Dame war, Mist wie komm‘ ich aus der Nummer wieder raus? Egal. Meine ältere Dame war Karlheinz Ratzer.

Am Wochenende hab ich als Bub‘ das Taschengeld in ein Zugticket, eine Brezel, einen Zitsche und leider nur maximal eine Platte bei Ratzer investiert. „Win-Win-Situation“, heißt das an der Sushi-Theke. Hat damals aber außerhalb von Japan aber keine Sau gegessen. Kurz: Karlheinz und seine Frau Brigitte sind Familie, ob sie wollen oder nicht. Die können echt froh sein, wenn ich am ersten Weihnachtsfeiertag nicht auf der Matte stehe und winke wie Forrest Gump. „Huhu, Geschenke?“.

Ich kauf‘ mir jetzt eine E-zigarette, damit Karlheinz irgendwann sagen kann: „Jetzt kaufst du Seggl auch schon seit 60 Jahren bei mir Platten ein. Willst du nicht mal eine von Dylan mitnehmen?“ Und dann lacht er und sagt: „Michl, das war echt nervig als Du mit zwölf Jahren am kleinen Schlossplatz bei mir rumgehangen bist und jeden gefragt hast, ob Du Dir lieber was von Slayer oder die neue Venom kaufen sollst.“ Vielleicht war ich damals auch schon Vierzehn, keine Ahnung. Eine alberne Zahnspange hatte ich aber auf jeden Fall.

Übrigens: Karlheinz Ratzer ist der toughste Typ hinterm Schallplattengeschäftstresen. „Entschuldigung, haben Sie die Neue von Eminem?“ fragten mal zwei wirklich junge Jungs. Sie waren freundlich und gescheiter als die meisten anderen Eminem-Fans damals. Karlheinz sagte: „Seh‘ ich etwa so aus?“

Einmal hat er sich geweigert, mir eine CD von den Screaming Trees zu verkaufen. „Micha, ich weiß genau, dass du einen Plattenspieler hast. Nimm‘ sie auf Vinyl. Die CD verkauf‘ ich dir nicht.“ Als ich als Student einen Job suchte erwies er sich auch eher unkooperativ: „Bei mir als Aushilfe? Mach lieber was G’scheits. Hier hänge scho g’nug Leit rum.“ Mist, hätte ich echt machen sollen.

Egal jetzt. Herzblattsusi, bitte übernehmen: 1. Oktober 2011, Ratzer Records, Hauptstätter Straße 31. Wer sich so thessamäßig schon mal anmelden will: hier ist die Facebookparty dazu.

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10 Comments

  1. says: Aussenreporter

    Schöne, schöne Geschichte. Werde nie vergessen, als ich mal Freunde aus Berlin zu Besuch hatte, die in Vinyl investieren wollten. Als ich die mit zu Ratzer genommen habe, standen ihre großen Klappen einfach nur offen und gekauft haben sie nüscht. Begründung vor der Tür: Zum einen hätten Sie den Herrn nicht verstanden. Zum anderen hatten sie einfach Angst. Super Laden!

  2. says: Aussenreporter

    Und wenn es einer schafft, das Rotlichviertel zu retten, dann der Karl-Heinz. Vielleicht siedeln sich dann an der Ecke nach und nach noch ein paar dufte Läden an?

  3. says: Tobias

    Scheint auch in letzter Zeit mehr los zu sein beim ollen Ratzer. Fast immer 4-5 Leute im Laden. Ist ja nicht der erste Umzug für Ratzer Records, der ist doch mal Ende der 90er Jahre ein paar Häuser in der Paulinenstrasse nach unten gezogen. War damals auch ein bischen größer als heute, es gab damals auch T-Shirts und so Zeug.

  4. says: Whiskydrinker

    Hat der Ratzer eigentlich gesagt, warum er umzieht?

    Beim Vorbeilaufen gestern ist mir nämlich aufgefallen, dass da auch das Piercingstudio raus ist.

    Und der Humpty ist ja schon seeehr lange da raus.

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