Gelbe Karte für Gaiser (83.)

Gazi

Irgendwo in der Hölle, wenn du reinkommst links, da sitzt ein Programmierer und freut sich teuflisch über seinen facebook Algorithmus, der dafür sorgt, dass manche Posts gar nicht und andere nur dann angezeigt werden, wenn sonst nix los ist. Die Beiträge der Stuttgarter Kickers, die facebook als Live-Ticker verwenden, tauchen deshalb manchmal mit 24 Stunden Verspätung auf.

Sonntagnachmittag konnte ich also in meiner Timeline nachlesen, dass Gaiser am Samstagnachmittag eine Verwarnung kassiert hat. Ob zu Recht oder nicht – das stand da nicht.

In anderen sozialen Netzwerken heißt sowas Latergram. Bei facebook aber ist man versucht, die Timeline entweder auszumachen oder ständig draufzugucken, ob vielleicht doch noch was reinkommt. Sowas wie „Drittligist schlägt Titelverteidiger.“

Aber wir sind hier ja nicht mehr in Reutlingen, wo man schon die Auslosung als Pokalsensation gefeiert hatte. Und das Spiel am Samstagabend gegen den KSC – nach dem Motto ‚3 Ecken, 3 Elfer’ auch. Erstaunlich, dass das nicht auf Pro7 übertragen und von Stefan Raab moderiert wurde.

Der SSV Reutlingen kann übrigens dieses Jahr mit dem wfv-Pokal, dem DFB-Pokal und der Oberliga Baden-Württemberg das Triple schaffen. „Alles kann, nichts muss – wie in einem guten Swinger-Club“ nannte ktv-Leserreporter El Pibe dieses Pottpourri an sportlichen Möglichkeiten für den SSV neulich auf Twitter. Worauf ich antwortete, dass bei uns im Swinger-Club alles muss, weil es da etwas strenger zugehe.

„Die Polizei zählte 260 als problematisch eingestufte KSC-Fans in Reutlingen“ schrieb Sport 1. Komisch: an anderer Stelle habe ich gelesen, dass 1.300 KSC-Fans mitgereist sind. (Ein wie ich finde, recht guter Gag, der sich erst beim zweiten Mal nachdenken entwickelt. Verstehste?)

Das DFB-Pokalspiel Stuttgarter Kickers gegen VfL Wolfsburg war jedenfalls schon im Vorfeld weit weg von einem Hochrisiko-Spiel oder von einer Pokal-Sensation. Die Kickers haben einfach kein Pokalschreck-Gen und die Wolfsburger sind keine Deppen. Die einen stolpern nicht, die anderen lassen das Bein nicht stehen.

Und der Pokal hat seine eigenen Gesetze. §1 ist, dass eine Mannschaft wie Wolfsburg immer mindestens im Viertelfinale steht. Das heißt aber mathematisch auch, dass die in der ersten Runde nicht rausfliegen.

Hingegangen sind natürlich trotzdem alle. Wann kommt schließlich schon mal Wolfsburg nach Stuttgart? (Antwort: am 17. Bundesliga-Spieltag, Mitte Dezember). Und so war am Samstag mehr Event-Publikum als sonst im Gazi-Stadion. Ein Stadion, das sich für den DFB-Pokal extra umziehen und sich einen anderen Vornamen suchen musste.

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(Wie einmal aus dem Waldau-Stadion das Gazi-Stadion und dann das Stadion auf der Waldau wurde)

Keine Ahnung, warum man den GAZI Schriftzug abgehängt hat. Entweder, weil es sich auf Nazi reimt. Oder weil der DFB mit einem anderen Weichkäse-Hersteller einen exklusiven Deal hat und keinen Interessenskonflikt wollte.

Eine Woche zuvor waren im Neckarstadion schon gefühlt alle Möbel Hofmeister Plakate verschwunden und die LED-Werbebanden empfahlen uns stattdessen, Abu Dabi zu besuchen. Ts, ts – wo wir doch das Milaneo direkt vor der Haustür haben. Emiratiger wird es ja wohl nicht.

Beim Freundschaftsspiel VfB gegen Manchester City (4:2) hat sich übrigens so ein ähnliches Gefühl eingestellt wie beim Freundschaftsspiel Stuttgarter Kickers gegen VfL Wolfsburg (1:4): Irgendwie müssten da doch jetzt geilere Spieler auf dem Platz stehen, oder? Also, auf Stuttgarter Seite sowieso – aber vor allem beim Gegner.

Und während Wolfsburg an Glamour irgendwie nur DeBruyne dabei hatte (und immerhin Träsch mitgebracht hatte und nicht Kuranyi), da dachte man auch bei Manchester City: jetzt kommen die Superstars. Und mehr als nur ein Horst schwärmte im Vorfeld vom Wiedersehen mit Schweinsteiger. Event-Publikum, hier wie da. Menschen, die abwägen, ob sie nach Ostfildern zur Feuerwerks-WM ‚Flammende Sterne’ gehen – oder doch zum VfB.

Sakai

(Wenn’s scheiße läuft, läuft’s scheiße -Bruno Labbadia / Daniel Gordon)

Bei Flammende Sterne kriegt man auf jeden Fall mehr Starpower. Denn bei Manchester City waren alle nur sackteuer aber nicht bekannt. Wie so n Lotus Elise, wo man auch immer denkt: Ach – doch kein Ferrari!

Die meisten um mich rum fragten dann auch während des Spieles ihre Eltern/Ehepartner/Zivildienstleistenden: „und wen kennt man jetzt da?“ Und die Antwort ist und bleibt: Martin Demicheles – auf der Bank. Beides kann dir bei den Kickers nicht passieren.

Wo es am Samstagnachmittag für mich wenigstens zwei Neuerungen gab: erstens haben wir jetzt ein Maskottchen. Eine Bisamratte namens Waldi im Kostüm eines Waschbären.

Liebe Kinder, kessi – euer kleines Blog-Maskottchen erklärt euch das mal eben: Waschbär deshalb, weil beim Umbau der Haupttribüne so einer gefunden wurde. Und Waldi wegen Waldau. Den Vorschlag, den Waschbär lieber in eine Semmel zu wickeln und das Maskottchen ‚Wursti’ zu nennen, weil das das Beste in Degerloch ist, den haben wir eingereicht, aber nicht durchbekommen.

Zweite Neuerung ist eine Anzeigetafel. Das ich das noch erleben muss. Ich weiß noch nicht, ob das eine Verbesserung ist. Früher als man seinen Nachbarn noch fragen musste, wie es steht, wenn man zu spät kam und sich die Spieler noch nicht mit so Arme-verschränk-Filmchen vorgestellt haben – da war mehr Fußball und weniger Klimbim. Aber jetzt weiß ich wenigstens, wie Gaiser (83. Gelb) aus der Nähe aussieht.

Ich bin nur froh, wenn endlich wieder normaler Spielbetrieb in Liga 3 ist. Hätte auch nicht gedacht, dass ich mich das mal sagen hören oder schreiben lese.

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