52 Albums/32: Gorillaz „Demon Days“ by D*Jan Neiro

Gorillaz Demon days Cover

Nach langer Zeit haben wir endlich wieder einen Gastbeitrag fĂŒr unsere 52 Albums-Serie. D*Jan Neiro erfreute sich ganz besonders am zweiten Gorillaz Album „Demon Days“. Warum erzĂ€hlt er hier.

Lange habe ich ĂŒberlegt zu welchem Album ich hier meinen Senf geben soll; da stehen schon einige zur Auswahl. Coldplays ‚A Rush Of Blood To The Head‘ zum Beispiel, aber das hatte der Thorsten schon mal behandelt.

Beatsteaks ‚Smack Smash‘ oder Millen Colins ‚Pennybride Pioneers‘ haben mich und meinen Musikgeschmack vielleicht mit am meisten geprĂ€gt. Die Red Hot Chili Peppers mit ‚Californication‘ oder ihrem jĂŒngsten Werk, dem Doppel-CD-Album ‚Stadium Arcadium‘ habens fast immer geschafft mich aufs Neue umzuhauen, was sonst eigentlich keine Band geschafft hat.

Meinen leichten Hang zum Hip Hop habe ich wiederum einzig und allein The Roots zu verdanken, die ich aber live deutlich besser finde als auf Platte.

Aus dem elektronischen Bereich gibt’s fĂŒr mich persönlich relativ wenig gute Gesamtwerke, Daft Punks ‚Discovery‘ auf jeden Fall, aber ansonsten hab ich es nicht so wirklich mit dem Durchhören elektronischer Alben. Da bin ich einfach zu schnell gelangweilt.

Fatboy Slim wĂŒrde mir da vielleicht noch einfallen. Aber das ist ja auch schon mehr Pop und bei nĂ€herer Betrachtung finde ich sein ‚Best Of‘ Album am besten, weil da wirklich alle Songs fett sind und keinen FĂŒllstoff beinhalten wie auf den regulĂ€ren Alben.

Da blieb dann nach dem Ausschlussverfahren nur noch das Gorillaz Album ‚Demon Days‘ ĂŒbrig. Ein Album, das mich im Sommer 2005 absolut umhaute. Der Sommer war traumhaft und mein Leben damals absolut sorglos. Ich war 19 Jahre alt und jobbte nach der Schule so ein wenig rum. Vier Tage von Sonntagabend bis Mittwochnachmittag im Cafe.com in Esslingen, eines der schönsten Cafes der Stadt zu der Zeit.

Mittwochs Punkt 18 Uhr hatte ich Wochenende und beschĂ€ftigte mich die freie Zeit fast ausschließlich mit Musik. Im Mai hatte ich mich das erste Mal hinter ein DJ Pult getraut und sog seitdem alles rund um Musik in mich auf. Donnerstags hing ich meistens den halben Tag im ‚Record Express‘ in Stuggi rum und hörte mich einmal durch die neuen Releases.

In den Raucherpausen gabs immer lustige GesprĂ€che mit DJs oder Musikinteressierten aus der Region. Freitags und samstags war dann meistens dafĂŒr da ein bisschen clubben zu gehen und die restliche Kohle von der Woche endgĂŒltig rauszuhauen. Alles in allem die volle Lebensfindungsphase eben.

Und genau in dieser Phase traten die Gorillaz in mein Leben, die Supergroup um Blur-SĂ€nger Damon Albarn, inszeniert aus Comicfiguren samt eigener Biographie, detailverliebten Gimmicks und stranger Mucke. Die erste Single ‚Feel Good Inc‘ feat De La Soul lief damals ĂŒberall hoch und runter und hat mich so geflashed, dass ich mir das Album kaufte.

Sehr gefĂ€hrliche Sache heutzutage, aber mein Instinkt hatte mich zum GlĂŒck nicht getĂ€uscht. Wie bei fast jedem elementar guten Album haben mich aber auch hier die erste Male durchhören nicht wirklich vom Hocker gehauen


Manchmal dauert es einfach den KĂŒnstler, die Band oder die Musik dahinter zu verstehen. Sicherlich Ă€ndert sich dadurch der Song nicht, den man beim ersten, zweiten oder vielleicht zehnten Mal hören noch nicht wirklich knorke fand, aber das Empfinden dazu Ă€ndert sich.

Manche Songs wirken eben nur im Kontext oder in der Inszenierung, daher bedeuten Hits auch nicht automatisch ein gutes Gesamtwerk oder andersrum. Und um kurz abzuschweifen, macht genau das ein gutes DJ Set aus. Es geht nicht um ‚playin‘ the hits‘ oder um ‚mixing like a champ‘. Es geht ums Gesamtwerk und darum damit Leute zu bewegen oder wie man neudeutsch so gerne sagt ‚zu touchen‘.

Wann und wo das Gesamtwerk ‚Demon Days‘ mich touchte weiß ich noch ziemlich genau. Es war irgendwo zwischen Italien und den Schweizer Alpen.

Ich hatte damals spontan Montagnacht beschlossen von Mittwochabend Punkt 18 Uhr bis zum Beginn meiner nĂ€chsten Schicht am Sonntag Abend eine romantische Kurzreise mit mir, meiner damals noch treu ergebenen ‚Schackliiihn‘ (VW Golf) und einem Koffer voller CDs anzutreten. Only the road and good music eben. Ich fand das damals irgendwie total rock’n‘roll von mir.

Ziel war das Meer oder genauer gesagt eigentlich Nizza, aber weil die Schweiz zu der Zeit leider etwas ĂŒberflutet war, musste ich ein ungefĂ€hr 200km großes StĂŒck Wasser umfahren. Da mein Zeitplan knapp war, gingen eben diese 200km von meinem eigentlichen Reiseziel wieder ab, und ich landete schlussendlich in Genua.

