Urban Outfitters: Der dreidimensionale Blog der Nullerjahre

Verändern Blogs (doch) die Welt? Hierzu hat sich meine Meinung, wie schon einmal in einer unserer re.flect-Kolumnen dargelegt, prinzipiell nicht geändert. Nein, tun sie nicht. Also die meisten nicht. Wir sind alle mehr oder weniger kleine Post-Its im Internet, wie damals geschrieben.

Einige können sicherlich etwas bewegen, dienen z.B., wie ebenfalls geschrieben, vielleicht als wichtiger Informationskanal in Ländern, wo es mit der Pressefreiheit nicht allzu weit her ist.

Andere wiederum, z.B. die Musikblogs, nehmen zwar etwas Einfluss auf Geschmäcker, aber letztendlich nicht in dem Ausmaß wie z.B. MTV vor Urzeiten, der gute alte Dieter-Thomas Heck vor Urururzeiten oder Mainstream-Radiosender. Ist natürlich leicht abhängig davon wo man ist, aber grob gesagt kommt auf 10 Sexy Bitch-Wünsche maximal einmal Bloody Beetroots.

Wie auch immer, während meines Hamburg-Trips war ich in zwei bzw. drei Läden, zwar natürlich auch nur ein klitzekleiner Auszug des gesamten Modeangebots, aber in denen dachte ich mir, die Summe aller Fashion-vor-dem-(Kinderzimmer)-Spiegel-knipsen-Blogs kann doch ne Macht sein.

Zunächst sind das, bis auf ein paar Ausnahmen, die kleinsten Online-Lichter überhaupt. Viele verbuchen wahrscheinlich gerade mal zwei Leser am Tag, auf so manchem Schulhof bekommt man sicherlich mehr Aufmerksamkeit mit seinem neuen Outfit, aber gemeinsam sind sie scheinbar stark. Hat sich zumindest so angefühlt.

Das ist mir zum einen im Urban Outfitters aufgefallen, bei früheren Amerika-Besuchen eigentlich ein geschätzter Laden, aber letztes Jahr in Kalifornien war schon eine negative Richtung abzusehen. Also negativ für mich zumindest. Anders gesagt: 2007 hätte ich den halben Laden leer kaufen können, 2009 bin ich aus diversen Shops im Sonnenstaat unglücklich rausgelaufen. Not my style.

In Hamburg war das nicht anders. Bloss dort stellte sich ein weiterer Effekt ein. Ich dachte mir, ich steh im dreidimensionalen Blog. Kennt ihr die Dave Chapelle-Folge, in welcher er das Internet besucht? So ähnlich kam ich mir vor.

Prominent lag die Musik aus, die auf unzähligen Tagebüchern in den Himmel gelobt wurde (z.B. Beach House „Teen Dream“), im Angebot waren die Bildbände von Banksy, der Liebling von Milliarden WordPress-Blogspot-Tapeten, und es gab natürlich tonnenweise vor-dem-Spiegel-abfotografier-Teile, also unförmige Schnitte, seltsame Prints; komisches Zeug einfach, wie man es auf vielen dieser Blogs sehen kann. Oder ich bin halt einfach net so Fashion, gell. Und, fast vergessen, ein Ständer mit Fensterglasbrillen darf natürlich auch nicht fehlen. Im Jahr 2010.

Noch geiler war es zuvor in einem Laden namens Monki. Ebenfalls ein realer Blog. Quietschbunt. Da sah es so aus.

Augenkrebs. One more?

Die wenigen Kunden, die an diesem Montag da waren, waren dem Anschein nach Fashionblogger, frotzelten wir zumindest.

Monki ist wie der Nachbarladen Weekday ein H&M-Ableger. Ich weiß nicht wie das gängige H&M-Sortiment aussieht, aber ich habe selten so hässlichen Schrott auf einem Haufen gesehen wie im Monki und Weekday, wo ich wiederum noch nie so viele  Cheap Monday Jeans in unzähligen bis fast schon widerlichen Waschungen gesehen habe.

Das Ding ist übrigens XS für Damen.

Für das Jäckle war sogar Rainer Calmund zu dünn. XS, gell.

Letztendlich ist es egal, wie ich das finde, weil eben Geschmack blablala. Viel wichtiger bzw, interessanter finde ich, dass es scheinbar zwischen Fashion-Blogs und wohl so manchen Einkäufern/Designern von Labels/Shops zu einem Rückkopplungseffekt gekommen ist.

Einige wenige Blogger sind medial sicherlich schon länger eine Macht, sitzen in Paris in der ersten Reihe, aber dass sich das auch schon auf so manches Sortiment auswirkt, hätte ich nicht gedacht.

