Postfiliale Böblinger Straße: Haben Sie Internet?

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Es gibt Orte, die so schön sind, dass man sie immer wieder gerne aufsucht. Der Türrahmen zwischen Bar und DJ-Pult im Transit zum Beispiel. Das ist der Hochsitz der Schnaps-Kultur, der Nightlife-Chefsessel. Oder das Plattencafé der Familie Ratzer. Hier wird nicht nur mit Vinyl gedealt. Hier wird die Krise eines Fußballvereins aus Bad Cannstatt mit Witz und Anstand diskutiert. Hier befindet sich eines der heimeligsten Popkultur-Wohnzimmer der Stadt. Auch ein guter Ort ist das Kickers-Stadion auf der Waldau. Hier trifft man mehr nette Menschen, als Stuttgart an einem Samstagnachmittag anderswo zu bieten hat.

Dann gibt es aber auch Orte, die man sich nicht ausgesucht hat, die man aber aus Gründen aufsuchen muss. Viele dieser Orte sind so granatenmäßig scheiße, dass sie mir körperliche Schmerzen bereiten. Das liegt zum einen daran, dass meine Nerven immer schlechter werden. Das Alter. Zum anderen ist es aber eindeutig der Beschissenheit dieser Orte geschuldet, Orte, die mich lehren, dass die Hölle viele Gesichter hat.

Universal schreckliche Orte sind Ärzte-Wartezimmer. Auch hier gibt es Variationen des Schreckens. Besonders ekelig sind die Wartezimmer bei Orthopäden und bei Augenärzten, wie mir jüngere Nahtoderfahrungen gezeigt haben. Weniger schlimm ist das Wartezimmer meines Zahnarztes, obwohl ich vor dem die panischste Angst habe. Liegt vielleicht daran, dass bei meinem Zahnarzt weniger Menschen rumhängen, die entweder nichts mehr sehen und deshalb meine Jacke anziehen wollen oder wegen eines gebrochenen Schlüsselbeines an meine Schulter röcheln.

Weitere Plätze, die die Welt nicht braucht, sind sämtliche o2-Filialen dieser Erde. Ich weiß nicht, woran es liegt, dass ich mich bei Telekommunikationsanbietern immer verarscht fühle. Liegt vielleicht am Geschäftsmodell, vielleicht an meiner Beschränktheit. Früher war alles besser. Da lief der Handyvertrag aus, man verlängerte und bekam dafür einen neuen Siemens- oder Nokia-Kolben.

Heute muss man sehr viel Geld in ein neues Smartphone investieren, dafür wird der Tarif von Blue M Emotion in Red L Alert umgestellt, man spart drei Euro, dafür bekommt man eine EA-Sports-Flatrate für zwei Monate für lau, anschließend kostet sie fünf Euro pro Monat, wenn man sie nicht kündigt. Hab ich natürlich vergessen.

Ich möchte nicht wissen, wie viele unschuldige Omis da draußen mit ihrem iPhone Fifa 5000 zocken könnten, es aber gar nicht wissen, weil sie bei den Begriffen „Games“ und „Flatrate“ wie ich in den Zustand eines immer währenden Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms fallen. (Habe übrigens o2 einen Brief geschrieben mit der Vermutung, dass es sich um einen groß angelegten Betrugsversuch handelt, den ich moralisch-ethisch verurteile. Aus Angst vor meiner Oberstudienprosa haben sie mir tatsächlich Geld zurückerstattet.)

Orte, die ich ebenfalls verabscheue, sind sämtliche T-Online-Telekom-T-Punkte, die sich auf Stuttgarter Gemarkung befinden. Ich bin im vergangenen Jahr von Kabel BW in den Schoß von Mutter Telekom zurückgewechselt, weil ich mit Cable Badde-Würddemberg auch nicht so recht zufrieden war.

Technisch finde ich T-Entertain und dieses Internet faszinierend. In Sachen Service ist der Tea-Point in der Schulstraße allerdings die treudoofe Wüste Gobi. Alle netten Menschlein dort sind total engagiert. Dennoch haben bei uns erst die Ummeldung und dann der Umzug nicht geklappt. Tage ohne Telefon sind gute Tage. Tage ohne Internet sind Folter.

Natürlich musste ich dann beim Umzug die Bereitstellungsgebühr, die ich beim Online-Abschluss fett gespart hatte, wieder zahlen, weil ja der Tech Nick vorbeikommen musste, um zwei Kabel zu streicheln. Leider habe ich keine Kraft mehr, noch einmal in die T-Filiale zu gehen, um mein sauer verdientes Geld zurückzufordern.

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Der Ort, der seit geraumer Zeit aber am schlimmsten für mein Chi ist, ist meine Post-Filiale im Stuttgarter Süden. Es. Ist. Die. Hölle. Wirklich. Meine Lieblingspostbeamtin sieht aus wie die große Schwester von John Lennon, die irgendwann beschlossen hat, ihre muffigen Kunden nur noch durch die rosarote Brille zu betrachten. Eine rosarote Nickelbrille im Arbeiter- und Bauernstaat Heslach. Auch nach der x-ten Wiederholung immer noch ein verstörender Anblick. (Anmerkung der Redaktion: Sollte die rosa Brille medizinisch notwendig sein, entschuldigen wir uns an der Stelle und bringen demnächst rosa Tulpen zur Entschädigung vorbei.)

Mit Johanna Lennon bin ich bereits mehrere Male aneinander gekracht. Es muss am Karma der Filiale liegen, an den meist meterlangen Schlangen. Irgendwie liegt hier immer Hass in der Luft, der ansteckend ist.

Am schlimmsten war mein letzter Besuch in der Filiale. Zu meiner völligen Enttäuschung kam ich dieses Mal sofort dran, ohne Anstehen, direkt beim rosaroten Postpanter. Nicht mal auf Hass und Schlange kann man sich mehr verlassen. So viel Glück macht misstrauisch. Als Lady in Pink mich dann auch noch kompetent im Themenbereich Einschreiben berät, spielen meine Hormone verrückt, ich will sie heiraten und mich bei der Post bewerben.

Die Metaebene Einschreiben schließt sie mit einer Portion Neuland ab, mit der schönsten Frage, die mir seit langem gestellt wurde:

„Haben Sie Internet?“

„What’s äpp, Baby, meine Freunde rufen mich Ingmargram7000, ich habe meine Seele vor fünf Jahren an einen Herrn Zuckerberg für drei likes verkauft, nenne zwei W-Lan-Signalverstärker mein Eigen, betreibe einen Twitter-Kanal, auf dem keiner liest, was ich nicht schreibe (@aussenreporter) und wie alle geilen Hirsche auf Facebook bin ich seit wenigen Tagen bei Threema (CODE XYZ), damit die Nasa nicht mehr all meine Nachrichten lesen kann (Lachsmiley Daumen hoch zwei prostende Gläser Zwinkersmiley). Also ja, ich habe dieses Internet.“

„Klasse, da können Sie Ihre Sendung nämlich verfolgen.“

Hightech in Heslach. Durch die rosarote Brille betrachtet sieht die Hölle eben nur noch wie ein Barbie-Fanshop aus.

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14 Comments

  1. says: Spätzle

    LOL. Schreibst mir aus der Seele.
    Das rosarote Kätzchen irritiert mich auch jedes mal beim Besuch dieses schrecklichen Orts.

  2. says: Naddi

    Die einzige Hölle die fast schon Kult ist!
    Und vergiss nicht, jetzt kommt der Sommer – es wird heiss!!!

    Ganz ehrlich wenn die den ganzen Tag in ner Sauna mit zu wenig Personal und aggresiven Gästen arbeiten müssen, kannst du froh sein die hat nur ne rosarote Brille und kein Waffenschein! 😉
    Ich bin jedesmal froh wenn ichs lebend raus geschafft habe!

  3. says: saarländer

    Mit der guten Frau in der Süd-Post bin ich auch schon aneinadergeraten. Ansonsten muss ich aber sagen, dass ich fast nur gute Erfahrungen mit der Post gemacht habe, da wo sie noch physisch vorhanden ist und durch Menschen statt durch Postschliessfächer vertreten wird.
    Und in Handyshops fühl ich mich jetzt schon wie ein Rentner.

  4. says: bernd_s

    Ich finde – in allen Postfilialen – die „amerikanische Schlange“ zum Anstehen vielfach übernehmenswert. Kein murphylawgeschwängertes Falschanstellen, sondern einfachstes hintanstellen.

  5. says: wonda-bra-bernd

    aber hallo! die heslacher postfiliale toppt alles was ich bisher kennenlernen musste. drei jahre von der filiale in der sennefelder im westen verwöhnt worden, schnelle bedienung, immer freundlich etc. – echte vorzeigefiliale! – ab nach heslach: kürze schlangen, längere wartezeit, todesunfreundlich, die konstante grundaggresivität der kundschaft scheint kurz vor achterbahn zu stehen (spätestens nach dem 3. besuch, mit der feststellung – das ist ja total normal hier so – stimmt man ebenfalls mit ein). aber on top: die finanzenberatung in dem kleinen glaspuff am rechten eingang mit der offenen decke. was man da als kunde alles mit anhören muss, was sich leute für finanzprodukte von einer besseren wurst- und fleischfachverkäuferin andrehen lassen, bzw. wieviel geld die leute auf dem konto haben etc….so wenig privatsphäre für eine bank ist schon unter aller sau.

  6. says: Fetzer

    Die Brille von der alten macht mir jedesmal gute Laune wenn ich da rein stiefel. Muss echt immer aufs neue schmunzeln. Und wenn ich dann beim Warten noch zuhören kann wie die schwäbische Hausfrau einen Postbank-Knebelkredit aufs Auge gequatscht bekommt hab ich mein Tageshighlight endgültig erlebt 🙂

  7. says: Thomas Krumm

    Von euch war anscheinend noch keiner an der inzwischen nicht mehr existenten Filiale am Kochenhof (Killesberg Central). Da war sie, die letzte gefühlte Beamtin der Post, mit einer Einstellung wie 1970, als der Kunde noch kleiner Bittsteller war. Kenne die Dame im Süden nicht, kann altersmäßig nicht die gleiche sein, kann aber niemals an das Original vom Killesberg ran kommen

  8. says: Katja

    Filiale BB-Str. ohne Schlange? Das werde ich nicht mehr erleben vor der Schließung. Alle Freunde , bzw. Opfer dieser Kultstätte sollten sich dort am letzten Tag zum Leichenschmaus treffen mit Sekt und Häppchen. Was meint ihr da draußen? Gutes neues Jahr uns allen, auch Johanna!

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