„Lasst nochmal Rachael laufen“: Ein Opernprobenbesuch

Wenn unser großer Boss DJ Elbe eine Einladungs E-Mail mit der Betreffzeile „Jemand Bock?“ weiterleitet, dann gibt es genau zwei Reaktionen: Bitte nicht! (Einladung Pressedinner 100 Jahre Spanwerkzeuge). Oder: Au ja.

Au ja bin meistens ich. Und die Einladung ist meistens zu einer Veranstaltung, zu der sich sonst keiner hintraut. In diesem Falle eine Opernprobe. Besser gesagt eine Oper-geht-Gassi Probe im Württembergischen Kunstverein.

Dort durfte ich spiggeln, wie ein ziemlich cooles Experiment seine letzten Züge annimmt: Die Projektreihe Orpheus Institut.

In der ersten Folge dieser Reihe – Sing out! Ein Kehlkopf-Kabinett – erörtern die Darsteller auf der Bühne das Phänomen Stimme auf ganz besondere Art: In einer wilden und ziemlich unterhaltsamen Mischung aus Einspielern, Performance, Theorie und autobiographischen Erzählungen lernt und staunt man viel über die menschliche Stimme.

Und das Ganze nicht in der Oper, sondern im Württembergischen Kunstverein gegenüber. Oper goes Gassi. Und Gassi goes Experiment. Das letzte (und erste) Mal im Kunstverein war ich glaub auf der Grünen Party 2011. Irgendwas hatten sie damals gewonnen: Super Bowl. Präsidentschaft. Opern-Architektur-Pitch. Oder alles zusammen.

Und wir wären nicht Deutschlands meister Polit- und Opernblog, wenn wir das nicht noch im Archiv hätten.

Das Probe-Kibitzen war nicht ganz so eventig. Dafür wird das Stück selber aber glaube ich richtig richtig gut. Also quasi das Gegenteil von den Grünen, wo die Party besser war als das Regieren. Auch und gerade für Nichtoperngänger könnte das ganz spannend sein. Nichtoperngänger – was für eine gute Zielgruppenbeschreibung.

Gesungen wurde auch. Aber gut. Das ganze sogar mit (Achtung Spoiler) Blutpatronen-Einsatz wie bei so ner KISS-Abschiedstour nur ohne I was made for loving you dafür mit Abends sink ich hin und klage.

Überhaupt ist das alles sehr kurzweilig multimedial und spielt mit den Genres. Bedient sich hier bei Youtube und da im Rosensteinmuseum. Und die drei Darsteller Elliott Carlton Hines, Hauke Heumann und Neo Hülcker machen es einem echt leicht, aufmerksam zu folgen.

Ganz abgesehen davon, dass Elliott, Hauke und Neo auch in den Probepausen super nett und auskunftsfreudig waren. Wir wünschen dem ganzen Team um die beiden Macher Johannes Müller und Philine Rinnert toitoitoi und never forget: Sie brauchen das R gar nicht. Das kann auch ein Dyphton sein. (Googelt die korrekte Schreibweise von Diphthong).

Ein bisschen weniger wie kessel-tv und mehr wie arte klingt das dann offiziell so:

Für die Projekt-Reihe Orpheus Institut kooperiert die Staatsoper Stuttgart mit den Berliner Musiktheater-Machern Johannes Müller/Philine Rinnert und Opera Ballet Vlaanderen (Antwerpen/Gent), um dem Gravitations-Zentrum von Oper überhaupt auf die Spur zu kommen – dem Phänomen der Opern-Stimme.

In Begegnungen mit Sänger*innen und Mitarbeiter*innen des Hauses, die als Expert*innen tagtäglich an der invasiven Wirkung von Stimme arbeiten, sammelt das Institut Informationen, Arbeitserfahrungen, persönliche Geschichten und verquickt sie mit historischen Artefakten und wissenschaftlichen Fundstücken zu drei Performance-Abenden.

Und zum Zuhause auf dem Casio nachspielen:

Sing Out! – Ein Kehlkopfkabinett.
Im Württembergischen Kunstverein
Schloßpl. 2, 70173 Stuttgart (Eingang Stauffenbergstr.)
Donnerstag 6.2. – 19.30 Uhr
Freitag 7.2. 19.30 Uhr
Sonntag 9.2. – 18.00 Uhr

Mehr Infos und Tickets hier

Teil 2 der Reihe nennt sich dann Human Jukebox oder Wir sind Musik. Am 13. und 14. März im Wizemann. Und schließlich am 14.Juni 2020 To what end? im und um den Littmannbau.

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