„Der ist mit Shakira zusammen“: Real Madrid gegen FC Barcelona

Gestern Abend wollte ich ein hochqualitatives Fußballspiel anschauen. Ich schau selten ein Spiel an, weil es mich doch meist über die Länge von 90 Minuten langweilt. Da bin ich zu Zappelphilipp. Sonst nicht so der Zappelphilipp. Meine einzigen Fußballgedanken kreisen dann eher mehr um meine Comunio-Mannschaft.

Gestern Abend entwickelte ich aber sogar so etwas wie Vorfreude, denn es wurde ein sogenanntes Spitzenspiel im Fernsehen gezeigt. Bei einem Spitzenspiel treffen sich zumindest in der Theorie zwei spitzen Mannschaften die spitzenmässig Fußball spielen können, also wie zum Beispiel Stuttgarter Kickers gegen Hessen Kassel vergangenes Wochenende, Regionalliga Süd. Die Kickers haben übrigens ganz gute Chancen in die 3. Liga aufzusteigen. Immerhin.

Ich war so voller Vorfreude gestern, dass ich gleich, nachdem ich daheim ankam, nochmals sichergestellt habe, dass ich auch wirklich dank Digital Receiver Schweiz 2 reinbekomme. Die zeigen nämlich jedes Champions League Spiel, wie ich neulich zufällig festgestellt habe, als die Bayern so ganz spontan am Schluss noch gegen Inter untergingen. Hat mir mein Kumpel Udo zwar schon öfters gesagt, aber ich hab wahrscheinlich wieder nur mit einem halben Ohr hingehört.

Also: Real Madrid gegen FC Barcelona. „El Classico“ oder so. Karten aufm Schwarzmarkt bis zu 2000 Euro. Jeder einzelne Spieler – inklusive dem dritten Torwart – so viel Wert wie die kompletten Kickers plus Hessen Kassel und deren Busse zusammen.

Übrigens ist der Marktwert von Real und Barca ungefähr gleich hoch, wusste der Kommentator zu berichten. Schweizer Kommentatoren sind übrigens, oder zumindest der gestern, sehr, sagen wir, selbstbeherrscht. Wenig Euphorie. Selbst wenn sich sehr, sehr offensichtlich eine 100%ige anbahnt und man selbst schon längst aufm Sofa steht („Ja… ja… jaaaaaa, ooooah!“), war die Stimme des Schweizer Mods ungefähr so abgesenkt wie bei einer Eiskunstlaufkür.

Lag vielleicht auch daran, dass die 100%igen sehr, sehr rar gesät waren und mir das Spiel schon wieder nach 15 Minuten derart auf den Herrgottsack ging vor lauter Langeweile und ich mich fragte, warum ich mich auf den Quatsch überhaupt gefreut habe. Liegt das jetzt wieder an mir oder doch an Mourinho, der gestern eine neue Taktik ausprobiert hat. Die Süddeutsche beschreibt die heute so:“Bäh! machten Mourinhos Mannen, bäh! wir machen hier nicht mit!“

Blöd, dass er sich das für gestern ausgedacht hat, wenn ich Eule einmal im Jahr eine ordentliche „Vollgas-Veranstaltung“ (frei nach Klopp) erwarte. Gut, man kann nicht auf alle Rücksicht nehmen, versteh ich. Letzte Woche La Copa, dieselben Teams, war wohl recht gut, meinte der Nachbar. Habs nicht angeschaut.

Hätte natürlich auch um- oder ausschalten können, aber wollte das unbedingt durchziehen. Hab mich schließlich ja so gefreut. Außerdem standen Menschen wie Messi, Ronaldo, Xavi, Puyol, Ramos, Alonso, Villa, Piqué oder Özil aufm Platz und nicht Butscher, Flum, Barth, Boll, Gentner, Schäfer, Bartels oder Ebbers. Weltmeister. CL-Gewinner. Spieler des Jahres. Zauberkünstler und Frisuren-Ikonen.

Wäre nach rund 20 Minuten fast eingedözilt (Mesut Halbzeit raus), wenn nicht der Moderator die Goldene-Blatt-Klatsch-News eingebaut hätte, dass Barcas Piqué mit Popstar (Hupfdohle, Kreissäge, Foltermethode, Eine-Frau-Sterilisations-Klinik) Shakira zusammen sei und deswegen im Real-Stadion keine Shakira-Lieder mehr laufen. Wow, die mögen sich wirklich nicht. Da hat ne Feindschaft mal was Gutes, denn Shakira sollte eigentlich nirgendwo laufen. Ansonsten Ball-Zirkulation ohne Ende. 70% Spielgerät-Besitz Barcelona. Ich war nicht beeindruckt.

In der Pause schreib ich folglich dem Nachbar: „Willste einmal einmal Weltklassefußball gucken und dann kicken die so wie ich früher aufm Schulhof.“

Antwort: „Pinnochio, übetreib mal nicht. Taktik und Kampf vom Feinsten.“

Okay, es liegt wohl doch an mir. Aber der Pausen-Moderator war auch bisschen auf meiner Seite und meinte sinngemäss: „Also hätte ich 2.000 Euro für eine Karte auf dem Schwarzmarkt erworben würde ich mich ganz schön zuscheißen.“ Zuscheißen hat er natürlich nicht gesagt, is ja nen smarter Schweizer mit mächtig Etikette.

