Miststück: 1995 (Teil 1)

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Thorsten hat es letzte Woche angedeutet, wir haben festgestellt, dass für uns beide das Jahr 1995 ein ziemlich besonders war.

Wann, wie und warum wir das festgestellt haben, liegt genau gesagt an obiger ZEIT-Magazin Ausgabe von Anfang Juli: Da wurde die berühmte 1995er MTV-Kampagne von Fotograf Daniel Josefsohn ausgepackt und die Frage gestellt, wie viel 1995 in 2015 steckt.

Ich habe davon Thorsten erzählt, er meinte daraufhin, lass uns einen 1995-Tag machen und seit Juli schieben wir diesen 1995-Tag eben vor uns her, bis Thorsten jetzt in den letzten Zügen des Jahres vorgelegt hat und Druck auf mich ausübt („nächstes Jahr machts ja keinen Sinn mehr“). Logo, ein runder Geburtstag für viele wichtige Erinnerung macht schon Sinn.

Die MTV-Kampagne, unter anderem war auf einem Plakat auch die damalige MTV-Moderatorin und Stuttgarterin Kimsy von Reischach als „konsumgeile Göre“ abgebildet, war die Sensation damals. Ich kann mich nicht mehr großartig an andere Werbemaßnahmen aus der damaligen Zeit erinnern, aber die MTV-Nummer war ziemlich frech, ziemlich ziemlich cool und sogar provozierend.

Glaubt man heutzutage auch kaum mehr, genauso wenig – Thorsten, Geiger und ich hatten es kürzlich davon – wie man heutzutage noch über Al Bundy-Folgen (so richtig) lachen kann, TV-Pflichtprogramm 1995.  Damals lag man mit Bauchhalten aufm Boden und während sich Mama fürchterlich über diesen völlig missratenen Familien-Misthaufen, der da im Fernsehen läuft, aufgeregt hat (dafür hat sie gerne mit mir Ray Cokes auf MTV geschaut).

Während der ein Jahr ältere Thorsten 1995 Abi gmacht hat, nach Stuttgart gezogen ist und hier prompt seine erste VA organisierte, sind meine 1995er Benchmarks, und deswegen ist es eben so wichtig: 18. Gebi und die damit verknüpften Optionen auf den Führerschein und endlich richtig feiern, was 1995 überwiegend M1 und Das Unbekannte Tier bedeutete (Anfang des Jahres sind wir noch ins Oz, mit 17 reingekommen und waren (als frierende Zaungäste) bei der Razzia dabei.)

Weitere wichtige Ereignisse: Erster Berlin-Besuch (und bis 2007 auch der letzte), Wechsel von der 12. ins Abi-1996-Jahr (Abi96 mein heutiger Beruf, Grüße an Daniel Hirth und Dino Munk an dieser Stelle) und ganz wichtig: lange Haare ab.

7.3.1995, 18. Geburtstag. Ich habe keine Ahnung mehr, wie ich den gefeiert habe. Ich vermute, daheim aufm Sofa mit meinen Eltern und ein paar wenigen Verwandten. Ich weiß nur, dass mein 20. mit Cocktail-Party und anschließend Felix da Housecat im Red Dog ein absolutes Upturn-Programm war.

Den Führerschein wollte ich zunächst gar nicht machen, glaub wegen der Kohle und mangelnden Interesse am Fahren. Letzteres änderte sich wiederum ziemlich schnell, als ich den Lappen schließlich am 15. August 1995 in der Tasche hatte: Mein Dad überließ mir, sofern es ihm zeitlich passte, ohne Diskussion sein Auto und wir gurkten stundenlang durch Stuttgart und um Stuttgart herum.

Andere Eltern waren beim Thema nicht so locker (und die hatten sogar zwei!!!11!!!!!) und es wurde bald ein riesiges Thema in unserem Freundeskreis, warum immer die gleichen Leuten in die Clubs fahren mussten (hier ganz viele liebe Grüße an mein BFF Robert und Familie Pätzold 😉 )

Neben der mündlichen Chemie-Prüfung im Physikstudium war die praktische Führerschein-Prüfung die schlimmste überhaupt in meinem Leben, abgesehen davon natürlich, Bullshit-Bingo, das Leben eine einzige Prüfung ist.

Ich war unfassbar nervös, hab das Shirt voll geschwitzt und bin stellenweise so langsam gefahren, dass der Prüfer irgendwann von hinten brüllte: „Jetzt fahren sie doch mal zu, Herr Elbert!“

Nachdem die Schinderei vorbei war, dachte ich zunächst, ich bin durchgefallen und musste dann fast flennen, als mir das Dokument, dieses wunderschöne große rosa Mini-Heftchen ausgehändigt wurde, den ich erst vor einigen Jahren in das gängige EC-Karten-Format umtauschte. Und deswegen war mein erster Führerschein lange das letzte Beweismittel, dass ich damals lange Haare hatte. Mit Zöpfchen. Ohne Vollbart. Sieht man deutlich wie scheiße in meinem alten Führerschein.

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Die Haare fielen am letzten Schultag 1995, Ende Juli. Kumpel Andi Ludmann kam rüber und rasierte mich stoppelig. Ich wollte sie mir so wie Michi Beck rauswachsen lassen (oder wie diese Green Day-Typen oder wie halt dann jeder 1995), der zum Lauschgift-Release mit einem neuen Look an die Öffentlichkeit ging.

Diesen Look sah ich zum ersten Mal, als wir in der Böblinger Panzerkaserne beim Sie ist Weg-Dreh, die Vorabsingle zu Lauschgift, mithelfen durfen. Regie führte Ralf Schmerberg, der ältere Bruder von meinem Kindergarten-Freund Marc.

Da lungerte also Michi Beck mit dieser arschcoolen (sowie arschroten Frisur) aufm Sofa rum und so wollte ich das dann auch. Zunächst mussten wir aber den Boden reinigen. Das steht heute auch in meiner immer noch nicht vorhandenen DJ-Bio: „Er durfte einst den Boden für das Sie ist weg-Video schrubben.“

18. Geburtstag, Führerschein, Haare ab: so viel zu dem administrativen Teil meines Jahres 1995. Im zweiten geht es dann um Musik, Clubs und Berlin. Ganz sicher.

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4 Comments

  1. says: Beraternase

    Cooler Text. Mit Bodenschrubben vor Michi Beck kann ich als Abi 94-Veterane (Motto: Willkommen im Freizeitpark Deutschland) nicht mithalten. Mir ist aus dieser Zeit noch die Abi Fete auf dem Wasen im Gedächtnis… (war aber wie gesagt 94).

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