Röhre 21

Hätte ich eigentlich erstmal für mich behalten sollen, sagte mir Peter Reinhardt am Freitag im Schlesinger. Reinhardt ist einer der Röhre-Chefs, neben Nanno Smeets und Jan Drusche. Das Climax betreibt er auch und seit ich ausgehen darf, hänge ich in seinen Läden rum. Der Mann ist sowas wie der Karlheinz Ratzer des Nachtlebens. Macht keinen Dicken, sondern einfach nur leidenschaftlich und etwas knurrig seinen Job.

Nachdem das heute aber eh in Joe Bauers Kolumne steht, sag ich jetzt auch was:

Den Machern der  Röhre, einer von Stuttgarts sinnvollsten Tunnels, wurde zum 31.12.2010 die Mieterschaft gekündigt – wegen Stuttgart 21. Über dessen tieferen Sinn erst noch diskutiert werden sollte.

Weil das Kündigungsschreiben allerdings erst einen Tag nach Quartalsende bei den Röhre-Machern ankam, gibt’s eventuell noch drei Monate obendrauf. Bei über 20 Jahren, die Reinhardt, Drusche und später auch Smeets den Laden betrieben haben, ist das allerdings ein Furz.

Seit Jahren konnten die eh nur mäßig planen, weil ihr Mietvertrag wegen den drohenden Bauarbeiten zu Stuttgart 21 nur quartalsmäßig verlängert wurde. Dies erklärt übrigens auch den beispielsweise desolaten Zustand der Toiletten im Laden. Nur ein professioneller Trottel würde ja seine Wohnung renovieren, wenn er Tags drauf rausgeschmissen werden könnte.

Weit beschissener ist allerdings der Stil der Kündigung: Auf den letztmöglichen Drücker, schickes Amtsdeutsch, kein „Danke für die langjährige Zusammenarbeit“, nur ein schicker Zusatzvermerk: Ersatz gibt’s keinen für Sie. Liest sich wie: „Hau endlich ab und ruf mich bloß nie wieder an. P.S.: Fickt euch.“

Kommt wahrscheinlich nur mäßig an, wenn der Vermieter das Liegenschaftsamt der Stadt ist und seit Wochen Robin Wood-Leute und aktive Parkschützer immer wieder Unterschlupf in der Röhre fanden – zum Kleidungtrocknen, Pimpen, Aufwärmen und Tränengasausdenaugenwaschen.  Ist aber – glaube ich – demokratisch, äh, neues Lieblingswort: „legitimiert“.

Ich will jetzt auch gar nicht über kulturelle Wichtigkeit, die geilen Konzert, die Partys und Co. schwadronieren. Auch nicht davon, dass die Röhre einer der legendären deutschen Liveclubs ist. Ich bin einfach nur ein bisschen sauer. Okay, ziemlich sauer. Verdammt sauer.

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63 Comments

  1. says: Thorsten W.

    Ich komm mir heute irgendwie bissle außen vor vor… alle drei Nachrichten des Tages – Sade kommt, Trainer geht, Röhre schließt – interessieren mich ehrlich gesagt nur sehr am Rande…

  2. says: TG

    oh Mann, wieder ein Stück des Stuttgarts weg, wegen dem ich damals hergezogen bin…Müsli, Radio Bar, Berlin, Switzerland, Paul’s Boutique, Prag…und wo bleiben die legitimen Nachfolger? Außdem der Suite ist da nicht viel

  3. says: Mikato

    ähnelt dem Abriss des M1 Ladens. Bis die Baumassnahmen soweit gehen dass man den Vorplatz nicht mehr begehen kann müssen doch noch noch Jahre vergehen! Ach herrjeh! 🙁

  4. says: martin

    „Seit Jahren konnten die eh nur mäßig planen, weil ihr Mietvertrag wegen den drohenden Bauarbeiten zu Stuttgart 21 nur quartalsmäßig verlängert wurde.“

    das definitive ende stimmt halt eben einige leute traurig.

  5. says: Bambus

    Da bleibt nur zu hoffen, dass es irgendwann Ersatz gibt!
    Weiß jemand vielleicht schon was über neue Projekte?
    Die Waggonleute sind ja anscheinend schwer auf der Suche!

