Gras, Bluthunde, Läufer & DJs: Buchtipps (für Weihnachten und so)

Großer Buchtag heute. Setzer liest Joe Bauer und ich hatte die letzten Wochen Zeit, gleich vier Bücher zu lesen. Rekord für mich. Echte Literaturfreaks, Bücherwürmer und Leseratten können aber gleich abschalten, die folgenden vier Tipps sind nicht mal von gestern und auch nicht von vorgestern, sondern mitunter sogar aus dem letzten Jahrhundert und das aktuellste Werk ist fünf Jahre alt. Deutschland größter Steinzeitblog to the fullest, we love to buch you und absolut Shades Of Grey frei. 

Howard Marks – Mr. Nice 

12, 13 Jahre nachdem man ein Buch zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, 29,80 DM steht hinten drauf, kann man es auch mal lesen. Danke an meine Kindergartenfreunde Marc in Frankfurt und Robbe in Murnau an dieser Stelle. Tolles Geschenk, hab es mit großer Freude verschlungen, so viel vorneweg.

Die Autobiographie von Drogenschmuggler Howard Marks kennt jeder (eine Million verkaufte Exemplare) und ist wahrscheinlich bei Menschen, die ab und zu eine Eismaschine reparieren müssen, sowieso längst Kult. Hab erst am Wochenende erfahren, dass das Buch 2010 verfilmt wurde.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=_h3Db4gm4qI[/youtube]

Marks, Oxford-Absolvent im Fach Physik, hat in den 70er und 80er Jahren mitunter äußerst fantasievoll riesige Mengen Haschisch über die Kontinente geschoben, wurde 1988 gefasst und war bis 1995 in den USA in Haft. Kurz nach seiner vorzeitigen Entlassung ist das Buch erschienen. Zwischenzeitlich hat Marks mit „Dope Stories“ und „Senor Nice“ weitere Bücher nachgelegt, tourt heutzutage durch die Lande und ist sowieso auf großer Legalize-Mission. Gut, war er schon immer.

„Mr. Nice“ erklärt nicht nur das kleine und megagroße Schmuggler-Einmaleins der 70er und 80er Jahre, über das man nur fassungslos (beeindruckt) staunen kann, sondern ist ebenfalls ein Geschichtsbuch und Reiseführer in einem. Gefühlt hat Marks mit seinen gefälschten Ausweisen die Erde 100 Mal umrundet, hintenraus mit großem Schwerpunkt auf Asien, dabei Popstars und Politiker getroffen, an jeder Ecke legale und illegale Geschäfte gemacht („wir machten ein Geschäft und gingen dann in die Bar“), die eine oder andere soziale Einrichtung ins Leben gerufen und auch kurzzeitig als Agent gearbeitet.

Alles in allem entsteht beim Lesen schnell das Bild von einem herzensguten und friedvollen Typen mit viel Stil und Ehre, für den der Stress, der 30 Tonnen Haschisch von Pakistan nach USA zu befördern mit sich bringt, das Lebenselixier schlechthin war. Im Knast hat er sich übrigens im Vergleich zu manch anderen Häftlingen als kleiner Fisch bezeichnet. Geht halt immer noch krasser.

Absolut rastlose Lektüre, mit dem einzigen Manko, dass man aufgrund der vielen Charaktere, die Marks dank seines ereignisreichen und erfüllten Leben ins Spiel bringt, nicht immer sofort durchblickt. Kann ich jedem empfehlen und schenk´s Thorsten zu Weihnachten, dem alten Kiffer.

Howard Marks
Mr. Nice
ISBN 3-933806-00-3

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Don DeLillo – Bluthunde

Nach dieser packenden Biographie war mir nach einem Roman. Der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo ist dank seiner Weltklasse-Blätterpresse (knapp 1000 Seiten) namens „Unterwelt“ in Deutschland Ende 90 bekannt geworden, das ich an dieser Stelle ebenfalls gerne empfehlen möchte. Ich glaub, Feuilletonisten schreiben über solche Bücher Dinge wie „das große Amerika-Buch“, Wiki sagt, „DeLillo spinnt ein beeindruckendes Breitwandgemälde der amerikanischen Gesellschaft.“

That´s right. Soweit ich weiß, hat diese Spinner-Aufgabe mittlerweile Jonathan Frantzen in der amerikanischen Literatur übernommen, kann mich aber auch täuschen.

