Filmtipp by Afro-Dieter: Dear Wendy by Thomas Vinterberg

Hochwertige Mattscheibenwoche bei KTV: Nach der Philosophen-Serie „Two and a half men“ und dem Programmkinoschmankerl „Zurück in die Zukunft“ biegt unser Afro-Dieter noch mit einem Tipp um die Ecke und unterstützt damit etwas den guten Volker, der leider seit einiger Zeit ziemlich im Stress ist, hat aber ein baldiges Comeback angekündigt.

Da ich ja schön längers latent filmsüchtig bin und es diesen Winter bestimmt wieder gut und gerne 40 Streifen geworden sind, wollt ich als kleines Rad im wilden Party- und Turnschuh-Getriebe mit mehr als Party- und Festvial-Geschichten dienen. Daher, als neuer Mitstreiter des Film-Volkers, dessen wertvolle Filmtipps („Lars und die Frauen“!!, „The Fall“!!!) ich ungemein schätze, meine Empfehlung für einen komischen, unrealistischen, skurillen und m.M. äusserst sehenswerten Film: DEAR WENDY.

Der Film erzählt die Geschichte des jungen Einzelgängers Dick (*prust*), der in einer kleinen, amerikanischen Bergminen-Stadt aufwächst und nahezu Elternlos von der Haushälterin Clarabelle aufgezogen wird. Da er sich zur Arbeit in den Minen und damit zum Lebensunterhalt von 95% der Bewohner nicht berufen fühlt, landet er als blasse Aushilfe im Tante Emma Laden, der von einem noch blasseren und paranoiden Eigentümer geführt wird. Als pazifistischer Nicht-Minenarbeiter trägt er damit in der Dorf-Hierarchie einen Looser-Status, bei dem selbst der VfB momentan noch glänzend dastehen würde.

Und wie die Fliegen zum Gitter zieht es alle anderen unscheinbaren Leuchten der Stadt in sein Umfeld: die verzwungene Susan, Tochter des örtlichen Krims-Krams-Laden-Besitzer, den schüchternen wie maulfaulen Kollegen Stevie, den verkrüppelten Nachbarsjungen Huey und dessen einfältigen Bruder Freddie – alle spielen eigentlich keine Rolle und dies ohne jedes Selbstwertgefühl.

Doch der Lauf dieser unbedeutenden Vorstadtgeschichte ändert sich grundlegend, als Dick durch Zufall auf seine große Liebe „Wendy“ trifft. Auf den ersten Blick eine kleine Spielzeug-Knarre aus dem 19. Jahrhundert, doch nach unerwartet fachkundiger Auskunft des sonst so passiven Kollegen Stevie eine voll funktionstüchtige Handfeuerwaffe für Damen.

Mit Unterstützung des belesenen Stevie lernt er alles, was man über die Waffe wissen kann, gibt ihr einen Namen und schmiedet den Plan, mit ihr und allen anderen Loosern des Fleckn einen pazifistischen Waffenclub zu gründen: Die Dandies.

Jedes Mitglied wählt sich je nach Verfügbarkeit eine skurrile Handfeuerwaffe und tauft diese in okkulten Ritualen mit bedeutungsschwangeren Namen. Im Gegensatz zu den Besitzern hat jede Waffe ihre eigene Geschichte, versagte im entscheidenden Moment oder trifft auch mal blind.

Und mit jedem Schuss überträgt sich ein Teil der Feuerkraft auf das schwammige Rückgrat der Hippster, äh Dandies. Mit stolzgeschwellter Brust stellen sie sich mitten auf den Dorfplatz und fühlen zum ersten Mal Stärke und Selbstsicherheit in ihrem bis dato bedeutungsfreien Leben. Man übt Fechten, schießen, kleidet sich im Stil der aktuellen Hilfiger-Kollektion, studiert Munitionskunde und debattiert über Ein- & Austrittswunden wie andere über das neue Parksystem im Westen.

Doch als ein neues Mitglied dem Club beitritt und mit Wendy fremdgeht, zeigt Dick ganz und gar unpazifistische Seiten – spätestens hier wird klar, dass der Schluss kein Sonntag-Nachmittag-Picknick auf einer blütenreichen Wiese enthält und definitv alles grandios zum Scheitern verurteilt ist. Als dann die mittlerweile demente und paranoide Haushälterin Clarabelle zum Geburtstag ihrer Cousine eskortiert werden muss, geht eine Handlungslawine ab, die alles mit sich reisst: die Looser, die Gewinner, die Wahrheit und die Realität.

Der Film basiert auf einem Drehbuch des Dänischen Regisseurs Lars von Trier, der allerdings die Regie seinem Landsmann Thomas Vinterberg überließ.

Seit „Jalla Jalla“, „Dänischen Delikatessen“ und „Adams Äpfel“ wissen wir, dass die Skandinavier ein Faible für Abstruses haben, aber die Jungs um „Dear Wendy“ haben mal richtig wild am Surrealismus-Baum geschüttelt. Und dies mit System: Die 2 Dänen sind (Guttenberg-Strg-C/on) „Mitbegründern der Dogma 95-Bewegung, die zum Ziel hatte, einen neuen Realismus im Film zu erreichen.“ (Guttenberg-Strg-C/off) Für tiefergründig Interessierte empfiehlt sich der Wiki-Eintrag zu Dogma 95.

Kurzum, ich hoffe, ich konnte meine Faszination für diesen ungewöhnlichen Film glaubhaft beschreiben, ohne zuviel preiszugeben. Wer mehr so auf den „Pferdeflüsterer“ steht, sollte sich stattdessen denselbigen vielleicht einfach nochmal reintun, Robert Redford sieht da aber auch echt noch gut aus. Doch wer für Hippsterism und Surrealismus empfänglich ist, sollte sich die 100 Minuten Zeit für „Dear Wendy“ nehmen.

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12 Comments

  1. says: Ken

    einige szenen des films wurden in nordrhein-westfalen gedreht!!!

    btw.: ich finde den film ganz fürchterlich. einer der schlechtesten „dogma“ filme!
    wenn ich den mit das fest oder idioten vergleiche…
    ist aber wie immer wohl geschmackssache!

  2. says: afro-dieter

    Nordrhein-Westfalen, UNGLAUBLICH!!!
    Nur um das besser zu verstehen: Ist bei dir „Schlechtes Wetter“ und „Montag morgen arbeiten“ auch „ganz fürchterlich“? 😉
    Ich werd mir bei nächster Gelegenheit „Das Fest“ und „Idioten“ anschauen, dann mach mer das mal bei nem Bier aus. Oder auf der Strasse 🙂

  3. says: Ken

    @ afro dieter:
    das mit nrw schreibe ich nur, da der film ja in einer „amerikanischen“ kleinstadt spielt. soll nur ein kleiner wissenswerter fakt zu deinem tipp sein, dass der film halt in dänemark und deutschland gedreht wurde…

    und bezüglich meiner definition von fürchterlich: ICH fand absolut keinerlei zugang zu dem film (und dass ist für mich das schlimmste, was mir bei einem film passieren kann). habe den in drei quälenden anläufen angeschaut und war eben alles andere als begeistert. eigentlich mag ich ja experimentelle filme sehr gerne, der wars aber halt definitiv nicht bei mir! den film, den hr. vinterberg vor dear wendy gedreht hat, ist allerdings einer meiner lieblingsfilme: „it´s all about love“ mit joaquin phoenix, claire danes und sean penn. den kennt aber glaub ich irgendwie niemand… und mit diesem film und eben mit das fest vergleiche ich deinen tipp! damit, lieber dieter, möchte ich deine empfehlung nicht schlecht machen HANDELT ES SICH DOCH HIER UM MEINE PERSÖNLICHE MEINUNG!
    GELL, MARTIN! 😉

    wenn hier tipps gegeben werden, kommentier ich die halt!

    wäre ja noch schöner, nur kommentieren zu dürfen, wenn man die tipps uneingeschränkt toll findet.

    ist kessel.tv jetzt nur noch ein „blog der guten laune“? 😉

    btw:
    @ afro dieter:

    bei nem bier auf der strasse geht klar! 🙂

  4. says: martin

    ich hab mich weniger über deine meinung zu dem film amüsiert sondern über deinen „schreienden“ ton, wahrscheinlich warste aber noch aufgedreht vom grandiosen 1:0 des vfb, hehe. dachte mir mensch, der ken ist doch eigentlich ein gewissenhafter schreiber, warum brüllt er denn hier so rum und verwendet so viele ausrufezeichen 😉 deswegen mein großbuchstabiger comment, nur spässle

  5. says: Ken

    @ martin:

    es war eher durch meine erkältungsmedikamente, obwohl ich schon noch einen sehr hohen adrenalinspiegel ob der „fulminanten weltklasse-leistung“ unseres dorfvereins hatte.

  6. says: saarländer

    Fand den Film auch echt schön skurril auch wenn ich gut verstehen kann, wenn jemand gar nichts damit anfangen kann. Aber um auch noch mal klug zuscheissen, es ist gar kein „Dogma“-Film, da alles andere als realistisch. Da finde ich das Fest immer noch am besten,

    Ansonsten schöne Kritik von einem aussergwöhnlichen Film.

  7. says: afro-dieter

    Äh okay, wollte eigentlich auch nicht so Dogma 95 feiern, sondern mehr den Film – gerade auch bemerkt dass „Dear Wendy“ exzessiv gegen Dogma Regel Nr. 6 („Du sollst nicht töten“ oder so…) verstößt. http://de.wikipedia.org/wiki/Dogma_95

    Dear Wendy fällt auch klar in die Kategorie „Liebenswert“ oder „Hassobjekt“, kann schon gut verstehen, wenn das polarisiert.

    Anyway, Ken my man, das Straßen-Bier geht auf jeden Fall klar – wenn „Das Fest“ und „Idioten“ gefallen, zahl ich auch 😉

  8. says: Benni

    Ich war zufällig damals für ne Promo-Schulung im selben Hotel wie die Filmcrew, Dortmund wars glaub ich… Bin abends in die Hotelbar gestolpert und am Eingang steht nen Typ, den ich definitiv kenne. Ich hab ihn einige Sekunden angestarrt, in der Hoffnung dass er mir nen Hinweis gibt, aber ohne Erfolg… 20 Minuten später fiels mir dann ein: der Sherminator aus American Pie. Tierisch gefreut, Fanboymässig nen Autogramm eingesammelt („Was steht da? Chris Owen?“ Kenn ich nicht, schreib ma Sherminator!“) und weiter Bier getrunken, während sich der Rest des jungen Casts lautstark aus dem Leben genommen hat. Man, war ich zufrieden.

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