The Wappen formerly known as altes Wappen

Vergleich

(ab 2014 dann wieder andersrum)

Mit einer überwältigenden Mehrheit von knapp 80% wurde bei der VfB Mitgliederversammlung am Montagabend beschlossen, dass der VfB Stuttgart sein altes Wappen wieder bekommt – in einem Jahr. Dann wird alles gut, die „1893“ steht wieder im Wappen, die Schrift ist etwas unleserlicher, wir holen das Triple und machen einen roten Rahmen außenrum. Oléolé. Ich find‘ auch, dass es geiler aussieht. Wahrscheinlich auch, weil ich mich als Kind daran gewöhnt hatte. An das andere Wappen später auch, keine Frage – aber richtig hot war’s nie.

Modifiziert wurde das Vereinswappen letztmals Ende der 90er-Jahre, auch um dem lukrativen Trikotmarkt in Asien etwas entgegenzukommen. Ich verstehe das aber noch immer nicht. Mein Verein, mein Trikot. Basta. Ich kenne keinen, der im Sportgeschäft motzen würde, „haben sie das VfB-Trikot auch in blau?“ oder „Nee, mit dem Wappen kauf ich das aber nicht!“. So was macht höchstens Tim Wiese und bekommt dann im rosa Trikot einen durch die Hosenträger geschossen. Egal jetzt. Ab der Saison 2014/2015 wird wieder alles so wie früher.

Mir wird aber ein bisschen übel, wenn allerdings ausgerechnet das nun ein Anlass sein soll, laut rumzubrüllen: „Die Tradition hat gewonnen“.

Ich habe es nämlich nicht so mit der Tradition, beziehungsweise glaube ich, dass wer laut nach ihr ruft, sich auch konsequenterweise mit der ganzen Geschichte auseinandersetzen sollte. Und da tut sich der VfB unnötigerweise schwer. Zum Beispiel damit, dass 1933 in Sachen „Zusammenhalt, Ehre und Treue“ wenig geboten war, beziehungsweise die Grundwerte jedes Vereins beim VfB sehr einseitig ausgelegt und mit Füßen getreten wurden.

„Im Jahr 1931 wurde dann Hans Kiener Vereinsvorsitzender, der bereits zu diesem Zeitpunkt – zwei Jahre vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten – Mitglied der NSDAP gewesen war. 1932 stellte er den vereinseigenen „Platz bei den drei Pappeln“ mit Begeisterung für eine NSDAP-Großveranstaltung zur Verfügung. So schnell wie in kaum einem anderen deutschen Verein führte der VfB unter Kiener 1933 auch die unheilvolle „Arisierung“ durch und entzog den Juden im Verein die Mitgliedschaft. Dieser Hans Kiener, der sich von 1934 an Vereinsführer nannte, wurde 1953 vom Landessportbund mit der Verdienstnadel ausgezeichnet und im Verein weiter hofiert –­­ ­viele Jahre als Mitglied des Ältestenrates.“

Den Rest des StZ-Artikels gibt es hier. Grob geht’s darum, dass sich viele Bundesliga-Vereine haarklein mit ihrer Geschichte im Dritten Reich auseinandergesetzt haben – nur der VfB Stuttgart halt eher so mitteleifrig. Der Zeitpunkt wäre nun ganz günstig, nachdem das damals bei der Ausstellung „Mythos VfB“ schon beinahe vergessen wurde.

Das ändert natürlich garnix an der Vergangenheit. Nein. Aber es wäre beruhigend zu wissen, dass keine Sau stolz darauf ist. Ich habe mal mit einem Rentner gesprochen, der den VfB nicht ausstehen konnte, weil’s „dene Seggl beim Hitler net schnell gnug hat gehe könne“. Es war seine private Form der Tradition, „den Militärverein“ niemals mehr zu unterstützen. Ich glaube, er hat Wort gehalten,  hab‘ ihn schon lange nicht mehr gesehen und gehe davon aus, dass er sich überhaupt nicht mehr für Fußball oder irgendwas interessiert.

In einem halsbrecherischen Schachzug unterstelle ich der Initiative „Pro altes VfB-Wappen“, dass sie genau das Richtige bezweckte: der VfB Stuttgart soll sich mit seiner Tradition beschäftigen, sie bearbeiten und dann zu ihr stehen. Der Initiative gönne ich den Erfolg auch, weil er ein eindeutiges Statement gegen den Fußball-Kommerz-Wahn war, notfalls sogar ein Vereinswappen zu ändern, um marktfähiger zu sein. Der Verein an sich behandelt seine Fans ja schon seit geraumer Zeit wie „Kunden“, dann soll er auch gefälligst die „Kunde ist König“-Nummer durchziehen.

Also, Glückwunsch. Auch wenn das jetzt 20 Jahre her ist und es mir wahrscheinlich auch irgendwie weitere 15 Jahre bums gewesen wäre, wenn die nicht 2010 angefangen hätten, sich für das alte Wappen stark zu machen.

Jessas, ganz vergessen: neuer Präsident ist Bernd Wahler.

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22 Comments

  1. says: Grrr

    Ein super(abschreckendes) Beispiel dafür, was passiert, wenn Entscheidungen nicht von denen getroffen werden, die eine Strategie im Kopf haben sondern nur aus dem Bauch entscheiden. Erinnert mich an Termine mit Kunden, zwei Wochen nach Logopräsentationen: „Ich habe die Entwürfe meiner Frau gezeigt. Sie fände eine Kombination aus 1 und 4 am besten. Machen Sie das“

  2. says: KommNachStgt

    Die Entscheidung für das älte/zukuenftige Wappen
    ist die absolut richtige.
    Sie ist ein erster Schritt um dem VfB endlich etwas Charakter zu verschaffen.
    Die Aufbruchstimmung, die gestern auf der MV zu spüren war, ist genau das, was uns Fans so lange gefehlt hat.
    Die Weichen für eine positivere Zukunft sind gestellt.
    Jetzt muss nur noch die Mannschaft nachziehen.

