Rad DM 2021: Ballern in Schönberg

Etwas später als geplant schreibe ich diesen Rückblick, aber das ist ja nicht so tragisch bei einem Event, das wegen Pandemie ohnehin von 2020 auf 2021 verschoben werden musste. Außerdem interessieren wir uns hier bei ktv ja für alle Sportarten: Tanzen, Reiten, Tennis.

Am Sonntag, 20.06., fand die Deutsche Straßenradmeisterschaft 2021 in Stuttgart statt. Auf einem Rundkurs von der Waldau, über Ruhbank, Mittlere Filderstraße, Schönberg und das Königsträßle fuhren die besten deutschen Männer 185,3 km und 3050 Höhenmeter, die „Elite der Frauen“ 107,2 km und 1708 Höhenmeter.

Wer nicht weiß, wo Schönberg ist: Dieser Hidden Champion unter den Halbhöhenlagen liegt am Hang zwischen Degerloch und Birkach. Hier sind die Häuser etwas kleiner, die Mauern etwas niedriger, aber die Autos vor den Garagen nicht weniger teuer. Und eigentlich ist in/im Schönberg auch nie was los, außer wenn einmal im Jahr Krötenwanderung ist.

Ganz anders an diesem Sonntag: Ab 11 Uhr fahren die Frauen ihr Rennen. Das schauen wir uns noch im Livestream von SWR SPORT an. Der Kommentator berichtet in etwa so, als würde in der „Sendung mit der Maus“ Radsport erklärt. Da der Radsport dank intensivstem Doping, gefallenen Stars wie Jan Ullrich, dem Ausstieg sämtlicher großer Sponsoren irgendwann End der 90er, Anfang der Nullerjahre medial auch nicht mehr ganz so präsent war, ist das aber total okay.

Der Moderator klingt stellenweise selbst etwas verzweifelt, als auch auf der letzten Runde von der Regie noch Luftaufnahmen vom „Funkturm“ eingeblendet werden, statt den spurtenden Radlerinnen.

Trotz fehlendem Bild überholt Lisa Brennauer auf einem Rädle in Deutschland-Dekor am Anstieg dann alle Konkurrentinnen und wird nach etwas weniger als drei Stunden zum dritten Mal in Folge Deutsche Meisterin im Straßenrennen. Herzlichen Glückwunsch!

Zum Rennen der Männer gehen wir dann raus und die spärlichen Wolken an diesem bisher ganz erträglichen Sommersonntag reißen auch auf. Jetzt hat es an und auf der Strecke circa 100 Grad Celcius. Egal, trotzdem #Ballern!

Eine großen Teil der Faszination macht für mich an diesem Tag aus, dass die immer wieder zu bezwingende Steigung die Rotwiesenstraße ist. Die fahre ich sehr regelmäßig auch hoch – aber mit dem Pedelec – und nicht mal annähernd so schnell, wie’s hier abgeht. Die Männer bringen es nämlich auf einen Schnitt bis 43 km/h (Die Damen auf bis 38 km/h). Gut, auf der anderen Hälfte der Strecke geht es von der Ruhbank unterm Vesperbrückle durch bergab, aber dieser Anstieg hier ist echt steil! (Gab’s den eigentlich schon beim Bergzeitfahren von Kesseln.CC?)

In der engen Kurve unten am Buckel machen die Rennrädle im Rudel „Sirrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr“ und dann „Klack, Klack, Klack“ um kollektiv in die kleinen Gänge zu schalten. Obwohl auf der Veranstaltungs-Website in roter Fettschrift „Wegen Covid ohne Zuschauer!“ steht, sind trotzdem einige Leute gekommen um zuzugucken – es ist ja draußen und ein echtes Ereignis. Der Schönberg ist über Nacht bemalt worden, als wenn die Tour de France oder der Giro d’Italia durchkommt.

Auf der halben Bergstrecke steht ein komplett in Nationalflagge gehülltes Wohnmobil von „The Schachclub“, den Supportern des Favoriten und Titelverteidigers Max Schachmann. Davor sitzt eine Frau im weißen Sommerdress mit Schwarz-Rot-Goldener Hawaii-Blumenkette und checkt auf dem Smartphone die Lage, während „der Max“ ein ums andere Mal vorbei heizt. Auch wenn ich natürlich nicht weiß, ob das wirklich Max‘ Mutter ist, beneide ich sie doch ein bisschen um dieses Lebensgefühl einer „Cycling Mom“.

Runde um Runde jagen die Jungs – die meisten haben ebenso glatte Wangen, wie Waden – über die Strecke. Es wird „Hopp, Hopp“ gerufen und geklatscht. Die Experten vorne an den Gittern können ohne Probleme die Fahrer Schachmann, Buchmann, Hollmann, Zimmermann – bevorzugte Vornamen Maximilian, Jonas oder Johannes – unterscheiden. Der Radsport macht an diesem Tag einen wenig diversen Eindruck, aber immerhin haben die Begleitfahrzeuge holländische und italienische Kennzeichen.

Gegen Schluss wird es nochmal richtig spannend, weil der später Zweitplatzierte unerwartet zurückfällt und überhaupt macht es richtig Freude, wie hier bei jedem Pedaltritt unermüdlich gekämpft wird.

Max Schachmann fährt souverän aufs Treppchen, der Oberbürgermeister kommt zum gratulieren und auf der Waldau gibt’s noch ein paar Trinkflaschen, die in der „Waste Zone“ in die Büsche gepfeffert wurden, als kostenlose Souvenirs.

Der Radsportverband plant, am 12. September 2021 das „Brezelrace“ für Jedermann und Jederfrau nachzuholen. Bei den beiden längeren Strecken wird es eine Zieleinfahrt auf der Theo geben. Die Anmeldung ist kostenpflichtig, ein Trikot und alles was das Radlerherz erfreut, ist in der Gebühr enthalten.

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