Das Opening-Publikum

Es ist der Herbst der Cluberöffnungen. Schräglage, Speakeasy, Schankstelle, Ende November startet über dem Waschmaschinen Möck in der Holzstraße das Clubprojekt KimTimJim, mehr dazu demnächst, und eventuell reiht sich dieses Jahr sogar noch das Moulin Rouge ein.

Der Aussi hat es neulich bei seinem Schankstelle-Text angedeutet, ich hab mir vor ein paar Jahren im LIFT ein wenig Gedanken über das „Opening-Publikum“ gemacht. Grob gesagt: Das sieht man danach nie wieder und man fragt sich wo die Leute alle herkommen. Keine Ahnung, was damals der Anlass für den Text war. Die neuesten Clubs sind nach dem Opening gut angelaufen. War wohl damals nicht so.

Auch den etwas älteren Lesern dürfte sicherlich die Ästhetik eines amerikanischen HipHop-Videos bekannt sein. Big house, big car, big boobs und so weiter. Ob sich das der Künstler immer leisten kann oder eigentlich hart an der Hypothek für die sonnendurchflutete Villa und dem Kredit für den Hummer davor zu knabbern hat, steht auf einem anderen Stück Papier.

Diese Materialschlacht scheint zwar angeblich in Amerika aufgrund Übersättigung nicht mehr so wirklich anzukommen, habe ich zumindest gelesen, aber trotzdem würde ein Rapper eher zugeben, dass Mama noch für ihn wäscht als auf seine Mädchen im Video zu verzichten, die ihm zärtlich über die Brust streicheln.

Schon vor Urzeiten habe ich mich gefragt, ob es irgendwo in den USA, vielleicht in der Wüste Nebraskas, eine voll klimatisierte Lagerhalle mit Vollverpflegung gibt, in der 500 Damen allzeit bereit mit einem von Gott so nicht gewollten Vorbau, breiter geratenen Gürteln und Bänderriss-Hacken auf ihren großen Auftritt am Pool warten. Wäre logisch, muss man nicht jedes Mal aufs Neue casten. Zumindest sehen die immer alle gleich aus.

Genauso vermute ich schon lange, dass irgendwo draußen in Zuffenhausen eine Scheune steht, in die das Stuttgarter Club-Opening-Publikum reingepfercht wurde. Auf Abruf perfekt frisiert und schick gekleidet. Alle paar Monate bekommen sie einen Einsatzbefehl: Ey Leute, Achtung, Opening! Schleusen auf!

Denn als Faustregel gilt: Die Gäste am Eröffnungsabend sieht man danach nie wieder in dem Laden. Zumindest nicht in dieser einzigartigen Konstellation. Nur geile Menschen. Wie im Video halt.

Club-Openings sind exklusive, gesellschaftliche Anlässe. Man zieht sich schick an, sollte manchmal davor nichts essen und natürlich eine Einladung haben. Am Tag nach der Eröffnung ist der Pächter erschlagen vor lauter Glückseligkeit: „Das Opening war Hammer, Hammer, Hammer! Unglaublich! Wahnsinn! Das kannst du dir nicht vorstellen! Drinnen um halb zehn voll, draußen nochmals eine Million Leute, die rein wollten! War ein bisschen schade, aber wir werden uns nächste Woche bei all denen mit einer Special-Aktion revanchieren.“

Doof nur, dass die Woche drauf schon der harte Nightlife-Alltag einkehrt und im schlimmsten Fall erst mal keiner kommt, weil die von letzter Woche in der Zuffenhausener Scheune sitzen und dort, gut angezogen natürlich, bis zum nächsten Opening Diät machen.

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11 Comments

  1. says: martin

    wie oben steht ist der text ein paar jahre alt und ingmar hat das neulich eben im bezug auf die schankstelle aufgegriffen, dass beim opening menschen aus ihren löchern kommen, die man das ganze jahr nicht sieht.

    was damals konkret war weiß ich nicht mehr. ich weiß nur, dass es schon einige male in stgt vorkam, dass in den wochen nach dem opening, das so mega geil war, erst mal gar nix mehr ging. opening zählt einfach nicht.

  2. says: JoeJoe

    Das mag ja schon zutreffen. Andererseits ist es auch immer eine Frage, wer da eigentlich eingeladen wird. Meistens sind das ja auch Szenenasen, DJs, Presse, etc…Da ist es eigentlich logisch, dass man die so schnell nimmer sieht. Man darf aber auch nicht den Multiplikator-Effekt dieser Leute vergessen. Auch wenn sich jetzt mal wieder jemand auf den Schlips getreten fühlt: Witzigerweise gehören doch Ihr bzw. wir zu diesem Publikum.
    Mein Highlight dieser Art war die damalige Eröffnung vom Romy S. So ein Publikum habe ich seither nie wieder gesehen in dieser Stadt. Aber danach kam wirklich keiner mehr…

  3. says: martin

    ich war seit jahren nicht mehr auf einem opening hehe 🙂

    das ist schon richtig was du sagst, aber es geht einfach über diese leute heraus, wie gesagt, man wundert sich, „wo kommen die leute immer her?“ – ohne sie zu kennen, also weit über die gruppen hinaus, die du erwähnt hast. einfach eine ansammlung, die man sonst nie irgendwo beim weggehen sieht. zudem muss man ja auch sagen, war zumindest früher öfters so, dass opening partys öfters stimmungsmässig eher zäh sind.

  4. says: JoeJoe

    Stimmt. Man muss aber auch festhalten, dass es sich mittlerweile zu einer Art Sport entwickelt hat nach dem Motto „Da muss ich dabei sein“.
    Wenn es aber schon bei Jubiläen losgeht, wird’s echt komisch. Als ich beim 15er vom Climax von einer Kleinen gefragt wurde „Ist der alte Mann immer nackt und wer ist das ?“, hab‘ ich mir schon so meine Gedanken gemacht…
    Ich denke, da habt Ihr schon recht. Aber es ist eben oft eine Sache des Clubbetreibers, wen er einlädt und wen er so noch reinlässt.

  5. says: majde

    beim speakeasy gabs ein opening mit geladenen gästen, und ein opening für alle. man hat nur auf den glamour von gedruckten einladungen verzichtet und beim ersten opening auch laufkundschaft reingelassen, sofern es gepasst hat. und bei openings sind halt oft auch die macher und schaffer dabei, die beim weiteren verlauf eher im hintergrund agieren (angestellte, firmen die involviert waren beim umbau etc., investoren, veranstalter) und natürlich familie, die zu ehren der macher kommt um zu würdigen was geschaffen wurde. und dass die sich je nach location der atmosphäre anpassen, und manchmal auch ein wenig overdressed sind, finde ich nicht schlimm.

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