Ausflugstipps rund um den Kessel: Jäger des verlorenen Autos

Ausflug kann jeder, unser neuer Gastautor Schneider hat die abenteuerreichen Ausflugstipps mit dem Extrakick. Einzigartige Erlebnisse wie bei Jochen Schweizer, nur anders. Aber genauso teuer. 

Sommer, Sonne, Sonnenschein. Ausflugstipps voll am boomen. Alle wollen raus aus der Stadt, bissle was erleben, bissle braun werden, aber net zu arg, weil des isch net gesund. Sieht auch nicht gut aus, weil wo Monaco draufsteht, muss ja auch Monaco drin sein, und Stuttgart, das ist eher so Wellness im Schwarzwald, Schwimmen im Gardasee, Ausflug in die Region, wir haben’s doch schön hier.

Besonders schön ist’s am Birkenkopf, Monte Scherbelino, höchster Buckel im Umkreis, Bomben-Aussicht, Bomben-Schutt, ihr wisst schon. Weil nur hochlatschen voll langweilig ist und da oben auch keine Eisdiele ihr selbst gemachtes, Demeter-zertifiziertes Bio-Eis verkauft, empfiehlt sich eine gute Vorbereitung.

Hier in Stuttgart hat man das Glück auf zahlreiche Vereine zurückgreifen zu können, die dafür sorgen, dass garantiert kein Spannungstief aufkommt. Los geht’s!

An einem sonnigen Samstagnachmittag kann man zum Beispiel sein Auto in der Innenstadt abstellen. Eingeschränktes Halteverbot ist schon mal gut, noch schneller geht’s im absoluten Halteverbot.

Exkurs Halteverbot: Das eingeschränkte Halteverbot erkennt man am runden blauen Schild, das mit roter Umrandung und einem roten Schrägstrich gekennzeichnet ist. Das absolute Halteverbotsschild kommt mit einem roten X statt dem Schrägstrich daher. Nicht davon irritieren lassen, dass manchmal ungewöhnlich viele Fahrzeuge im Halteverboten parken – das Halteverbot gilt trotzdem. Besonders an sonnigen Samstagen, an denen die Parkhäuser der Innenstadt voll belegt sind, erfreuen sich die Birkenkopf-Abenteuertouren besonders hoher Beliebtheit.

Spätestens innerhalb einer Stunde schaltet sich die örtliche Spaßgesellschaft in blau ein und leitet das Abschleppen des Fahrzeugs durch einen der zertifizierten Kooperationspartner aus der Region (da legt man bei den Blauen besonderen Wert drauf) in die Wege. Das Abenteuer kann beginnen.

Achtung: Ab diesem Punkt ist die Dienstleistung gebucht, Gebühren werden fällig, eine Rückerstattung ist ausgeschlossen. Nun heißt es: Schnitzeljagd. Der erste Anruf bei der Zentrale verspricht bereits Entertainment höchsten Niveaus.

„Hallo?“
„Sie haben mein Auto abschleppen lassen.“
„Kann sein.“

Pause. Spannung steigt.

„Wo kann ich es abholen?“
„Wie lautet denn Ihr Kennzeichen?“

Nennung des Kennzeichens.

„Ne, das wurde nicht abgeschleppt.“
„Ich denke doch.“
„Sind Sie sich sicher?“
„Ich hab’s gesehen.“
„Wo standen Sie denn?“
„Thouretstraße.“
„Ne, da hab ich nix.“

Eine weitere spannungssteigernde Pause. Man hält es kaum aus.

„Melden Sie sich in fünfzehn bis zwanzig Minuten nochmal.“

Während man die Zeit zwischen den Anrufen verstreichen lässt – und es werden einige sein – kann man sich bereits mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Richtung Feuersee begeben, die sportlichen unter uns entscheiden sich für den Fußweg. Die Theodor-Heuss-Straße sowie die Königstraße bieten sich an und haben jeweils ihren ganz eigenen Charme.

Der Vorteil beim Fußweg: Man erfreut sich der frischen Luft und hat vorzüglichen Empfang, um die weiteren Anrufe mit der örtlichen Spaßgesellschaft zu tätigen. Die spannt einen aber auf die Folter. Anruf Nummer zwei wird genauso verlaufen wie Nummer eins, erst der dritte Anruf bringt scheinbar Licht ins Dunkel. Spoiler: Eine unvorhergesehene Wendung ist garantiert.

„Ihr Wagen steht auf dem Parkplatz am Birkenkopf.“
„Muss ich was mitbringen? Fahrzeugpapiere? Bargeld?“
„Ich glaube nicht. Rufen Sie beim Abschleppdienst an.“

Nach der Nennung einer Telefonnummer durch einen weiteren freundlichen Kollegen von der Spaßgesellschaft, kommt man beim Kooperationspartner aus der Region raus und erfährt:

„Das Auto haben wir nicht abgeschleppt.“ Oha!
„Ich habe die Info von der örtlichen Spaßgesellschaft!“
„Die irren sich.“
„Das kann nicht sein.“ (Denn die örtliche Spaßgesellschaft irrt sich nie, das wissen wir.)
„Wir haben in den letzten Tagen nur einen PKW abgeschleppt und das war nicht Ihrer.“
„Sie irren sich.“
„Sicher nicht.“

Das Handwerk der Spannungssteigerung versteht man auf jeden Fall. Man lässt den Teilnehmer der Tour Birkenkopf bewusst im Dunkeln tappen. Mit zwei Schnitzeln wird man auf die Jagd geschickt: „Das Auto steht am Birkenkopf.“ und „Das Auto steht nicht am Birkenkopf.“

Nun kann es nur eine Lösung geben: Rauf auf den Birkenkopf, sich selbst ein Bild machen. Die Linie 92 fährt von der Haltestelle Feuersee innerhalb von elf Minuten dorthin. Gut, wenn man während der Telefonate bereits hierher gefunden hat. Schöner ist es aber, sich einen motorisierten Ausflugspartner in der Nähe zu suchen, der einen hochfährt. Dauert genauso lang, ist aber spaßiger. Und um Spaß geht’s hier ja.

Auf dem Parkplatz angekommen, findet man sich inmitten einer tollen Sehenswürdigkeit wieder: ein Autofriedhof, einsam, verlassen, mitten im Wald. Hier, zwischen eingelaubten PKWs und Sprintern, auf deren Heckscheiben handgeschriebene Zettel mit Nachrichten wie „BITTE WEGFAHREN – VERANSTALTUNG!“ kleben, findet man dann endlich seinen eigenen Wagen. Toll.

Wo bekommt man sonst einen solchen Adrenalinkick beim Besuchs eines Stadtbergs geboten? Zum Teil nehmen Leute lange Fahrten aus dem Ausland auf sich, um dieses einzigartige Ausflugserlebnis mitzumachen. Gut zu erkennen an den Kennzeichen der anderen Tour-Birkenkopf-Teilnehmer (IRL, GB, F, …).

Wer sich nun den Blick über den Kessel inmitten von fummelnden Pärchen (schlabberschlabber), ambitionierten Joggern („Läuft…“ auf dem Rücken) und Intellektuellen („Schaut euch das an, so toll sahen die Häuser früher aus! Da seht ihr mal wie schlecht es uns heute geht!“) nicht entgehen lassen möchte, wagt zum Schluss noch den viertelstündigen Aufstieg bis zur Bergspitze. Es lohnt sich.

Ausflugsdauer: ein halber Tag brutto
Kosten: 142,80 Euro plus Gebühren

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