Einen Tag vorher, als ich noch mit meiner visionĂ€ren Coolness am Tresen des Cafe.com saß und ĂŒber meinen geplanten Trip berichtete, schloss sich mir spontan noch eine Freundin, oder sagen wir besser eine Bekannte, an.

Leider ließ ich mich bei meiner Zusage, den Trip zu zweit zu machen, zu sehr von ihrem Vorbau als von ihrem nicht vorhandenen Musikgeschmack (es gibt nichts was eine Frau ‘unsexyer‘ macht als schlechter Musikgeschmack) leiten.

Schnell, sehr schnell, sagen wir mal nach etwa zehn Minuten Fahrt war klar, dass es der jungen Dame nichts ausgemacht hĂ€tte ihre eine mitgebrachte, selbstgebrannte und mit illegalen Download-Songs in schlechter QualitĂ€t bestĂŒckte CD den ganzen Trip ĂŒber zu hören. Aber zum GlĂŒck war es mein Auto, mein CD Player und ĂŒberhaupt: Ich bin der Chef hier, Baby.

Gott was wurde ich vier Tage lang zugesĂŒlzt und vollgenörgelt. Aber ich versuchte es zu ignorieren. Einfach die Mucke etwas lauter drehen und sich immer das Ziel vor Augen halten: das Meer.

Vielleicht hörte ich das Gorillaz Album wÀhrend diesem Trip auch so oft, weil es sie besonders nervte. Aber die Hauptsache war ja, dass ich es besonders gut fand.

Die Songs begannen langsam anders zu klingen und zu harmonieren, mein Empfinden Ă€nderte sich, ich der ‚Lonesome Rider on the road‘ mit den Gorillaz im GepĂ€ck. Der nervige Ballast auf dem Beifahrersitz war völlig ausgeblendet‚ we’re the last living souls, und jetzt halt die Schnauze



was sie ĂŒbrigens ab der RĂŒckfahrt auch tat. Zu sehr hatten wir uns in den paar Tagen Genua entfernt und genervt (wie ‚Kids with Guns‘ wĂŒrd ich sagen?). Als ich dann auch noch einen kleinen Abstecher in Mailand machte um mir das ‚San Siro‘ Stadion von Milan und Inter anzuschauen, war es endgĂŒltig vorbei. GefĂŒhlte 100 Stunden Schmollen Deluxe folgten.

War mir aber egal, denn auch trotz meines Fehlers sie ĂŒberhaupt mitzunehmen, ließ ich mir dadurch nicht die Stimmung vermiesen – ‚o green world
‘ – ich hatte ja die Gorillaz, die mir zur Seit standen und außerdem die letzten Tage am Meer verbracht.

Jetzt mach ich halt mal einen auf ‚Dirty Harry‘ und wenn ich daheim bin leb ich wieder fröhlich und unbeschwert vor mich hin, ‚Feel Good inc.‘ eben, solange bis der Sommer vorbei ist ‚El Manana‘ und ‚November Has Come‘  und von mir aus auch ‚All alone`, klappt eh besser.

Das ‚White Light‘ sehen wir am Schluss dann ja eh alle wieder alleine. Da muss man sich dann auch nicht mal mehr irgendwas ‚trauen‘, außer vielleicht anders zu sein. Wir werden schon ‚nicht im Himmel verloren gehen‘ und falls doch erwarten uns halt eben noch ein paar ‚Demon Days‘. Who cares?

Wenn ich heute das Album wieder in meinen Player schmeiße oder auf den Plattenspieler lege (ja das Album auf Platte musste dann schon sein
) werde ich unweigerlich wieder an diesen eigentlich echt anstrengenden Trip erinnert.

Aber irgendwie vergesse ich dabei oft, dass ich eine Begleiterin hatte, die mich zu Tode genervt hat. Ich hab das Meer vor Augen und die unglaublich geile und fast verlassenen Bucht, die ich in Genua fand, die Straße die mich dort hin fĂŒhrte und die Gorillaz die mich dabei begleiteten.

Zum Schluss noch zwei Empfehlungen- zum einen der legendĂ€re ‚Live‘-Auftritt als Hologramme bei den MTV Europe Music Awards



und zum anderen die offizielle Homepage, die mit dermaßen viel Liebe zum Detail, versteckten Gags, lustigen Spielen und noch vielem mehr gemacht ist, dass man da locker mal nen ganzen Nachmittag drauf verbringen kann und immer noch nicht alles gesehen hat.

www.gorillaz.com/Scene.php

D*Jan Neiro kommt aus Esslingen und ist DJ, Veranstalter und betreibt den Blog Aerodynamite.TV. Die nĂ€chsten Monate zieht es Jan testweise nach Hamburg. Sollte es ihm dort gefallen, bleibt er dort. Wir wĂŒnschen ihm auf jeden Fall alles Gute.

jan
Join the Conversation

11 Comments

  1. says: D*Jan Neiro

    @Mormor: TatsĂ€chlicherweise haben wir nie wieder richtig miteinander gesprochen. Ich hab sie noch ein paar mal gesehen und war dabei jeweils ĂŒberrascht, dass sie nocht nie bei Oliver Geißen in der Show saß…traurig aber leider wahr…

    @ Martin: Ich werds mir notieren 😉

  2. says: sommer

    schön. selbes jahr, selber sommer. mit dem freund beschlossen ĂŒbermorgen an die cĂŽte zu fahren und los. zwei wochen an diesem campingplatz direkt am strand. schlafen, aufstehen und ins meer, wieder schlafen, dieses album im gepĂ€ck und das gefĂŒhl von freiheit…

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert