Trend zur Zweitwurst: Stuttgarter Kickers gegen Pforzheim

Endlich wieder Fußball ohne VAR: Stuttgarter Kickers gegen CFR Pforzheim im ehrwürdigen Gazi-Stadion. Das war auf dem Papier ein Top-Spiel (Erster gegen Dritter). Auf dem Feld eine klare Angelegenheit (3:0). Und auf der Stehtribüne ein Kammerspiel in zwei Akten mit shakespearesquen Dialogen:

Die Kickers müssen aufpassen, dass sie nicht zuviel tschupp-tschupp machen. Dann kann eigentlich nix passieren.“ Gemeint war vermutlich der in greifbare Nähe rückende Aufstieg. Es sind noch zwölf Spieltage, aber die Kickers knüpfen nach der ellenlangen Winterpause da an, wo sie vor Qatar aufgehört haben: in jedem Spiel hochkonzentriert und so ziemlich jeden Gegner schlagend. So, dass man Stand heute zehn Punkte auf den Zweitplatzierten hat.

Dieser Zweitplatzierte ist Sonnenhof Großaspach. Zu deren letztem Heimspiel in die WIRmachenDRUCK Arena ganze 380 Zuschauer kamen. Da kannst eigentlich auch Home Office machen und das Ganze mit Microsoft Teams austragen.

Zum Vergleich: Im Gazi-Stadion waren an diesem Samstag 4.140 Zuschauer. So, dass die Leute hinter mir einen Nachzügler umständlich zu ihrer Gruppe navigieren mussten: „Wo mir standet? Nach der Wurstbude nei. Block G. Feldherrenhügel“. Herrlich. Conversations overheard auf der Waldau – aber als Kunstprojekt.

Dresscode in Degerloch übrigens City-Tarn: Dunkelblaue Winterjacken, mit denen du auf der Königstrasse nicht weiter auffällst. Der Kickers-Unterstützer trägt maximal einen „Auf die Blaue“ Schal um den Hals als Zeichen seiner Verbundenheit. Das kommt wohl noch aus Zeiten, in denen die Kickers richtig kacke Fußball gespielt haben. Da bist du lieber underdressed gekommen als ausgelacht wieder heim.

Da isch’er ja, der Hopsing. Der Bierdurscht treibt ihn nach Degerloch.“ Kurze Pause, dann treffsichere DAZN-Analyse des Spielgeschehens auf dem Platz: „Der Torwart von denne isch brutal klein. Dem kannst mal eine über den Scheitel ziehen.“

In der 12. Spielminute verliess einer der fünf die illustre Fangruppe mit den Worten „Ich hol mir eine Zweitwurst“. Als er wieder zurück war und das Spiel beim Stand von 1:0 ein bisschen vor sich hinplätscherte, wurden neue Themenkärtchen gezogen. Denn einer in der Gruppe fehlte offensichtlich: Bernhardt. „Dem wird die Birne neu eingestellt. Der hat n‘ Burnout.“ Es folgte, was folgen musste: das 2:0 und der Klassiker unter den Diagnosen. „Aber net vom schaffen, höhöhö….“ Ja, wenn Depression nur immer so einfach wäre wie manche Gemüter.

Im G-Block machten sich danach Reizhusten, Davidoff Coolwater und Kiffe breit. Dazu die Gesprächsthemen Darmspiegelung („gut“) und VfB („böse“): „Wenn der VfB heute in Frankfurt a Spritz kriegt, wird’s duschter“.

Spritze gab’s ja nachweislich für den VfB am Samstagnachmittag keine, aber Balsam auf die brunogeschundenen Seelen halt auch wieder nicht so richtig. Ob das jetzt für den VfB gut war und am Ende reicht, muss der Sport-Astrologe beantworten oder der El Pibe. 

Der gleiche Astrologe, der mir für diese Woche eigentlich prophezeit hatte, dass ich nach München fahren sollte zu FCBPSG. Dann kam aber was dazwischen und dafür gab’s dann halt SVKPFRZHM. Egal. Und vielleicht besser so. Ich bin glaub eh der einzige, der Messi blöd findet. Natürlich nicht fußballerisch, das wäre vermessen (pun absolutely intended). Aber dieses salzwasserfischglatte, ben-affleckige geht mir aufn Keks. 

Genau wie wenn einer zuviel und zu dumme Tattoos hat. So wie der Pforzheimer Einwechselspieler, der glaub seine Rückennummer neben das Ohr gefräst hatte – und zwar net in die Frise, sondern in die Haut. Wenn der irgendwann den Verein oder die Position wechselt, muss er sich einen üppigen Backenbart wachsen lassen. Ich weiß nicht, ob das zu Ende gedacht wurde. 

„Der Spielball wird Ihnen präsentiert von der Metzgerei Kübler“ gab der Stadionsprecher in Degerloch fokussiert durch. Und ich hab mich gefragt, ob man das nicht irgendwann im Sinne von Marketing 2.0 auf Kübler-to-go umstellen sollte. Weil wenn man irgendwo analoge Nomaden trifft, die nach 22 Uhr noch Bierdurst und Wurstappetit haben – sprich: die Kernzielgruppe von Kübler-to-go – dann ja wohl auf der Waldau.

In der zweiten Liga etwas weiter östlich habe ich mir neulich ein Spiel angeschaut, bei dem die Auswechslungen immer von einem Restaurant in der Nähe präsentiert wurden. Da dauerte jede Auswechslungsansage länger als ein Miley Cyrus Song: Vom Platz geht der Spieler mit der Nummer 13, für ihn kommt mit der 28 der Torschütze vom letzten Samstag. Diese Auswechslung wurde Ihnen präsentiert vom Landgasthof Bären. Landgasthof Bären, wo es lecker schmeckt und man gemütlich beisammen sitzt. Landgasthof Bären: Salatvariationen mit warmer Putenbrust, Baguette und Butter 10,80. Rote Beetecremesuppe mit gebratener Garnele 9,20… Bei den Desserts war dann Halbzeitpfiff.

Halbzeit war dann auch in Degerloch. Versüßt von den Werbebotschaften „weil wir heute nachhaltig entscheiden wie wir morgen leben“Wasser findet immer einen Weg. Wir auch“. Und „Werde auch du ein Teil der krzsszrrrrrr Crew“ Ich hab Powernap-Crew verstanden und in allen drei Fällen den Absender der Werbeversprechen vergessen.

Und noch etwas Kryptisches gab’s zur Pause: Steakhouse Fries für 4€. Am Ende sind das aber dann auch nur breite Pommes ohne Eigengeschmack. Über den Rest kann ich nichts sagen. Als ich noch Wurstbürger war, gab es in Degerloch die beste Rote im bezahlten Fußball. Jetzt gibts unter anderem Fallafel und die Autokorrektur möchte, dass ich daraus Fallapfel mache. Von mir aus.

Am Ende blieben 3 Punkte, vergnügliche 90 Minuten Fußball, viele denk- und merkwürdige Zitate – und leichtes Steakhouse Sodbrennen. Und ein bissle Verwunderung über das übertriebene Polizeiaufgebot vor und nach dem Spiel. Wenn man in Pforzheim lebt, muss man doch nicht extra nach Degerloch fahren, um sich zu prügeln. Da kann man doch bitte auch einfach vor die Tür gehen. 

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