H&M Fake Bands Bomberjacke: Mock’n’Roll – Rock’n’Troll

Ah, die einen sagen „Grillsaison beginnt“, die anderen „T-Shirt Wetter!“. Und der schwedische Haute Couture-Produzent H&M ist jetzt mittendrin. Nachdem sich die „Szene“ bereits über den Verkauf von T-Shirts von streng antikommerziellen Underground-Bands wie Metallica, Guns ’n Roses und Slayer erregte, ging H&M nun einen Schritt weiter: in der Frühjahrskollektion konnte man u.a. eine fetzige Bomberjacke bestückt mit Aufnähern erstehen. Diese wiederum sahen aus wie die Schriftzüge von Metal-Bands.

Grund genug für ein paar Metaller, schon mal vorsorglich „Ausverkauf!“ zu motzen. Erst recht als das Label „Strong Scene Productions“ auch noch mit den wiederveröffentlichten Demos eben dieser legendären Underground-Metal-Bands warb.

Denn vier Clicks später war klar: keine dieser Bands existierte jemals – nicht auf der H&M-Jacke, nicht auf Tonträger und schon gar nicht im echten Leben. Alles frei erfunden. Erster Impuls: „Boh, voll böhmermann diese Typen im H&M-Marketing“. Aber H&M war’s gar nicht.

„Nein“, heißt’s nämlich aus der Presseabteilung von H&M in Hamburg. Hab dort angerufen. Man hätte weder das Video produziert, noch irgendwelche Bands frei erfunden.„Dass es sich bei den Aufnähern auf der Jacke überhaupt um die Logos von Metalbands handle, ist IHRE Interpretation.“ Stark.

Ebenso die Annahme, das hässliche T-Shirt mit der Aufschrift „Mortus“ solle wie ein ein Bandshirt wirken. Lediglich die Szene, sei auf die natürlich vöööllig unbeabsichtigte  Ästhetik angesprungen. Beabsichtigt war ein „90er-Look“.

H&M weißt auch ausdrücklich jegliche Verbindung zu „Strong Scene Productions“ zurück – und die namentliche Nennung der freundlichen Person, die meine Fragen dort beantwortete.

Erste Hochrechnung: H&M ist ein bisschen sauer, weil bloßgetellt. Wahrscheinlich wollten sie den Kidz nur hart rockende Garderobe andrehen und die Lizenzgebühren für echte Bandlogos sparen – da mussten halt die „Inhouse“-Grafiker ran.

Hinter „Strong Scene Productions“ wiederum stecken ein paar eigenwillige Metalfreunde aus Finnland und Skandinavien, die diesen modischen Flachpass der H&M-Designer per Fallrückzieher ins Tor bumsten. Auch sie weißen jegliche Verbindung zu H&M zurück.

Sie versahen die „Bands“ der besagten Jacke mit gefakten Biographien, Platten- und Demo-Cover, Bandfotos und Songs.  Sehr verwegen: einigen „Bands“ dichteten sie im völlig erstunkenen Beipackzettel auch Neonazi-Seilschaften an. Wodurch sich H&M gleich die erste Schelle einhandelte, wie man denn bitteschön „Nazi-Bands“ promoten könne.

Durchaus liebevoll ist auch die Gestaltung der „Band“ Eternal Dusk, inklusive dem Labelhinweis „Piecewill“ – das klingt und sieht so aus wie damals bei Paradise Lost auf „Peaceville Records“.  Und machen wir uns nix vor: „Drink The Devil’s Blood and Inhale Cocaine“ ist ebenfalls ein vielversprechender Plattentitel – egal für wen.

Selbst auf  Discogs haben sie ein bisschen gestreut. Die Kontaktadresse auf einem der Tapes kann auch einiges: „No contact – fuck off“. Hier geht’s zum Youtube-Kanal.

Noisey führte nun ein Interview mit einem der Urheber des Spaßes, die sich an die absurde H&M-Kollektion ranhängten und den eh schon bizarren Quatsch auf die Spitze trieben: Henri  Sorvali, Musiker u.a. bei den Bands Finntroll und Moonsorrow.

Erst habe ich kurz geklatscht, dann bei Google seinen Namen eingegeben. Ja, er scheint ein tatsächlich lustiges Kerlchen. So pflegt er u.a. nicht nur den Künstlernamen „Trollhorn“, sondern ist auch unter dem Namen „The Sieg Heil Man“ bekannt. Uff.

Aber nicht verzagen, weiterfragen: Als „The Sieg Heil Man“ spielte Sorvali Gitarre bei der finnischen Grindcore-Band „Lakupaavi“, einem Spaßprojekt von Moonsorrow. Auf dem Cover ihrer Platte „Raah Raah Blääh“ stehen u.a. Bischoff Desmond Tutu und Jesus in Nazi-Uniformen.

Das lässt sich eventuell als fragwürdiges Humor- oder Anarchieverständnis durchwinken, so wie das Nazishirt von Sid Vicious damals. Eventuell – je nach Leberwerten und Kenntnissen der finnischen Sprache. Letzteres fehlt mir. Meine Einschätzung: Schwachkopf, bis das Gegenteil bewiesen wird.

Ich kann mir nämlich nicht erklären, wieso in aller Welt es jemand witzig finden könnte, wenn bei den Google-Suchergebnissen riesengroß „The Sieg Heil Man“ unter seinem Bild steht. Meine Mutter würde mir da den Arsch aufreissen.

google

Ville Huopakangas, Teil des „Strong Scene Productions“-Kollektivs erklärte auf Anfrage, es handle sich bei der H&M-Aktion tatsächlich um ein Kunstprojekt von diversen Künstlern aus Skandinavischen Ländern, Namen der Beteiligten wolle er derzeit nicht preisgeben. Es handle sich aber um „tens of people“.

Er bestätigte, dass auch gerade viele Metaller auf den Spaß reingefallen wären: „Alle, die dachten, wir hätten irgendwas mit H&M zu tun und ihre Band über unsere Facebook-Seite promoten wollten: schämt euch bitte. Ihr seid wirklich nicht ‚metal‘ und werdet es auch nie sein.“

Ich wiederum möchte hier kurz anmerken, dass „The Sieg Heil Man“ ebenfalls überhaupt nicht „Metal“ ist. Nur so. Am Rande.

Jener Henri Sorvali, sei aber durchaus ein Teil der Gruppe: „Wenn man als Kollektiv zum Beispiel auch Twitter nutzen will, muss man sich am ehesten jemanden im Umfeld suchen, der dort die meisten Follower hat, oder?“

Auf die Frage, weshalb Sorvali „The Sieg Heil Man“ hieße, sagt Huopakangas: „Ich habe ihn noch nie so genannt. Um ehrlich zu sein, höre ich das auch gerade zum ersten Mal.“

Der neuerliche Mocking-Spaß nervt jetzt schon. Ich will wieder gescheit rum-!!!eeins!!1elfen, anstatt stundenlang Mittelfingervideos, Death Metal oder Modeangebote zu prüfen. Ey. Und am Ende kommen dann Böhmermann und die Bildundtonfabrik um die Ecke und sagen: „Nee, wir waren das!“.

P.S.: Wie paranoid man bei der Recherche werden kann: „Huopakangas“ heißt auf Deutsch übrigens „Filzstoff“.

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6 Comments

  1. says: Thorsten W.

    Aber guter Stunt insgesamt, zu (wie meistens) sinnbefreiten Fashion-Logos Geschichten zu erfinden. Sollte man öfter machen.

    Eine Freundin wurde damals im Hi auch gefragt, zu welcher Gang sie gehören würde, wegen dem Patch auf der Jacke. War aber auch nur H&M.

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