    Und @Grrr: Ihre Meinung kann ich nicht nachvollziehen.
    Der Grund der Abstimmung war das WAPPEN des VfB, das wie der Brustring eines der Identifikationszeichen für Fans ist und nicht irgendein LOGO, das eine kleine Gruppe alle paar Jahre aus Marketingzwecken ändern kann.

    Auch der gewählte basisdemokratischen Verfahrensweg mit vorhergehender unverbindlicher Mitgliederbefragung ist dem VfB hoch anzurechen.

  3. says: derPaddo

    Reschpekt – ich hätte zu dem Thema ja jedartigen Kommentar erwartet. Dass man es aber schafft „Hitler“ in die Schlagwörter zu setzen sprengt dann doch die kühnsten Erwartungen. Manchmal weniger Kopf und mehr Herz, soll nicht schaden.

    So long, Cheerio!

  4. says: Seb

    Fand es gestern ehrlich gesagt recht ansteckend, also die Aufbruchstimmung zu Neuem mit Wahler, Bobic und der Tradition als Basis und hab da tatsächlich prinzipiell auch meine Probleme mit.
    Aber da´s hier gerade um die ‚Tradition‘ ging, hab ich mich trotz ‚Ansteckung‘ bitter an die Begrüssung vom Interims-Präsi Ruf erinnnert: ‚Mir send poliddisch neudrahl … ich begrüße Vertreter der Partien FDP, der CDU und der Republikaner‘ … WTF …
    irgendwie hätte man die Neutralität durch Nicht-Nennung auch hinbekommen … auch wenn die Spezis der Gelben und Schwarzen übergangen worden wären!

  5. says: Effgee

    Michel ! Jetzt hast Du aber wieder mal voll ins VfBler-Herz getroffen !

    Traditions-Wappen, Brustring, neuer Präsi ! Jetzt geht’s los !

    Gestern bei der MV in der Porsche-Arena war für mich aber auch zum ersten Mal nach langer Zeit wieder eine Aufbruchstimmung unter den Mitgliedern und Fans zu spüren:

    Wir packen das an, Gemeinsam für unseren VfB !

    Mit Bernd Wahler als meuem Präsi und Herrn Dr. Schmidt als Aufsichtsrat-Vorsitzender ist ein Neubeginn möglich und genau dazu passt das Traditions-Wappen unseres Vereins !

    Geile Stimmung bei der MV: Fan-Gesänge und Herzblut bei den Redebeiträgen, konstruktiv und trditionsbewusst ! Fast wie Samstags in der Cannstatter Kurve……..

    1893%ig forever VfB ! Rot+ Weiß ein Leben lang…;-)

  6. says: Frau Doktor

    Auch bei der Aufarbeitung der eigenen stramm reaktionären und faschistischen Geschichte gilt beim VfB also, was in vielen Fällen auch für den Rest der Truppe gilt: Warum Profis ranlassen, wenn’s Dilettanten billiger machen können. So kommt man nach vorne! Mal sehen, ob Bernd Wahler einen ordentlichen Proessionalisierungsschub schafft. Ich drück‘ die Daumen.

  7. says: Dejan

    Mir gefällt nicht, dass die Umrandung des Wappens im gleichen Rot-Ton ist, wie die Buchstaben (die wiederum auf den ersten Blick eher wie „DFB“ aussehen). Prinzipiell gefällt mir aber das alte Wappen besser.

  8. says: SvK

    weiß jemand näheres zur geschichte der kickers im dritten reich? ich habe mal irgendwo gelesen, dass die kickers als „judenclub“ galten. hab bei recherchen im netz aber nicht mal ansatzweise etwas in der richtung gefunden. nach dem, was ich so gelesen habe, waren die kickers auch nur ein naziverein, wenn auch vielleicht nicht in so vorauseilendem gehorsam wie der vfb.

    [mein nickname hat nix mit den kickers zu tun. bin kein kickersfan]

  9. says: andee

    Das Krombacher Bier wird ja auch schon seit 1894 ausgeschenkt 😉 Ist ja auch ein sehr lokales & traditionelles Bier aus der Region 😉

  10. says: westernbasti

    das sich den grafiker-nasen bei dem neuen alten die fussnägel hochrollen kann ich sogar verstehen… aber es waren vermutlich auch leute von diesem schlag, die den verantwortlichen vor zwanzig jahren das remake aufgeschwatzt haben mit argumenten wie leichter zu drucken (mehr profit) und kommt moderner rüber (noch mehr profit), was nun nachweislich nicht so ganz geklappt hat. fussball verkauft sich eben immer noch am besten, indem man guten fussball spielt (5 euro, ich weiß), aber das ist ein anderes problem. wenn die rückkehr jetzt hilft, das der haussegen wieder gerade hängt und das wappen seinen identitätsstiftenden zweck erfüllt ist doch alles in ordnung, auch wenn mancher davon augenkrebs bekommt.

  11. says: der Felix

    … geht’s nur mir so, dass ich beim alten Wappen im Negativraum ein Mann mit Knollennase sehe, der sich den Finger in Hals steckt?

  12. says: Peter

    hehe, der Mann mit Knollennase ist geil!!

    Ich find ja das neuere Wappen schon besser.
    Meiner Meinung nach würd ich auch mal den „sehr traditionellen“ Ruf in der Cannstatter Kurve („kämpfen und siegen!“) etwas überarbeiten…

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