Eine Woche im März 2020

Mit diesem Wissen bin ich also in den 42er gestiegen. Ein-letztes-Mal-Stimmung. Für vier Wochen? Länger? Ankunft Schankstelle. Ein-letztes-Mal-jeder-weiß-schon-Bescheid-aber-was-passiert-genau-morgen-Atmosphäre. Direkte Ansage von Betriebsleiter Flo an mich: „Wir lassen heute weniger Leute rein und bitte, übertreib‘s vielleicht nicht ganz so.“ Also Ballerlevel 70 bis 80%?

Begrüßung mit allen. Ich liebe es, reinkommen, alle begrüßen, ich liebe alle Läden, in denen ich die letzten Jahre aufgelegt habe. Wie machen wir’s? Touchfist, abklatschen, Umarmung, Zungenkuss? Galgenhumor-Feixereien-Stimmung. Jeder handhabt die Begrüßung anders. Leider kein Zungenkuss mit niemanden. 

Ansonsten die übliche Routine: Gedeck-Bestellung aufgegeben (Moped, Shot, Burger, Moped 2 und Shot 2, 3, 4…), den ganzen Glumbatsch anschließen (Serato, MacBook, den erst neu gekauften Add-on Controller) und schließlich gegen 20 Uhr den Dampfer gestartet. Oder die Rakete. Oder den Jet. Oder das Begräbnis des Dancefloors. THE LAST DANCE mit den Schankstelle Bulls, ohne Michael Jordan aber (Serientipp immer noch btw). 

Schankstelle, 12. März 2020

Schankstelle-Donnerstag normal. Erste halbe Stunde bisschen herum eiern, irgendwann den richtigen Knopf finden im Cockpit und ab spätestens 21, 21:30 Uhr Party wie am Weekend tief in der Nacht. Alles wahnsinnig komprimiert. Es läuft soweit. Kein Gedanke daran verschwendet, ob das jetzt der LETZTE GIG sein könnte. 

Auf einmal, es war 22:30 Uhr, 22:45 Uhr, Aufregung, eine Frau stürmt zu mir ans Pult, „MUSIK AUSMACHEN, MUSIK AUSMACHEN, PFEFFERSPRAY!“ und unmittelbar darauf fing es an, im Hals und Nase unglaublich zu brennen, keine Luft bekommen, alles noch schnell ausgeschaltet und dann alle raus an die Luft.

Wahnsinn, ein Debüt in meiner sogenannten DJ-Karriere: PFEFFERSPRAY auf dem Dancefloor. Überhaupt zum ersten Mal Pfefferspray im Leben! Noch nie gefühlt zuvor. Den Versprüher haben sie gleich geschnappt, gab wohl irgendwie Stress und der Gefasste verteidigte seine Aktion, dass er sich nur VERTEIDIGEN WOLLTE, ja genau du super YÖGEL.

(Das Wort gab es damals noch nicht, wurde im Laufe der Pandemie von Thorsten, Geige und mir kreiert, eigentlich war‘s der Geige, eine Kreuzung aus Yoga (Pandemie-Dinge, jeder muss seine Yoga-Übungen posten) und Vogel. Der Yogel oder YÖGEL und die Yögels.) 

15 Minuten später. Durchgelüftet. WAS machen wir jetzt? Weitermachen, Flo? Yes, fahr wieder hoch. 

Das war der Moment, als mir bewusst wurde: Vielleicht lege ich jetzt tatsächlich zum allerletzten Mal für eine WEILE nicht mehr auf. Für ein PAAR Wochen oder so. 

Also: Die Ansage bei der Begrüßung, bitte nicht zu arg übertreiben, warf ich innerlich über Bord und implementierte mir kurzfristig einen Alternativplan: DIE FICK ICH JETZT ALLE WEG und fand im Cockpit die Anleitung zum TURNUP. Die Rakete, der Jet, die Begräbnisparty nahm ihren schankstelligen Lauf, der gegen 3 Uhr total verschallert mit dem Abstöpseln des angeschlossenen DJ-Eigentums endete, ein paar warme Worte zum Abschied, okay Leute, keine Ahnung wann wir uns wiedersehen. Taxi. 

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