52 Albums/27: Massive Attack – Mezzanine

Eines vorweg: Ich hab von Musik überhaupt keine Ahnung. Mir sind Musikjournalisten zuwider, die mir erklären wollen, was gute und was schlechte Musik ist.
Mein Zugang zur Musik ist viel naiver – entweder sie gefällt mir, oder sie gefällt mir nicht. Auch bin ich so charakterlos, dass mich selbst gute Freunde als Musikhure bezeichnen. Wenn ichs dreckig brauch, gefällt mir eine Nacht mit Ricardo Villalobos am besten. Wenn ich mich wieder wie 17 fühlen will, höre ich HipHop aus den 90ern. Und schleicht sich eine leichte Herbstdepression an, mach ich mich völlig fertig mit Leonard Cohen.
Musik-Polizisten, die sich wie Geschmacks-Nazis aufführen und mich zu ihrem Soul, ihrem Indie-Geschraddel oder – am schlimmsten – zu weinerlicher Popmusik mit deutsche Texten bekehren wollen, verabscheue ich.
Vielleicht auch aus Neid, weil diese Zeitgenossen etwas haben, was ich nicht habe: Sie leben ihre Anhängerschaft zu einer Band, zu einem Stil kompromisslos aus.
Die einzige Band, von der ich bis heute Fan geblieben bin, von der ich alle Alben habe, und die es bis heute schafft, mich emotional zu packen, ist ausgerechnet eine Konsens-Band wie Massive Attack.
Meine Liebe wurde entfacht, als ich meine ersten Schritte als Lokaljournalist wagte. Ich bin ein Land-Ei, trage Doppelkennzeichen im Herzen. Für eine Lokalzeitung durfte ich 1999-2000 über größere Konzerte aus Stuttgart oder Karlsruhe berichten, in Wort und Bild. Letzteres brachte mich in den Fotograben bei der Mezzanine-Tour von Massive Attack. Wahrscheinlich war es die räumliche Nähe zur Band, die Selbstinszenierung – wenig Licht, dezente Anzüge, der Adrenalin-Schub, während der ersten drei Lieder im Halbdunkel mit einer Scheiß-Kamera gute Bilder zu machen. Irgendwie haben sie mich gepackt an diesem Abend.
Ich mochte die Band schon davor, Blue Lines und Protection waren gute Alben, an dem Abend im Congesscentrum B war es aber um mich geschehen. Nach dem fotografischen Intermezzo nötigte mich ein Kommilitone zu einer Grastüte, danach hatte ich einen der wunderbarsten Konzertabende ever.
Wir schauten uns das Konzert von der Seite an, die Bässe drückten einen in der Magengegend ordentlich an die Wand, Robert del Naja und Grant Marshall bemühten mit ihrer Begleitband immer dasselbe Stilmittel: Man dachte, der Song sei herum, war ein wenig traurig, und plötzlich wurde das Hauptthema des Songs mit viel Bass noch einmal aufgenommen. Und zwar direkt in die Fresse.
Ich hab die Band anschließend noch dreimal live gesehen bei der Tour zu 100th Window mit einer gigantischen Lichtshow, einmal in London, einmal in Belfort und einmal in Berlin, es war jedes Mal wieder der Hit. Zwar nie mehr so gut, wie beim ersten Mal, aber immer noch besser als mit anderen.
Wie mit alten Freunden, die man schon lange nicht mehr gesehen hatte, mit dem Unterschied, dass man nicht selber für die Unterhaltung sorgen musste, sondern ganz wunderbar unterhalten wurde.
Irgendwie passt ihr düsterer Downbeat wohl nicht mehr ganz ins hier und jetzt, am 5.10. kommt aber eine neue EP raus, für Februar ist ein neues Album angekündigt. Was man auf der Website schon hören kann, haut mich im ersten Moment nicht vom Hocker. Wie das aber so ist als Fan, den Depressionisten von der Insel würde ich auch mal ein schwächeres Album verzeihen. Ich steh schließlich immer noch in ihrer Schuld – für all die unvergesslichen Stimmungen, die sie mir geschenkt haben.

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Eines vorweg: Ich hab von Musik überhaupt keine Ahnung. Mir sind Musikjournalisten zuwider, die mir mit hochgestochenen Worten erklären wollen, was gute und was schlechte Musik ist.

Mein Zugang zur Musik ist viel naiver – entweder sie berührt mich, oder sie berührt mich nicht. Auch bin ich so charakterlos, dass mich selbst gute Freunde als Musikhure bezeichnen. Wenn ichs dreckig brauch, gefällt mir eine Nacht mit Ricardo Villalobos am besten. Wenn ich mich wieder wie 17 fühlen will, höre ich HipHop aus den 90ern. Und schleicht sich eine leichte Herbstdepression an, mach ich mich völlig fertig mit Leonard Cohen.

Musik-Polizisten, die sich wie Geschmacks-Nazis aufführen und mich zu ihrem Soul, ihrem Indie-Geschraddel oder – am schlimmsten – zu weinerlicher Popmusik mit deutsche Texten bekehren wollen, verabscheue ich.

Vielleicht auch aus Neid, weil diese Zeitgenossen etwas haben, was ich nicht habe: Sie leben ihre Anhängerschaft zu einer Band, zu einem Stil kompromisslos aus.

Die einzige Band, von der ich bis heute Fan geblieben bin, von der ich alle Alben habe, und die es bis heute schafft, mich emotional zu packen, ist ausgerechnet eine Konsens-Band wie Massive Attack.