Man kann natürlich sagen, das ist halt gerade – mitunter – die Mode! Natürlich geben die Designer eine Richtung vor, aber die wiederum stehen  ja auch unter gewissen Einflüssen und lassen sich von verschiedenen Dingen inspirieren. Sprich scrollen die jeden Tag seitenweise Selbstknipser-Blogs durch und gestalten danach mitunter ihre Kollektionen?

Das ist wie gesagt nur ein klitzekleiner Auszug des gesamten Angebots, aber vielleicht werden sich dadurch noch eines Tages noch mehr von leiten lassen.

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21 Comments

  1. says: LuisL

    Zu Weekday gehe ich jedes mal wenn ich in Hamburg bin, zwar 90% Müll, aber die größte Cheap Monday Auswahl die ich in Deutschland gefunden hab.
    Vorallem wenn Sale ist, gibt es Hosen für 5-7 Euro, da kann man nichts sagen.

    Weekday und Monki gehören zum Cheap Monday Kollektiv und wurden von H&M aufgekauft.

  2. says: julia

    hab mir ein shirt im monki gekauft, aber noch vor dem bezahlen dacht ich mir, dass ich es wohl nie anziehen werde… mal abwarten.

  3. says: Volker

    Wirste alt?
    Mir geht es jedenfalls so, dass ich die aktuellen Trends nicht mehr verstehe und auch nicht mitmachen will.
    Ich sag nur : „Nein, der nette, ältere Herr möchte keine Röhrenjeans, die schon Löcher hat, sandgestrahlt wurde und ein Bagger mehrmals drüber gefahren ist.“

  4. says: Cassius

    Nicht böse gemeint, aber ich verstehe das Problem nicht… Da gibt’s halt jetzt ein paar Trends, die Ihr nicht mögt (und ich wahrscheinlich nicht mal kenne), aber Selbstknipser-Blogs werden dann in ein, zwei Jahren auch wieder Sachen bringen, die hier besser ankommen.

  5. says: Tobi Tobsen

    alter, wenn ich ne frau wäre bestände mein halber keiderschrank aus monki! und weekday ist doch eigentlich auch n killer shop?! gut, wie der in hh ist weiss ich jetzt nicht aber arg viel anders als der ur-shop in stockholm wird er ja nicht gerade sein…

  6. says: martin

    cassius, letztendlich geht es um eine beobachtung wie sich so ein bisschen digitales ins reelle leben überträgt. und selbstknipser blogs sind garantiert keine orientierung für uns 😉

  7. says: Tobi Tobsen

    selbst die vogue bekommt langsam schiss vor den ganzen, kleinen bloggern! die jungs und mädels haben schon krassen einfluss und ich denke, dass sich das immer mehr durchsetzen wird. ist halt immer up to date und oft sind sachen dabei, die sich (fast) jeder leisten kann – nicht so wie in hochglanz magazinen…

  8. says: Thorsten W.

    Ich glaube nicht an den großen Einfluss der Modeblogs bzw. nicht in dem Sinn, dass sie den großen Magazinen was abgraben. Ich mein – wer ist schon so blöd und kauft die 800 Euro-Schühchen, die in der Vogue vorgestellt werden? Kein Trend wurde doch je von einem Modemagazin gemacht… Die Marken gucken auf die Straße was die jungen Leute anhaben, zeigen es dann auf ihren Schauen und die Magazine schreiben drüber. Und Lieschen Müller und Tina Neureich kaufen dann den Schrott und denken sie wären hipp, während die wirklich „trendy“ Leute schon lange wieder auf nem anderen Style sind… Die Modeblogs machen höchstens das Trendscouting für die Marken einfacher… Und werden Modeblogs, die neue „Trends“ von Marken mit PR-Bildern bringen wirklich ernstgenommen?

    Interessant finde ich dabei, und das auch schon länger als es Modeblogs gibt, dass Ketten wie H&M viel schneller auf die Trends „von der Straße“ reagieren können als die großen Marken – weil die Marken ähnlich altmodisch arbeiten wie Plattenfirmen und auf ihren Frühjahrs- und Herbst-Verkaufsmessen ihr Zeug erst mal den Einkäufern der Läden andrehen müssen. H&M entwirft das zeug einfach und drückt es in die eigenen Läden… Bestes Beispiel mein Lieblingsladen Topshop: Keine (große) Marke kann da an Aktualität mithalten… meiner Meinung nach.

  9. says: Busyicer

    “ Mormor (aka Boomin‘ Granny) Dienstag, 4. Mai 2010 um 16:15

    … und wenn du die Kunden in den Läden fragst, was ihr Style ist, antwortet jeder “Wie Style? Was Mode? Ich bin doch total individuell gekleidet” 🙂 “

    FIXED! perfekt getroffen! drei daumen hoch!

  10. says: julia

    @mormor: auch von mir ein fettes WORD!

    @franzi: gute idee, vielleicht krieg ich dann noch das 3fache dafür, weils hier kein monki gibt und alle die stuttgarter fashionbloggerinnen auch dort sind 😉

  11. says: Tobi

    Da ich beruflich ganz schön in diesem „Phänomen“ hänge – hier ein paar meiner Gedanken dazu:
    Blogs – besonders Fashion Blogs – bekommen daher eine solche Rolle zugeteilt, da sie als Mund zu Mund Propaganda fungieren. Schon früher wurde auf dem Jahrmarkt bei dem gekauft der am lautesten Schrie und wer die besten Empfehlungen von Freunden und Nachbarn bekam.
    Das ist heute nicht anders.
    Fashion, Design, Produkte, Filme, etc. werden eben zum großen Teil auf Empfehlungen und Tipps gekauft. 95 % aller User informieren sich im Internet vor einem Kauf.
    Fashion Blogs fungieren hier als „Real-Zeiterscheinungsbörsen“. Orientierungslose Menschen informieren sich darüber was andere so tragen, gut finden oder lassen sich einfach inspirieren.
    Da den klassischen Verlagen schon lange nicht mehr einfällt als Modestrecken zu schießen, VIP Vorbilder abzubilden – und auch ihre Online Adaptionen nicht User- und Content- orientiert sind – dazu noch der klassischen Werbung von den Käufern nicht mehr alles abgenommen wird, laufen viele Menschen den realen Informationen im Netz hinterher. Sie schauen auf Markenwebsites, Blogs, Communities und bilden sich daraus ihre Meinung und Kauflust. Awareness und Relevanz heißen die furchtbaren Marketingwörter nach denen sich diese User richten.
    Ich denke früher haben sich diese Leute an den „coolen“ Leute in der Schule, im Verein, bei der Arbeit oder auf der Straße orientiert – heute gibt es eben die virtuellen Plätze im Internet. Oft mit einer beeindruckenden Reichweite.
    Ob diese „Mädchenblogs“ auch Trends beeinflussen können wage ich zu bezweifeln. Denn hier schreibt man ja auch gern voneinander ab. Meistens dann auch beeinflusst von den größeren Blogs – die wiederum mit ihrer Reichweite, Retweets, Schnelligkeit und Relevanz ganz bestimmt den ein oder anderen Stein ins Rollen bringen. Eben weil Sie sehen, was die Opinion Leader jetzt gerade anhaben – obwohl in den Läden noch was ganz anderes hängt.
    Und ganz klar, dass da auch vertikale Anbieter wie H&M eine bessere Reaktionszeit haben. Dort wird jeden Monat eine Kollektion innerhalb von 4 Wochen erstellt und in die Läden ausgeliefert.
    Und ich bin mir auch sicher, dass der ein oder andere H&M Designer in die wichtigsten Fashion Blogs schaut. Und dann ist da auch noch die Frage – wann ist ein Trend ein Trend – wenn ihn 2% der Bevölkerung tragen oder wenn ihn 30% kaufen?
    Lange Rede kurzer Sinn. I believe it works. But it doesn’t make the world go round.
    @ martin: Leider siegt bei der Masse eben oft der Bad-Taste. Das muss ich in meinem Beruf als „Werber“ immer wieder mal erfahren.:-)

  12. says: Alessa

    hmm dann geb ich doch auch mal meinen senf dazu … weil wir es letztens nämlich genau davon hatten!

    also meine leute und ich (jaa der esel nennt sich immer zum schluss) haben jedes Jahr mit dem Phänomen zu kämpfen … hey das shirt is ja cool, aber das wollte ich letztes Jahr haben, dieses Jahr will ichs nimmer …

    Dann gucken wir mal in die Selbstknipser-Blocks und denken uns … oh man die tragen nur die aktuellen H&M, Zara, Mango Krimskrams, aber mit eigenem Styl hat das unserer Meinung nich viel zu tun.

    Daher denke ich auch, dass diese Blogs ausm Boden sprießen können wie Sie wollen, die werden weder den Modemagazinen noch den anderen Modeinformationsquellen den Rang ablaufen.

    Grüßle aus Oslo, dass jetzt leergekauft wird

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