  6. says: Mikato

    copy aus facebook,sieht halt doch sehr nach einer politischen Entscheidung aus:

    so hier: schaut unter bauphase 1 und 3 (abschnitt 25 müßte die röhre sein) bis juli 2012 sollen hier gruben entstehen wegen dem grundwasserding oder habe ich das falsch verstanden? soweit ich weiß, hat das H7 bis sommer 2012 ne verlängerung bekommen. deshalb verstehe ich das nicht ganz, weil der bereich um das rocker herum auch in bauphase 3 betroffen ist: http://www.das-neue-herz-europas.de/das_bahnprojekt/neue_bahnhoefe/hauptbahnhof_stuttgart/bauphasen/default.aspx

    @Busy, ich weiss ja wo er wohnt und hab noch seine Festnetznummer! 😉

  7. says: TKZizzla

    also das sind echt sehr traurige news!!

    Die röhre ist für mich eine wichtige institution gewesen. zunächst als teenager, wo man dann mit 18 von kaff nach stuttgart gefahren ist um dort endlich mal „seine“ musik live hören zu können. für mich war das damals ein extremes erlebniss das erst mal in der röhre….zu la saga oder triade oder irgendeine dieser reihen. als genereller rookie im nachtleben war das alles extrem spannend: diese location, alter tunnel, tags, sticker, großstadtkids mit ihrem style, die ganze ansammlung von subkultur. dann kam man endlich am türsteher vorbei und ging duch diesen langen kargen beton gang und am ende hörte man schon dumpf den bass pumpen…..dann der eintritt in den saal, ohrenbeteubender sound, die ganzen kids am durchdrehen…das war echt ein prägender augenblick.

    später dann als regemäßiger gast und auch als act war mir die röhre immer ein gutes zuhause…und wenn wir 1x im jahr für die u-turn gebucht wurden und von nanno und heidi freundlich empfangen wurden und uboote tranken usw…dann was das auch sehr „heimelig“.

    Highlights waren neben o.g reihen und diverse Rap Konzerten, später dann das legendäre Anthony B Konzert und erst vor kurtzem GWAR…. warsch würden mir noch 100 andere einfallen.

    die röhre ist für mich aus dem nachtleben nicht wegzudeneken, ersatz in dem sinne wird es keinen geben. es stirbt ein weitees original, wie radiobar, prag, usw…leider kommt kaum gutes nach – und 22 simmer halt auch nicht mehr

    hoffe dennoch, das nanno und crew eine neue location finden und weitermachen.

    Danke für die unzähligen tollen Erlebnisse!

  8. says: Joris

    So ein shit. Ich weiß ja schon lange, dass das ansteht, aber ein Datum vorgesetzt zu bekommen ist schon hart.
    Die Röre und vor allem die U-Turn, Tycoon, La Saga und Vendetta Parties haben mich begleitet, seit ich feiern gehe.
    Ich kann nicht zählen wie viele viel zu lange Nächte ich dort verbracht habe.
    Noch ein Grund weiter auf die Straße zu gehen.

  9. says: Sacha

    Das leidvolle an der Geschichte ist doch die viel grössere Wahrheit. Stuttgart hat bis dato von S21 profitiert. Und zwar indem seitens der Stadt mehr toleriert wurde als es sonst im bitze butze schicki micki Stuttgart vermutlich möglich wäre. Vielleicht trifft das noch am wenigsten auf die Röhre zu, da hinterm Gebüsch wo’s eh keiner sieht 😉 Aber Waggons, Wagenhallen, Landespavillion und Rocker sind alle Geburten des sleben Gedankens: „Lässet me se halt mal, am Schluss kommts mit S21 eh weg“ . Ich spreche mich jetzt nicht für oder gegen BlaBlabla21 aus – sondern denke nur, dass sich egal wie es ausgeht sich grundlegend am Stock-Im-Arsch Stuttgart nichts ändern wird und wir nur ne gute Zeit hatten.