Meine Liebe wurde entfacht, als ich meine ersten Schritte als Lokaljournalist wagte. Ich bin ein Land-Ei, trage Doppelkennzeichen im Herzen. Für eine Lokalzeitung durfte ich 1999-2000 über größere Konzerte aus Stuttgart oder Karlsruhe berichten, in Wort und Bild. Letzteres brachte mich in den Fotograben bei der Mezzanine-Tour von Massive Attack. Wahrscheinlich war es die räumliche Nähe zur Band, die Selbstinszenierung – wenig Licht, dezente Anzüge, der Adrenalin-Schub, während der ersten drei Lieder im Halbdunkel mit einer Scheiß-Kamera gute Bilder zu machen. Irgendwie haben sie mich gepackt an diesem Abend.

Ich mochte die Band schon davor, Blue Lines und Protection waren gute Alben, ersteres wurde an dieser Stelle nicht umsonst als erster Teil der Serie „52 Alben“ besprochen. An besagtem Abend im Congesscentrum B war es aber um mich geschehen. Nach dem fotografischen Intermezzo nötigte mich ein Kommilitone zu einer ordentlichen Tüte Gras, danach hatte ich einen der wunderbarsten Konzertabende ever.

Wir schauten uns das Konzert von der Seite an, die Bässe drückten einen in der Magengegend ordentlich an die Wand, Robert del Naja und Grant Marshall bemühten mit ihrer Begleitband immer dasselbe Stilmittel: Man dachte, der Song sei herum, war ein wenig traurig, und plötzlich wurde das Hauptthema des Songs mit viel Bass noch einmal aufgenommen. Und zwar direkt in die Fresse.

Ich hab die Band anschließend noch dreimal live gesehen bei der Tour zu 100th Window mit einer gigantischen Lichtshow, einmal in London, einmal in Belfort und einmal in Berlin, es war jedes Mal wieder der Hit. Zwar nie mehr so gut, wie beim ersten Mal, aber immer noch besser als mit anderen.

Wie mit alten Freunden, die man schon lange nicht mehr gesehen hatte, mit dem Unterschied, dass man nicht selber für die Unterhaltung sorgen musste, sondern ganz wunderbar unterhalten wurde.

Irgendwie passt ihr düsterer Downbeat wohl nicht mehr ganz ins hier und jetzt, am 5.10. kommt aber eine neue EP raus, für Februar ist ein neues Album angekündigt. Was man auf der Website schon hören kann, gefällt mir schon wieder sehr gut. Wie das aber so ist als Fan, objektiv bin ich auf keinen Fall und den Depressionisten von der Insel würde ich auch mal ein schwächeres Album verzeihen. Ich steh schließlich immer noch in ihrer Schuld – für all die Stimmungen und Abende, die sie mir geschenkt haben.

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14 Comments

  1. says: Vit

    Oh ja, das sind auch für mich legendäre Konzerte – habe die Tour in Böblingen, Stuttgart und Prag gesehen. Wobei am intensisvsten war es in Böblingen. Da hatte man das Gefühl die Leute wissen gar nicht wie ihnen geschieht – irgendwie eine Stimmung zwischen ungläubigem Staunen und Extase – so blöd sich das auch anhört. Stuttgart war auch der Hammer, aber da wussten die meisten schon was auf sie zukommt. Unfassbar war der Bass bei „Exchange“ – der fing irgendwie am Knöchel an und arbeitete sich bis in die Haarspitzen hoch – selten Musik so körperlich erlebt wie bei den Konzerten. Schade dass sie das Niveau die Jahre danach nicht halten konnten – ist aber auch schier unmöglich…

  2. @ Vit: Deine Beschreibung trifft es am besten: Bässe hatte ich noch nie so körperlich gespürt. Hatte auch den Eindruck, dass es dem Publikum ähnlich ging und es irgendwie komplett vor den Kopf gestossen war. Musikalisch konnten sie das Niveau nicht halten, in Sachen Live-Show find ich sie aber nach wie vor groß mit ihrem ganzen Video-Installations- und Licht-Zauber.

  3. says: Waschl

    Kenne Massive Attack erst seit gut einem Jahr gut, aber seitdem haben sie sich einen Platz in den Top Ten erobert. Das Album Mezzanine ist ihr bestes, schon wie es anfängt…. Gänsehautfeeling 🙂

  4. says: frico

    Die Songs die ich vom neuen Album bemustert bekommen habe sind wirklich sehr gut. Habe das gefühl sie haben ihre alte Form wieder gefunden.
    Ich glaube auch gelessen zu haben das sie wieder in alter Besetzung am Start sind…daran mag’s wohl auch liegen.

  5. says: strax

    ich finde massive attack acuh genial. die songs berühren einen einfach. liegt vielleicht auch daran, dass ich damit sehr viele erinnerungen verbinde…und das obwohl ich erst 18 bin^^

  6. @ Frico: Ich sehs genau so, die Sachen, die man sich online anhören kann, sind teilweise richtig gut, freu mich super auf das Album. Der Massive-Attack-Blog ist übrigens auch nicht übel: massiveattack.com/blog

  7. says: Thorsten W.

    Ich bin natürlich auch voll dabei – wie der Reportert erwähnt hat war das erste MA Album ja mit voller Absicht das erste in dieser Reihe. Übrigens ist auch das Dub-Remix-Album „No Protection“ ein Meisterwerk. Und ich kaufe auch jedes neue MA-Album, egal wie viel gelästert wird – ich bin gespannt auf die neuen Sachen…

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