Ich der Vandale

Komisch, schon als ich heute früh aufgewacht bin, fühlte ich mich wie ein echter Maik Franz. Als Pöbler. Als Rowdie. Als Halbstarker. Aggressiv. Gewalttätig. Wie alle Ultras der Frankfurter Eintracht zusammen. Heute mach ich irgendwas kaputt. Trete gegen Thorstens Moped oder tagge eine KSC-Fahne mit VfB. Surfe S-Bahn. Zerstöre eine Lady-Gaga-CD im Saturn. Oder lege eine Lady-Gaga-CD in ein End Of Green-Album ein. Aggressiv habe ich meinen Ingwer kleingeschnibbelt. Für Ingwer-Tee. Hat mir mal der Ingmar empfohlen. Echt gut. Wirklich. Meine Schwester ist in dem Punkt voll unten mit mir. „Bisch ja voll der Yogi!“ Lieber ein Yogi als ein Glööckler.

Dann mach ich Twitter auf. Bin jetzt da aktiv. Nein, aktiv ist das falsche Wort. Ich nutze Twitter inzwischen zwecks Nachrichtenbündelung. Hab ich mir von Philgrooves gemerkt. Und folge Thorsten Weh. Die StZ kündigte an, Leute, gleich ein Thema bei uns: Vandalismus! Uiuiui! Was ist jetzt schon wieder passiert? Hat der Krupa letzte Nacht wieder alle Jugendhäuser von Heilbronn bis Reutlingen in Grund und Boden gerappt?

Nee, es geht um den Kleinen Schlossplatz. Genauer gesagt um das sogenannte Lichtband. Die Dinger, auf denen der Gebhart Heidi-Klum-mässig catwalkt, wenn er beim Abseits wieder 5.000 Euro für T-Shirts ausgibt. Steht ja nix dran, dass man da nicht rübercatwalken darf. Auch im Winter. Oder bei Regen. Kann man sich schnell mal die Haksen brechen. Abgesehen davon fand ich das Lichtband immer ganz schick. Auch wenn das schöne Lichtband recht schnell etwas gammelig aussah.

Deswegen haben die Stadt, die Architekten und der Gemeinderat eine Reparatur für 1,4 Millionen Euro beschlossen, wie die StZ heute berichtet. „Skater und Anlieferer haben diese Platten immer wieder beschädigt, mutwillige Zerstörungen kamen hinzu,“ schreibt die Zeitung. Die Kollegen von den Nachrichten gingen schon im März ein Stück weiter weiter: „Sei es durch Fahrzeuge, sei es durch Skater. Der größte Schaden entsteht jedoch durch Vandalismus. Bisher verursachte die mutwillige Zerstörung Reparaturkosten in Höhe von 35.000 Euro.“

Mittags legt ein StZ-Kommentator nach und sprach von: „Die Zerstörungswut ist erschreckend.“ Und: „Die Hoffnung jedoch, es sei für alle Bürger eine Selbstverständlichkeit, mit diesem neuen öffentlichen Raum pfleglich umzugehen, hat sich als naiv erwiesen.“

Klingt als herrsche auf dem kleinen Schlossplatz Sodom und Gomorrha. Sehe da immer nur friedlich Leute sitzen, eine Suppe vom Sans schlürfen oder eben mit Timo Gebhart zusammen ins Abseits rein und rauslaufen. Aber vielleicht muss man doch einfach eine Mauer um das Lichtband bauen.

Erst mal nicht, die Reparatur geht anders: „Auf das gesamte Lichtband kommt eine Abdeckung und darauf wiederum werden gut einen Zentimeter dicke Platten aus rutschfestem Edelstahl montiert, unterbrochen von achtzig bis einhundert Glasbausteinen, jeweils dreißig Zentimeter im Quadrat. Aus diesen Bausteinen wiederum strahlen sogenannte LED-Leuchten buntes Licht nach oben, was abends und nachts einen besonderen Effekt erzeugt“, so die StZ.

Witzig wird in der StZ auch der Bürgermeister Dirk Thürnau zitiert: „Die Stadtgesellschaft nutzt diesen Platz anders, als wir alle es uns vorgestellt haben.“ Den Architekten könne man keinen Vorwurf machen, meint er. Die Stadtgesellschaft und die moderne Architektur passen scheinbar nicht zusammen. Zwei Fremdkörper. Seltsam. Tut mir leid, wenn ich ab und zu drüber gelaufen bin.

Ich selbst habe die Vergammelung mitunter auf die Witterung geschoben und eben nicht auf allzu hohe Ollies von ein paar wenigen Skatern, für die das eh nicht der optimale Spot ist. Mir ist da außerdem noch zur keiner Uhrzeit ein Lichtbandschänder über den Weg gelaufen, wahrscheinlich verstecken die sich vor mir, weil sie wissen, dass ich Stuttgarts Antwort auf Maik Franz bin und sie wegvandalisieren würde.

Außerdem kann ich mir ehrlich gesagt gerade nicht die Kraft ausmalen, die man aufbringen muss, um derartiges Glas kaputtzumachen. Hat aber nichts zu heißen. Wenn man etwas kaputt machen will, was natürlich absolut nicht cool ist, schafft man das auch. So wie ich heute morgen die Ingwer-Knolle.

Wenn ich mich recht erinnere, waren die Platten von Anfang an nicht ganz koscher und schon bald nach dem Einbau traten recht schnell Sprünge auf. Ganz ohne Zerstörungswut. War schon bisschen ein Drama damals. Aber vielleicht ist auch nur Artur Boka zu oft mit seinem Ferrari vom Oggi zum Waranga drüber gebrettert. Nur Vandalen in dieser Stadt.

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43 Comments

  1. says: Heslach Buddah

    das sind die ganzen klein-kids der hippen gesellschaft, die hier gerne samstags und sonntags flanieren gehen. von daher: kids-verbot auf dem kleinen schlossplatz oder leinenzwang ;).

    alternativ:

    eventuell sind es die djs vom waranga, die morgens mit ner pulle sprit an den kleinen stegen stoplern und ruck-zuck hat die wodkaflasche nen riss verursacht.

    @martin: ich hoffe du hast ein gutes alibi 😉

  2. says: martin

    stimmt, ich hab einmal zu hart meine plattentasche fallen lassen. das ist aber schon länger her. gott sei dank ist das nicht dir passiert, die wärst mit umgefallen, dann hätten wir aber nen durchbruch gehabt 🙂

    sposs!

  3. says: Kizilgerdan

    Ich bekenne mich schuldig. Ich war es – ganz allein. Erst neulich bin ich einfach über die Lichtbahn gelaufen und rief: Sieh nicht in das Licht!
    Man nennt mich auch den esoterischen Vandalen.

  4. says: sascha

    war schon seit jeher eine fehlkonstruktion, oder? die stopper zwischen den scheiben waren nach meiner erinnerung auch nicht von anfang an da, oder? wurden gegen die bösen skater nachgrüstet.

  5. says: MCBuhl

    Den Satz des Bürgermeisters Thürnau habe ich auch 2x lesen müssen. Ich mein: Hallo??
    Soll’n se die Dinger doch so lassen wie’s is, oder?

  6. says: skp

    egal. der antivandalistische schutzwall muss her. damit solche lichtbanausen wie du und diese restliche stadtgesellschaft, die raum einfach nicht so nutzen will, wie sie das gefälligst soll, diese errungenschaft schwäbischer stadtplanung nicht weiter gefährden.

  7. says: EMPP

    das band sah ziemlich schnell sehr abgeritten aus. ich dachte immer das wird auch das rollsplitt auf dem platz gewesen sein das die leute dann beim laufen über die scheiben geschreddelt haben. ich bin für diamantglas!

  8. says: westernbasti

    skandal! glas das verkratzt und risse bekommt! unglaublich! wer hätte das denn ahnen können? die armen architekten können einem wirklich leid tun

  9. says: pg

    Äh, da is ja auf einer Seite auch ne Treppe .. das heißt doch, dass man drüberlaufen darf, oder!? Allerdings: So ganz sicher kam mir das auch nie vor. Vorallem bei Regen … Egal, Glasbausteine mit LED-Beleuchtung sind sicher viel unempfindlicher 🙂

  10. says: Vit

    Ich will auch als Baunternehmer für die Stadt tätig werden … 1,4 Mille … what tha fuck … is doch nur stärkeres Milchglas mit a bissle licht.

  11. says: bernd

    stuttgart´s gefürchtetes vandalismus-duo: „ram“ alias maik franz „der nach-treter“ zusammen mit „bud spencer“ aka „fünf fäuste adi“ da freut man sich doch auf nen gepflegten Samstag abend 😀

  12. says: Frau Doktor

    Ich meine auch, dass die Metalltrenner da anfangs nicht waren. Außerdem war das wirklich durchsichtiges Glas, zwar sehr dick, aber man konnte vom Museum aus nach oben schauen. Nach einem Sommer mit einigen Beschwerden wegen Voyeurismus wurde das Glas dann mit dieser Sichtschutzfolie abgeklebt – und von da an ging es mit der Schönheit immer weiter bergab. Mit Böden im weitesten Sinne des Wortes hat die STadt rund um die Schlossplätze echt Pech: Auch die Treppen zum kleinen Schloßplatz sind in einem schlechten Zustand, anscheinend eine Mischung aus Pfusch beim Bau und der falschen Materialauswahl. Und dann die Pflasterung der Königstraße! Ich frag‘ mich da immer, wie es eigentlich die alten Römer geschafft haben, ihre Straßen so zu pflastern, dass man auf denen heute noch (soweit vorhanden natürlich) ziemlich gut laufen und fahren kann, ohne ständig über aufragende Kanten zu stolpern. Pflastern ist doch nicht Quantenphysik – oder doch?

  13. says: Bine

    Die Metallstopper in der Mitte waren meiner Meinung nach von Anfang an da. Bin auch jedesmal direkt neben diesen Teilen über die Glasscheiben flaniert, immer der Gefahr bewusst, dass sie in der Mitte der Fläche schneller durchbrechen als direkt an der Eisenkante. Zur Not hätte man sich dann noch schnell auf den Edelstahlträger retten können…

  14. says: Ni Na

    Hab heute morgen den Artikel auch gelesen und würg anfälle bekommen als ich das rendering des geplanten zukünftigen lichtbands gesehen hab..
    bunte LED glasbausteine???
    geht gar nich!!
    hätten se mich mal gefragt ich hätt das was schöneres hingeplant.. vorallem für 1,4 mille…

    ah und by the way: die schienen waren nicht von anfang an.. wegen rutschgefahr dann aber ziemlich schnell angebracht worden.. und wahrscheinlich auch wegen der bösen bösen skater..

  15. says: Nah

    Haja, kam wahrscheinlich scheiße zu sagen dass mer 1,4 Mio ausgeben muss, weil Glas besser in Fenstern als aufm Boden geeignet ist. Konnte man erstens ja net ahnen und zweites isch jetzt die Katz der Bom scho nuff 😉

  16. says: max

    1,4 Mille!?!?!?!?!? WTF. Nochmal….WTF. Ich dachte Hamburg gehts gut, aber Stuttgart schießt den Vogel ab. Für 1,4 Millionen macht Wowereit in Berlin Klar Schiff und schafft die Kertwende.

  17. says: Normann

    Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen:

    1,4 Mio´s für die Reparatur!!! Währenddessen sind in etlichen Schulen Stuttgarts die Toiletten dermaßen beschädigt oder verkackt, dass viele Kinder sich den Gang auf´s Klo „ersparen“. Kann man eigentlich diesen Honks von Gemeinderäten nicht auch ne Mithaftung aufbürden? Das Ding war von Anfang an ne Fehlplanung, aber gut: fremdes Geld auszugeben hat schon immer viel Spaß gemacht.

  18. says: Moritz

    Ein Platz der an den verschiedensten Stellen Risse und Absenkungen aufweist. Eine Freitreppe die im vergangenen Jahr gesperrt werden musste da sie sich um mehrere Zentimeter abgesenkt hatte. Ein recht neues Gebäude das unerklärliche Risse in den Scheiben bekommt die laut Gutachten ohne äußere Gewalteinwirkung sondern vielmehr durch Bewegung entstanden sind. Und am Ende waren es dann 40 Kilo schwere Skateboarder und nicht unbedingt schwerere Frauen in High Heels.
    Ach so, und nicht zu vergessen die Caterer und Zulieferer welche jeden Tag mit Ketten- und Geländefahrzeugen die Abkürzung übers Lichtband nehmen.

  19. says: robson

    Seit wann skatet denn der Calli? Scheint mal wieder so ne Spitzenleistung vom Architekten zu sein. Ich sehe Ähnliches vor mir, sollten die Bullaugen für S21 in der geplanten Form gebaut werden. Kamen am Berliner Hauptbahnhof nach einem halben Jahr nicht auch Scheiben runtergehagelt? Glasbau ist halt was für Checker.

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