Gastbeitrag: Tutti a Tatti

Tatti-Life: Wir sind dabei und Walter Ercolino auch. Der Longtime-Homie von mir hat sich ein paar Gedanken zum innerstädtischen Leben gemacht, dessen Dreh- und Angelpunkt momentan das Fluxus im Allgemeinen und das Tatti im Speziellen ist. 

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Gestern Abend haben wir beschlossen, das Wort „Urban“ endgültig aus unserem Wortschatz zu streichen. Was stattdessen sagen war nicht ganz klar, „innerstädtisch“ fand die meiste Zustimmung – erst einmal.

Klar, dass wir früher oder später genau auf dieses Thema zu sprechen kamen, saßen wir doch im Epizentrum des innerstädtischen – draußen vor dem Tatti – und hakten News, Stuttgarter Gossip und Zukunftsentwürfe ab.

Nein, ehrlich, wenn die Sonne den Vorplatz zur Calwer Passage flutet und die Temperatur steigt, gehört das Tatti zu den Orten, an denen man das kapiert mit dem, diesem Urbanen, also dem innerstädtischen, denn wie so eine Stadt tickt, muss man erst einmal begreifen. Vielleicht mag das Flanieren die bekannteste Methode sein, um seiner Stadt näher zu kommen, die Königsdisziplin ist jedoch, die Zeit am richtigen Ort vergehen zu lassen: Dann kommt die Stadt zu dir.

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Wer zum Beispiel verstehen will, wie das so läuft mit Verwaltung, Politik und Gesellschaft, musste nur den tagelangen Prozess beobachten, bis die Tischtennisplatte ihre endgültige Position gefunden hatte. Im Verrücken der Tischtennisplatte von einer Stelle zu anderen, bis alle stadtrelevanten Institutionen zufrieden gestellt waren, ergaben sich magische Momente der Erkenntnisse. Dass der Sieg, den endgültigen Platz gefunden zu haben, in ein Tischtennisturnier mündete, war nur logisch.

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(Foto Maks Richter) 

Inzwischen kann man von einem Tischtennishype sprechen, wohlgemerkt in einer Sportart, die früher Auffangbecken für diejenigen war, die als letzte im Sportunterricht in ein Team gewählt wurden.

Ja, es ist einfach so, dass mit einem Pastrami in der Hand der Blickwinkel auf das große Ganze ein anderer wird, man gleitet unweigerlich in ein Dolce Vita Stadium und lässt dem, was immer auch kommen mag, seinen Lauf. Und man wundert sich dann auch nicht wirklich, wenn bei Nachfrage, was denn nun das weiße, große Quadrat mitten auf dem Platz soll, dir jemand erklärt, dass es einen Boxring darstellt, für den Boxkampf, der später stattfindet.

Du sitzt da, isst dein Pastrami, trinkst deinen Cortado und denkst dir, wie unglaublich geil das ist, Mietstreitigkeiten mit einem ehrlichen, ehrbaren Faustkampf zu regeln, und warum man nicht schon bei der Tischtennisplatte auf diese Idee gekommen ist.

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Mehr Stadt als auf diesen wenigen Quadratmeter vom Fluxus geht gerade nicht, vielleicht noch am Erwin-Schoettle-Platz.

Die Calwer Passage war früher eine dunkle Gasse, in die man sich aus Versehen verirrte, Sidekick der Theo. Jetzt ist mit wenig sehr viel entstanden, ein Schaukasten, wie man Stadt gestalten kann, und nicht am Ende der Mailänder Platz daraus wird. Das Tatti, als Eingangstor, idealer Verweil- und Beobachtungsplatz, auf dem man mikrokosmisch konzentriert alles mitbekommt, was Stuttgart ausmacht und manchmal so lange da sitzt, bis der Tag gemächlich in die Nacht abgleitet.

Dann hört man ab und an die quietschenden Reifen der Trittbrettstädter auf der Theo, aber so weit weg, dass sie gar nicht mehr zu Stuttgart gehören.

 

DOLCE VITA AT TATTI OPEN #TURNIER #TISCHTENNIS #STUTTGART #SATURDAY #FLUXUS #PACIFIC #MERCEDESCUP #ALLSTARTEAM #0711 #TATTIOPEN

Ein von STAY AND SEE (@tatti_offshore) gepostetes Foto am

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9 Comments

  1. says: Boomin Granny

    Ich fühl den Text total, aber wir Party- und Turnschuh-Blog-Leser sollten beim „Stadt“-Denken nicht die aus den Augen verlieren, dass es innerstädtisch auch (noch) Menschen gibt, die sich gar kein Pastrami-Sandwich leisten können. Vielleicht finden die ja eher, dass zwei Kurze für 1 Euro im Max & Moritz das sind „was Stuttgart ausmacht“. Die Welt endet nicht an den Ausgängen der Calwer Passage, gell? Trotzdem rufe ich euch natürlich stets freundlich zu: „Mehr Tischtennisplatten! Reclaim your Innenstadt!“

  2. says: martin

    und ich fühl dich wie immer ebenso auch total. :*

    (und du weißt ja, dass für uns die welt nicht da endet und sicherlich nicht auch fürn walter, die welt endet nämlich an der grenze von zone 10. :P)

  3. says: Boomin Granny

    In Giebel muss ich schon in die Plastiktüte atmen, in die mein Vesper eingepackt war, damit ich auf dem weiten Weg in die fremde Welt nicht verhungere.

  4. says: walter

    Guter Einwand, Boomin Granny, und eine gewisse mileubedingte Subjektivität kann ich gar nicht abstreiten…: -)) Trotzdem würde ich dann eher die Frage stellen. „ Wie kann es sein, dass Menschen im reichen Stuttgart leben, die sich ein Pastrami nicht leisten können?“ Denn letztendlich können sie ja dann gar nicht frei darüber entscheiden, was denn nun „Stuttgart ausmacht“, wenn diese finanzielle Hürde im Weg ist. Ist ja nur im Vergleich möglich…

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