Als Lebensendziel habe ich mir übrigens vorgenommen, Schweizer zu werden, also so in 30 Jahren vielleicht. Liegt daran, dass ich einmal vor langer, langer Zeit nachm Boarden durch eine Schweizer Baustelle gefahren bin. Am Ende der Baustelle stand ein Schild: „Bravo, sie haben es geschafft!“ Seitdem weiß ich, dass ich einmal in diesem Land leben will.

Zurück zum Spooocht, zweite Halbzeit kaum wahrgenommen. Artikel gelesen in der ZEIT über das neue Einheitsdenkmal, eine Riesenschaukel von der Stuttgarter Agentur Milla & Partner plus irgendeine Frau Waltz. Der ZEIT-Autor war stocksauer (und wohl nicht nur der) und meinte, das famose Brandenburger Tor reicht doch völlig aus als Einheitssymbol – geb ich ihm sogar recht – und das neue Ding wäre nur elendiger Dreck. Der jahrelange Wettbewerb dazu ging übrigens komplett an mir vorbei.

So schrieb er: „Ersonnen hat es kein Künstler, kein Architekt, sondern die Eventagentur Milla & Partner aus Stuttgart – und damit ist eigentlich alles gesagt.“ Worauf sich das säuerliche „damit ist eigentlich alles gesagt“ bezieht, also ob auf „kein Künstler, kein Architekt“, oder auf „Eventagentur“ oder doch auf „aus Stuttgart“ oder auf alles zusammen – Interpretationssache.

(Diese Schaukel heißt „Bürger in Bewegung“, Bild Milla & Partner).

Das Ding fängt an zu wippen wenn ein paar Leute drauf rumlaufen. Bürger in Bewegung halt, oder „gemächliches Auf und Nieder“ wie die ZEIT schreibt, also so gar nicht revolutionär wie damals 1989. Ist was dran.

Unter gemächliches Auf und Nieder könnte man die erste Halbzeit dieses CL-Halbfinales abhaken, zweite Halbzeit dann mehr Action, gab es irgendwann ne Rote gegen einen Realo, äh, Real-Spieler, Mourinho musste auf die Ränge, war und ist stocksauer auf den deutschen Schiri Stark, auf den er sowieso eh schon im Vorfeld stocksauer war. Dann zwei Buden von Messi, und klar, typisch für mich, gerade in dem Moment nicht hingeschaut bei der ersten, sondern auf den Rechner gestarrt, und bei der zweiten war die Glotze schon aus und ich im Bett. Manometer. Beim Rückspiel muss ich mich definitiv mehr konzentrieren.

Und zum Schluss noch etwas Telepathie: Während ich den Text geschrieben habe, schickte mir Baris obiges Video. Passt. Gab eh kein besseres Bildmaterial von dem Spiel gestern.

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16 Comments

  1. says: Frau Doktor

    Das beste am Spiel war wohl der Auftritt von Herrn Mourinho hinterher in der Pressekonferenz, dessen Wahrnehmung der Welt mit der der übrigen Anwesenden nur gemein hatte, dass sich alle darauf einigen konnten, dass man im Bernabeú Stadion gespielt hat.

  2. says: bine

    Ich hab jetzt dauernd nur Milla & Partner gelesen und mir zwei Sachen überlegt.

    1. Was ham die mit Fußball zu tun? und
    2. Woher kenn ich nur den Namen von denen?

    Dann fiel’s mir schlagartig wie Schuppen vom Haupt. Ich lauf dauernd an deren Parklplatz vorbei wenn ich zu unserem Feinkostdiscounter mit dem roten i-Punkt gehe…

  3. says: westernbasti

    Hahaha, Mourinho ist nen richtiger scherzkeks (und nen ganz schlechter verlierer)……

    sorry Martin, dass du deinen abend vergeudet hast, aber wie hat mourinho mal (sinngemäß) gesagt: „wer spektakel will, der soll in den zirkus gehen“ und „ich bin kein fußballtrainer, ich bin ein sieg-trainer“….

    noch besser finde ich aber den verbalen schlagabtausch VOR dem spiel, ich zitiere wieder mourinho:
    „Bislang hatten wir zwei Arten von Trainern. Eine ganz kleine Gruppe, die niemals mit dem Schiedsrichter spricht. Dazu kommt eine wesentlich größere Gruppe, zu der auch ich gehöre, die Kritik übt, wenn schwerwiegende Fehler gemacht werden. ….. Und nun, nach der Aussage von Pep, starten wir in eine neue Ära mit einer dritten Gruppe, die korrekte Entscheidungen kritisiert“

    wie’s aussieht sind sie jetzt zu zweit in der dritten gruppe 🙂

  4. says: martin

    yes I know, ich kenne seine philosophie, aber das war gestern schon mal ne steigerung davon, ich mein, CL-halbfinale, heimspiel, da tritt man doch wenigstens a bissle anders auf oder? keine ahnung auf was die gewartet haben.

  5. says: afro-dieter

    „Eine Frau-Sterilisations-Klinik“
    ROFL – so richtig, die Stimme ist echt ne Waffe, die könnten sie ohne Probleme im Golf von Aden als Piraten-Abwehr benutzen…

  6. Ha ha, Trainer Ludwig ist cool.

    Und sogar das gestohlene Kennzeichen von Kevin Kurányi hängt an der Wand. Kann mich noch genau an den Radioaufruf erinnern, dass das kleine Kevin unbedingt sein altes S-KK22 Kennzeichen zurückhaben möchte… 😀

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