Selbst ist die Jule

Im Sommer durfte ich einen schönen zweiminütigen Film für die Diakonie Stetten realisieren, der heute – am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung – Premiere hat.

Wir hatten dafür an einem warmen Sommersonntag in einer herrlichen 70er Jahre Turnhalle auf dem Gelände der Diakonie in Stetten 20 ganz unterschiedliche Menschen mit und ohne Behinderung vor der Kamera und in unserem provisorischen Fotoset. Alle hatten die gleiche „Aufgabe“: Nehmt euch den Auslöser und macht ein Foto von Euch selbst. Ein echtes Selbstbild also, das in den meisten Fällen so gar nichts mit der Fremdwahrnehmung zu tun hat, die „wir“ – die Menschen ohne Behinderung – von „euch“ – den Menschen mit Behinderung so oft haben.

Und ich muss sagen: das hat schon beim Drehen gewirkt. Die Menschen vor der Kamera haben das Team hinter der Kamera total überrascht, erfreut, berührt und zum Staunen und Nachdenken gebracht.

Der Dreh selber war beides: super anspruchsvoll, weil man in so einer Situation die Regie und Dramaturgie den Menschen überlassen muss, die vor der Kamera stehen. Und er war superschön, weil wir alle nicht wussten, was uns erwartet, als alle 30 Minuten die Tür zur Sporthalle aufging und ein anderer Klient der Diakonie Stetten hereinkam. Menschen mit ganz unterschiedlichen Einschränkungen, Persönlichkeiten, Macken und Stärken.

„Für ein Portraitfoto von sich drücken alle Protagonisten auf den Selbstauslöser und machen damit die Idee der Selbstbestimmung anschaulich und verständlich“, fasste die Fellbacher Zeitung die Idee, selbst etwas auszulösen ganz gut zusammen.

Es gab so viele kleine Momente, die total hängengeblieben sind und ich könnte stundenlang vom Dreh erzählen. Was ich auch fast getan hätte, wenn nicht Corona wäre: Geplant war eine schöne Premierenfeier mit Claus Vogt, Lola Weippert und vor allem: mit allen unseren Protagonisten. Musste leider abgesagt werden.

Zwei ganz eindrucksvolle Augenblicke: wir hatten eine kleine Boombox dabei und alle Protagonisten durften sich ein Lied wünschen. Und man glaubt gar nicht, wie oft man „Atemlos“ an einem Drehtag hören kann.

Und unser letzter Darsteller, der eine schwere körperliche Einschränkung hatte, fragte nach der Schlussklappe, ob er helfen soll, abzubauen. Ich war ehrlich gesagt skeptisch, weil es für mich aussah, als hätte er schon motorische Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. So sauber hat dann aber am Set noch nie jemand die Kabel aufgerollt und weggeräumt.

Der Film läuft unter anderem in allen Traumpalast-Kinos rund um Stuttgart und wird rund 400 Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es eine schöne kleine Microsite mit weiteren Informationen und Eindrücken.

Ich jedenfalls bin ziemlich stolz – vor allem auf die Menschen und ihren Mut, sich so zu zeigen, wie sie sind. Ihr ward ein größerer Sack voll Flöhe als die Deutsche Fußballnationalelf oder Nena vor der Kamera. Aber ihr ward allesamt großartig. Merci & Love.

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