Während des „Unterwelt“-Hypes auf dem damaligen deutschen Büchermarkt ist DeLillos frühes Buch „Bluthunde“, ursprünglich von 1978, übersetzt erschienen. Dabei geht es um eine Filmrolle, auf der angeblich ein Gangbang im Führerbunker kurz vor Ende des 2. Weltkriegs festgehalten ist, und nach der ein Kunsthändler, ein Senator mit dem Faible für erotische Kunst, eine Journalistin eines linken Magazins, ein CIA-Agent und weiterer Agent jagen.

Die Geschichten der einzelnen Hauptfiguren werden geschickt mit DeLillos nüchterner, unverblümter bis grober Sprache zu einem mitreißenden Kopfkino verwoben, das Buch gewinnt von Seite zu Seite an Fahrt, man fiebert natürlich der Präsentation der Filmrolle hin, bis die aufgebaute Spannung am Ende wie ein Soufflé traurig zusammenkracht und den Leser, zumindest mich, etwas irritiert und unbefriedigt nach Hause schickt.

Don DeLillo
Bluthunde
ISBN 3-462-02824-3

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Haruki Murakami – Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Ja liebe Schwester, ich hab dich vor einiger Zeit angeschwindelt. Ich habs erst jetzt gelesen. Hat sie mir freundlich überlassen vor einigen Jahren, vielen Dank dafür.

Das ist natürlich das Blueprint-Laufbuch der letzten Jahre, weil es, denke ich nach dem Lesen, sehr vielen Hobby-Läufern direkt von der Seele spricht, beziehungsweise viele dem Laufsport aus der selben Motivation nachgehen wie Murakami: Es ist ein höchst intimer Individualsport, für den du letztendlich nichts brauchst außer ein paar Laufschuhe. Kein Rad, kein Schwimmbad, nichts. Nur du. Das gehört dir, das ist deine Zeit – zum Auspowern, zum Nachdenken, zur Inspiration, zum Kraft schöpfen.

So lässt Murakami den Zeigefinger komplett unten, gibt keine (unsinnigen) Tipps und zwingt niemanden zu irgendetwas und schon gar nicht zum Laufen, aber – und das ist meiner Ansicht nach die große Leistung des Buches – motiviert dank seiner Erzählungen trotzdem, sich die Laufschuhe zu schnüren. Zumindest hat es mich neu bestärkt, im Jahr 2013 die Sache wieder etwas konzentrierter anzugehen.

Sehr demütig und bescheiden – manchmal etwas zu demütig und bescheiden könnte man ankreiden – beschreibt Murakami seine „Karriere“ als Läufer, die kleinen Erfolge bei verschiedenen Wettkämpfen oder die Enttäuschung wenn die Marathon-Zeit nicht so war wie trainiert, und dass man sich einfach damit Abfinden muss, dass der Körper mit Mitte 50 halt nicht mehr so kann wie mit Mitte 30.

Ein Buch zwischen Glück und Leid und über das Leben und Älter werden, dass man natürlich am Besten versteht, wenn man selbst unterwegs ist – und parallel dazu auch noch eine halbe Biographie seiner Laufbahn als Buchautor, denn die zwei Sachen gehen bei Murakami Hand in Hand. Kriegt der Setzer.

Haruki Murakami
Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
ISBN 978-3-8321-8064-5

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Laurent Garnier & David Brun Lambert – Elektroschock – Die Geschichte der elektronischen Tanzmusik

Das Buch hat im Original auch schon wieder fast 10 Jahre auf dem Buckel und bekam ich 2005 / 2006, als es auf Deutsch erschien, in die Sub Culture Redaktion geschickt. Der Untertitel ist zwar irgendwo richtig, aber auch etwas irreführend, den zunächst einmal ist „Elektroschock“ schlicht und einfach eine (Auto)Biographie von Laurent Garnier.

Da der gute Franzose aber House / Techno wiederum blöd gesagt vom ersten Beat an miterlebt hat, ist seine eigene Laufbahn natürlich unweigerlich mit der Entstehung und Entwicklung von elektronischer Musik verbunden. Garnier gehört ohne Zweifel neben Leuten wie Juan Atkins, Kevin Saunderson, Carl Craig, Mike Banks oder Jeff Mills – die beiden letzteren kommen ebenfalls abschnittsweise zu Wort – zu den großen Pionieren, gerade natürlich in Frankreich, wo er letztendlich nahezu im Alleingang Techno bekannt gemacht hat, und Resteuropa.

So erzählt Laurent Garnier seine persönliche Geschichte von seinen ersten Schritten im Hacienda / Manchester und in Paris Ende 80 / Anfang 90, zunächst noch als „Mixed Club DJ“, bis hin zu großen Auftritten auf riesigen Raves oder mit Band in Konzertsälen und fädelt dabei immer die wichtigsten Entwicklungen der Jahre ein, sei es in Form von außergewöhnlichen Platten oder besonderen Ereignissen.

Der Großteil des Buches widmet sich den Jahren zwischen von 1987 bis 1994, als House und Techno von den Staaten nach Europa schwappte, die wichtigsten Grundsteine für die Musik gelegt wurden, und in manchen Ländern, wie eben Deutschland, schnell zu einem Massentrend wurde – im Gegensatz übrigens zu ihrem Heimatland.

Für gewiefte Kenner der Techno-House-Historie bringt dieses Buch zwar keine wesentlichen Neuigkeiten, bekommt dafür aber jede Menge Backflashes und witzige, skurrile bis bittere Anekdoten aus Garniers Künstler-Leben geliefert. Das Thema Wünsche wird ebenso angesprochen (einmal ist auf ihn ein Typ los mit einer abgebrochenen Flasche) wie z.B auch ein eher düsterer Ausblick auf die zukünftige DJ-Technik und die Bedeutung des DJs in Zeiten von Traktor und Co. – das Buch ist wie gesagt von 2003, als gerade die ersten digitalen DJ-System aufkamen.

Gerade jüngeren Techno-Fans kann ich wiederum das Buch wärmsten empfehlen, denn man bekommt ein gutes Basiswissen über die Wurzeln der elektronischen Musik. Und das Schönste an diesem Buch: Man merkt wirklich in jeder Zeile wie sehr Laurent Garnier diese Musik liebt.

Laurent Garnier
Elektroschock
ISBN 3-85445-252-7 
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18 Comments

  1. says: Ken™

    @ martin:

    weiß ich doch! wollte nur eine brücke zu deiner etwas verwaisten techno-kolummne schlagen, damit es hier nicht zu stark hip hop, soul und urban wird… 😉

    @ franzi:

    es gibt tatsächlich noch leute, die schiller € goethe lesen. allerdings hab ich mit realschülern und gymnasiasten nix am hut! 😉

  2. says: martin

    andy stott war mir zu dubbig beim durchskippen, muss nochmals reinhören, weil eigentlich mag ich den schon. barker und baumecker hab ich da, kindness ist doch schon voll alt ey! 😉

    crystal ark kenne ich gar nicht.

  3. says: Ralle

    Andy Stott: stimmt, aber gut 😉

    Ja, die Kindness ist schon älter. Fand die beim ersten Mal durchskippen irgendwie nicht so stark, aber je häufiger ich die höre, desto besser wird die. Jedes Stück ein Gewinner.

    Crystal Ark ist zur einen Hälfte Gavin Russom (DFA, Delia Gonzalez, blabla …). Hört sich an wie ne Mischung aus LCD Soundsystem und Ting Tings. Geschmacksache – ich fand’s ganz nett.

  4. says: Ralle

    Daphni fand ich auch ein paar Tracks gut. Bei Redshape bin ich irgendwann bei der Unfinished Symmetry ausgestiegen. War mir dann doch zu viel Trademark-Sound 🙂

  5. says: Ken™

    also andy stott war mir persönlich zuviel heroin und pcp…
    mit dem daphni album kann ich auch gar nix anfangen. scheint so ein pressehype zu sein.
    aber das redshape album ist echt gelungen. hab mich auch ein wenig an dem herren satt gehört aber das album hat definitiv was!

  6. says: morri

    Daphni Album find ich auch gelungen – da kann ich dann noch das Four Tet Album „Pink“ empfehlen.
    Und das Album-Debut von Oskar Offermann – Do Pilots Still Dream Of Flying?
    Passt zum Herbstwetter.
    Und die Fabric 66 von Ben Klock – tolles Mix.

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