  10. says: vanDamme

    Sommer 1991: Overkill mit Anvil zusammen in der Röhre brachten mich für die Dauer von ca. 10 Jahren zum Thrash Metal! Da geht wohl ein Stück persönliche Geschichte für ganz, ganz viele Natural Born Stuttgarter verloren! Selbst die Toiletten sind da Nebensache …

  11. says: Sebert

    Der Landespavillion muß ja früher oder später auch gehen. Langsam gehen die stadtnahen Locations aus in denen man noch Liverabatz veranstalten kann !

    Sehr sehr schade !

  12. says: derkurt

    rocker zu, röhre zu, wagenhallen zu. wieso nicht gleich noch porschearena, schleyerhalle und liederhalle mit abreißen? wenn man schonmal dabei ist? gibt doch sicher irgendeinen demokratisch legitimierten grund dafür oder?

  13. says: kutmaster

    Die Wagenhallen bleiben glaub und die Waggons wohl noch ein paar Jahre.
    Ich wäre allerdings dafür das bescheuerte SI-Centrum sofort abzureissen und dafür einen Kartoffelacker anzulegen.

  14. says: Dirty Dom

    Tja Thorsten, spricht nicht gerade für Dein Kulturverständnis, wenn Du schreibst, daß es Dir egal ist, wenn ein Laden wie die Röhre, der wahrscheinlich mehr für die musikalische Entwicklung vieler Mittdreissiger hier in der Stadt getan hat, als all Deine abgekulteten Electrotempel zusammen,schließen muss. Hang your head in shame oder nimm ein bisschen Nachhilfe bei Eurem Mann Setzer!

  15. says: martin

    gut, das ist glaub auch immer noch etwas geschmackssache oder? für die einen ist die röhre ein wichtiges wohnzimmer gewesen und gerade für die live-szene ein wichtiger laden in der stadt, für die anderen eben mehr das oz, tier etc. da brauch man sich auch nicht schämen und nachhilfe nehmen.

  16. says: Thorsten W.

    @Dirty: Ich glaub ich hab kein Problem mit meinem Kulturverständnis. Ich seh sowas grundsätzlich etwas emotionsloser, auch wenn mich die Schließung anderer Läden, die sicher genau so viel zur musikalischen Entwicklung meiner Altersgenossen beigetragen haben, mehr betroffen hat.

    Aber man muss ganz nüchtern bei allen Läden einfach auch sehen, dass das von Leuten gemacht wird, die sicher was zur Kultur beitragen wollen, die unterm Strich aber einfach auch Geld damit verdienen wollen oder müssen.

    Und dass es in Stuttgart einfach schon immer so war, dass Läden schließen und neue Läden aufmachen, und dass das die Stuttgarter Kulturszene prägt.

  17. says: Dirty Dom

    @Thorsten: Sicherlich ist das alles Geschmackssache, und das Läden öffnen & schliessen ist der Lauf des Lebens. Dennoch blutet mir ob Deiner Emotionslosigkeit (bestimmt bedingt durch das Auflegen zuviel elektronischer Musik, der fehlt ja meistens auch die Seele-sorry, aber die Provokation musste sein:-) ein wenig das Herz. Aber jedem das Seine. Sollte Deine geliebte Suite einmal der Abrissbirne zum Opfer fallen, dann wird hier wahrscheinlich ne meterlange Traueranzeige zu lesen sein.

  18. says: martin

    der thorsten legt relativ wenig elektronische musik auf, sondern eher „schwarze musik“, und falls mal die suite schließen sollte, was gewiss sehr schade wäre, gibt es sicherlich auch keine meterlange traueranzeige, weil sich, wie schon gesagt, wohl sicherlich auch wieder was neues auftun würde.

    ist doch auch ganz einfach hier: der setzer trauert, siehe eintrag oben, der thorsten eben nicht so. alles am start, deswegen haben wir ja unterschiedliche autoren.

    wollen wir hoffen, dass auch für die röhre wieder ein törchen aufgeht, obwohl man das ja erstmal nicht glauben mag.

  19. says: Thorsten W.

    @Dirty Dom: Du scheinst mich ja nicht besonders gut zu kennen, was mich irgendwie beruhigt – aber es ehrt mich dass Dir ob meiner Emotionslosigkeit das Herz blutet 🙂

    Wie Du sagst – es ist Geschmacksache. Um der Röhre hinterherzutrauern haben wir den Setzer, ich würde vielleicht wirklich der Suite hinterhertrauern, der Ram vielleicht dem Penthouse. Wir haben aus der Subjektivität dieses Blogs jedenfalls nie einen Hehl gemacht…

  20. says: setzer

    The Man in Black. Kulturverwöhnter Berufstrauerer.

    Und „heh!“: Ich hab fast nix gegen die Suite … außer dass einer der Türmänner mich mal nicht reinlassen wollte und über mein schneidiges Metaller-T-Shirt sagte: „So was trägt man hier normalerweise nicht“. Musste erst RAM durch die Scheibe zuwinken, dass ich reindurfte.

    Penthouse ist auch super. Ich geh da aber nicht mehr rein, weil ich befürchte, dass es doch ein UFO ist und plötzlich abheben könnte wenn ich gerade drin bin. Zu gefährlich.

  21. says: vic.leo

    also das mit der reparatur der toilette und den zusammenhang hab ich jetzt nicht kapiert 😉
    hey mann leute – die toilette in der röhre war schon immer die beschissenste in stuttgart…
    aber trotzdem schade das sie wegkommt

  22. says: Cabura

    Ich sag nur
    Reggae Disko Freitags
    Pharcyde mehrmals
    1.Kolchose Konzert – breite seite, Kinderzimmer Productions. Freundeskreis, der Tobi und das Bo,

    Unzählige Vendettas

    Die Krone: Konzert von DasEFX – mit Fugees (Boof Baf) noch vor the Score und Rodelheim Hartreim Projekt als Vorgruppe –

    Wenn man noch nachgräbt kommt noch mehr aus der Erinnerung.

  23. says: dirk

    Im SI-Centrum gibt es wenigstens brauchbare Kultur. Im Gegensatz zur Röhre, wo 90% der Veranstaltungen darin bestehen, dass Pubertäre Lärm machen. Aber each to his own. Man sieht ja, wer letztlich gewinnt.

  24. says: westernbasti

    also das klo in der röhre ist gemessen am alter nach wie vor jet-set im vergleich zum rocker, der schräglage, stereo… etc.könnte schöner sein, aber aber es gibt schlimmeres (in stuggi!)

  25. says: westernbasti

    also ich mache mir bei dirk wesentlich mehr sorgen um sein kulturverständnis als bei thorsten…. aber so nen abba-musical ist auch ne echte bereicherung und halt vor allem ein paradebeispiel für lokale kultur…NOT!

    edit: hast wohl auch nen schalltrauma, wa?!?

  26. says: Martin Sp.

    Cocktailtomaten halb schneiden, 1 EL Olivenöl in der Pfanne erhitzen, Tomaten rein und anrösten, dann raus. 2 EL Olivenöl in Pfanne rein, 1 gewürfelte Zwiebel darin glasig dünsten. 1 Knofi-Zehe reinpressen, 1 Dose Tomatenmark dazu, in Mehl anschwitzen, 1 Packung Sahne drüber, mit Salz, Pfeffer, Kräutern nach Wahl (aber Basilikum muss rein!) abschmecken. Wem’s zu dick ist noch ein Schuß Milch rein. Tomaten wieder rein, köcheln lassen, geilste Tomaten-Sahne-Soße der Welt ist feddisch. Und entweder drauf auf die nebenbei abgekochten Nudeln.

    Oder nebenbei Gnocchi aus dem Kühlregal kochen, dann rein in die Auflaufform, mit der Soße und gewürfeltem Mozzarella mischen, Reibekase drüber, 20 bis 30 Minuten bei 200 Grad in die Röhre (also Backofen diesmal).

    Das ist Kochen. Mahlzeit! Ich hab jetzt Hunger. Mist.

    Achja, Schinkenwürfel und/oder Champignons nach Wahl.

  27. says: Martin Sp.

    Ist ja nur ein bißchen Mehl, um das Tomatenmark darin anzuschwitzen. Lasst es halt weg 🙂

    Gab es übrigens gestern wieder. Die überbackene Version, ohne Mozzarella, weil wir vergessen haben den zu kaufen.

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