Kettenkarussell der Emotionen

Für alle Freunde der deutschen Geselligkeit folgt jetzt ein Prosit der Gemütlichkeit in Textform. In Sachen Wasen halte ich es ja meist wie der Martin, also Volksfest weiträumig umfahren, wenn es irgendwie geht.

In Ausnahmefällen und selbstverständlich nur, um soziologische Studien zu treiben, wage ich mich dann aber doch gelegentlich ins Kettenkarussell der Emotionen. Zum Beispiel gestern Abend. Hatte noch so viele Fress- und Saufgutscheine, dass ich kurzerhand meine hartarbeitenden Kollegen zum gemeinsamen Ausflug nach Cannstatt verdonnerte.

Das Fazit im Schnelldurchlauf: In der Schwabenwelt bei der sympathischen Gastronomen-Familie Wilhelmer – Mama Wilhelmer ist die steile Alte, die das Schweinemuseum betreibt, der Sohnemann macht die Ampulle und steckt glaub irgendwie auch im Aer Club mit drin – kann man tatsächlich essen. Keine Ahnung, wie die das hinbekommen, aber Linsen mit Spätzle, Nürnberger Bratwürste und andere Errungenschaften der Hochkulinarik kicken tatsächlich.

Noch besser schmeckt nur die Band im Festzelt. Unglaublich, was eine Blaskapelle aus „Oh Jonny“ und Lady Gaga alles rausholen kann.

Die Schwabenwelt will glaub der Feinkost Böhm unter den Zelten sein, die Service-Kräfte sind alle jung und (halb-)schön, Schnaps wird nur in der Bügelflasche und in 4 cl serviert (für fast 7 Euro, Alter!), und unsere Bedienung ist eigentlich Speditionskauffrau, findet den Job aber so scheißlangweilig, dass sie zum ersten Mal auf dem Wasen malocht. Und nein, Männer sind auch besoffen nicht assiger als sonst, zumindest kaum, hat sie herausgefunden.

Das konnte sie allerdings nur recherchieren, weil sie nicht bei Klauss und Klauss im Dinkelacker Festzelt zwei Meter weiter arbeitet. Junger Spitz! Wenn Wilhelmer die Feinkost-Abteilung des Wasen ist, dann ist das Dinkelacker-Zelt der Volksfest-Aldi.

Wir stehen nach zwei Sekunden auf einer Bierbank, weil wir sonst verdroschen worden wären. Ein Assi vom Nebentisch haut uns ständig auf den Arsch, wenn er aufs Klo geht, ein Tisch weiter versucht ein 23-jähriges Mitglied der Jungen Union, mit seiner Freundin auf der Bierbank im Stehen zu kopulieren, neben uns verteilt ein braungebrannter Schnurres-Träger Schnupftabak an einen Fußballverein in Motto-Shirts und die Bedienungen sind, nun, ja, eher handfest.

Zumindest auf Freund Alkohol ist Verlass. Kollegin M., bei uns sonst für Kultur-Events verantwortlich, tanzt auf einem Bierdeckel wie Jacko, Kollege N. probiert einen lustigen Hut auf und ich bestelle als Zeichen des Protests Weißweinschorle. Das ist so ziemlich das Asozialste, was man im Bierzelt machen kann.

Nach 36 Prosits der Gemütlichkeit, 38 mal anstoßen, vier Schlager-Mastermixes und einigen Bildern, von denen ich auch am Wochenende noch Alpträume haben werde, ist Punkt 23 Uhr Schluss mit dem konditionierten Absturz.

Kollegin M. jammert, dass es schon wieder herum ist, und besteht unter „Fahrgeschäft, Fahrgeschäft“-Rufen auf einen amtlichen Freefall. Damit können wir leider nicht mehr bieten, statt dessen drängen wir in die U1. Das ist nach Wasenschluss das härteste Fahrgeschäft, 380 Promille pro Wagen und eine Geselligkeit, die man auf zwei Quadratmetern eher nicht erleben mag.

Sonntag heißt es dann schon wieder Auszapft is! Nächstes Jahr geh ich mit Martin auf die Gay Delight beim Wasenwirt. Da wollte er schon lange mal hin, glaube ich.

Romantische 8-Promille-Liebe auf der langen Bank

Perfektes Zielgruppen-Produkt: Gab allerdings keine Aussenreporter-Gummis, hab ich für Martin und mich Dieter und Jürgen gekauft

Schnaps deluxe in der Bügelflasche, sieht besser aus als er schmeckt

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21 Comments

  1. says: Jana

    Mensch Außenreporter, da war ich gestern mit meiner Firma auch! Ich hätte, es nicht schöner zusammenfassen können.
    Essen hab ich leider verpasst, der Zuckerschock vom Radler saß so tief.
    Mein persönlicher Tiefpunkt: Wurde von zwei 15-Jährigen angesprochen. Ganz kurz, dann meint der eine „äh, ich glaub die ist schon ziemlich alt, geh mer lieber weiter.“

  2. Mensch Jana, son Mist, Firmen-Verbrüderung wäre bestimmt lustig geworden. Mein Tiefpunkt war wirklich, als uns der Seggel am Nebentisch immer auf den Hintern gehauen hat. Beim ersten Mal hatte ich noch auf ein dralles Dirndl gehofft! Aber deine 15-Jährigen klingen auch sehr bezaubernd.

  3. says: Toni D.

    Aufm Wasen kann man wirklich herrliche Studien betreiben. Ich muss glaub auch nochmal hin bevor das ganze Spektakel vorbei ist. Also Sonntag Mittag an der Schießbude stehen und rote Rosen knipsen!

  4. says: TG

    war gestern auch – zwangsweise – meine Frau wollte es so. Erste Erkenntnis: Rauchverbot gibts nur auf der Wiesn, nicht auf dem Wasen…zweite Erkenntnis: durch mein Betreten hat sich der IQ im Zelt verdoppelt…und irgendwie war ich der einzige mit „Oben bleiben“-Button am Revers – entsprechend hab ich viele böse Blicke geerntet. Ist auch logisch irgendwie. Nach 3 Maß findet man S21 supi…und auch, dass der VfB durchaus noch Chancen auf die Meisterschaft hat. Zumindest wollte mir das mein Tischnachbar erklären. Allerdings reichen bei mir auch 4-5 Maß nicht aus, dass ich zu Biene Maja auf der Bierbank feier, als gäbs keinen Ballermann mehr!

  5. says: Jana

    @TG und Außenreporter
    Sollten nicht alle die Buttons abnehmen?
    Als wir gekommen sind, haben die Türsteher die Leute gebeten sie abzunehmen, damit es kein politischen Auseinandersetzungen gibt. Und so wie ich das gesehen habe, haben die’s dann auch gemacht.

  6. says: Aussenreporter

    @ Jana: Nö, die Türsteher haben sogar mein neues T-Shirt mit Heribert-Rech-Aufdruck mit Wehrmachtshelm und goldenen Schlagstock mit Mappus-Kopf bewundert. Und um es mit TG zu sagen: Bei vier Promille pro Kopf wollten die meisten im Zelt glaub lieber Maja-mässig balzen als politisch diskutieren.

  7. says: julia

    also jetzt bekomm ich fast doch noch lust, aufn wasen… verdammt, schon das letzte wochenende.
    und blöd aber auch, dass ich absolut kein bier mag, mit was schießt man sich dann ab um es lustig zu finden und auf biene maja zu machen? 😛

  8. says: Whiskydrinker

    Ich war am Dienstag, auch hauptsächlich nur wegen Gutscheinen. Im Zelt von Frau Merz war es sogar ganz erträglich, weil die Kapelle „Allgäupower“ durchaus zu unterhalten wusste.

    Dann war aber noch Klauss&Klauss und eine Kapelle, deren Namen ich verdrängt habe, angesagt. Es war zum Glück noch relativ früh und gesittet. Ich möchte aber nicht wissen, wie es da gegen später am Wochenende zugeht.

    In diesem Sinne: Ein Prooosit, ein Prooosit….

  9. says: Aussenreporter

    Frau Merz hat ja ihre Hochzeit mit Herrn Privatschule Merz einen Tag vor dem offiziellen Wasen-Opening in ihrem Zeltle gefeiert, voll romantisch und so. Das war wohl eine Art kessel.tv-Party für Erwachsene, das gesellschaftliche Ereignis der Stadt mit lauter sympathischen Menschen. Scheinbar soll es das jetzt jedes Jahr geben, also nicht die Hochzeit, sondern eine Art inoffizielles Opening. Thorsten, da will ich mit einem Kessel.tv-Ausflug hin, wollte schon immer mal zwischen Föll und Ram schunkeln.

  10. says: franzi

    ich steig gestern abend um halb 12e aus dem zug, lauf runter zur u-bahn, die U11 hält-> gröhlende jungs steigen aus-> der 1 kotzt mir gleich mal vor die füße! welcome back in stuttgart 😉

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