Einfach sein Geld wert: Das Umweltticket der VVS

Mehr Spaß als jede Buchanan-Ruisinger-Party: Hab‘ meine erste Monatskarte. War’s leid, immer nach Kleingeld zu kruschteln oder an den Fingern nachzurechnen, ob Erwin-Schoettle-Platz – Rotebühlplatz  noch Kurzstrecke ist oder nicht. Ganz zu schweigen von der S-Bahn, bei der’s ja überhaupt keine Kurzstrecken gibt.

Schwarzfahren ist auch nix für mich: Da bin ich noch gar nicht eingestiegen und schwitze schon wie Zinedine Zidane damals. Zweiter Bildungsweg „Kleinkriminalität“ kommt somit auch nicht in Frage. Also: Umweltticket, gültig ab 9 Uhr. Wochenende und Feiertag durchgehend. Eine Zone.

Mein Leben hat sich drastisch verbessert: Ich springe nun einfach wahllos in irgendwelche gelben Fahrzeuge und rufe dem Fahrer zu „Auf geht’s Kutscher. Bin da.“ Als ob der auf mich gewartet hätte, beziehungsweise als ob der persönlich informiert wurde, dass ich, also ich, mir nun auch eine Membercard für seinen Club rausgelassen habe. Manchmal nicke ich auch einfach nur bescheidwisserig. Kommt auch gut.

Nachdem kürzlich ein junger Mann in der Königstraße gegenüber seinem Mobiltelefon behauptete, die U2 sei „voll schwul“ hab mich da natürlich auch gleich investigativ reingesetzt. Nach reiflicher Überlegung und intensiver Recherche: Ich denke nicht, dass die U2 homosexuell ist. Man kann ihr allenfalls Verwirrung attestieren, weil sie jetzt eigentlich die U4 ist, während die U4 die U2 ist. Schwul geht glaub‘ anders.

Neulich hab ich sogar aus Prinzip vier Minuten auf den 42er gewartet, um dann eine Station später wieder auszusteigen. So einen Stunt muss man auch erstmal anbieten. Einmal durch den Schwabtunnel in fünf Minuten. Wäre auf allen Vieren wahrscheinlich schneller gewesen. Kann man natürlich nicht bringen – meine Nachbar schaut mich eh schon doof an, nachdem ich ihn vergangene Woche um 17 Uhr mit „Maahhhlzeit“ begrüßt habe. Ist mir rausgerutscht.

Kontrolleure habe ich bislang leider keine getroffen. Dafür aber sehr viele Leute, die ihre Weltanschauung auf Buttons spazieren tragen. „Fuck You“, „Oben Bleiben – K21“, „Oben Bleiben – VfB“ und irgendwas, das glaube ich Hello Kitty war. Schließe mich allen dreien an. Bei „Hello Kitty“ bin ich noch unschlüssig. Obwohl Katzen ja prinzipiell coole Typen sind und ich gerade wirklich eine brauchen könnte, weil ich eine Maus zu Hause habe. „Sumsen ist Buper“-Buttons gibt’s übrigens kaum noch. Schande.

Ab und an stelle ich mich auch am Wochenende ins U-Bahn-Foyer am Marienplatz. Da läuft klassische Musik. Keine Ahnung welcher Komponist. Das „Shazam“-Dingens auf dem iPhone vom Theater Rampe, konnte auch nix erkennen. Aber eine Hochkulturflatrate als Bonus der Monatskarte finde ich sehr kundenfreundlich.

Bin mir auch noch nicht sicher, ob die Klassik-Beschallung Tauben, jugendliche Straftäter, Trinker oder Schwarzfahrer abschrecken soll. Waren weder noch da. Dafür aber ein tolles Werbeplakat „Dinkel Acker – VfB wir stehen zu Dir“. Hab’s angequatscht: „Kannst dich ja bald wieder setzen, nä?“ hab ich gesagt. Keine Antwort bekommen. Aber ich bevorzuge sowieso Wein.

Toll finde ich auch das neue Busmotto: „Vorne rein, hinten raus“. Der Achtjährige Bub‘ in mir, flüstert mir zwar justament brüllermäßige Pointen zu. Geh‘ ich aber nicht drauf ein. Man muss ja nicht jede Vorlage mit Fallrückzieher reinmachen. Steh lieber knietief in bruddelnden Leuten, die alle so tun als könnte der Busfahrer nach fünf Personen keinen mehr in den Club reinlassen. Für Leute mit Membercard gibt’s leider keinen Spezialeingang.

Aber ich weiß jetzt wenigstens, weshalb wir im Stadtbus künftig vorne einsteigen sollen: Die Wahl zum Busfahrer des Jahres steht an. Tippschein, Regelwerk und alles Wissenswerte zur Wahl gibt’s hier. Die Wahl läuft bis zum 30. Juni 2011.

Weil ich kein Kabelfernsehen habe und Germany’s Next Topmodel nicht sehen kann, caste ich die nächsten Wochen einfach Busfahrer und stell mich noch doofer an als sonst oder stelle hinrissige Fragen: „Kacke oder? Im Westen kriegste mit der Karre auch kein Parkplatz.“

Oder ich bringe ihnen einfach einen Becher Kaffee mit und sag „Nur Milch kein Zucker, oder?“. „Kannste kurz beim Ratzer anhalten? Ich spring‘ kurz raus. Vielleicht ist die neue Amon Amarth ja schon da“  oder „Sandra Bullock, Keanu Reeves, Bombe und so … Mist, wie hieß der Film damals? Scheiße, komm‘ nicht drauf….Warte, sag nix … Egal …  Ist dir das auch schon mal passiert?“.

Buchanan-Ruisinger, ihr könnt nach Haussseeh fahr’n, ihr könnt nach Haussseeh fahr’n.

Und hier als Ergänzung der erste Kandidat: Unser Freund Gerd der singende Busfahrer.
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=WtfOZVqsOVk[/youtube]

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21 Comments

  1. says: martin

    😀

    fette öffi-analyse mr. setzer! 🙂

    hab auch dieses umweltticket, allerdings nur im winter. sommer rad oder bläck. und ja mann, stuttgart ist se officiall button town.

  2. says: Martin Sp.

    Anfänger. Ich hatte sozusagen mal die Deutschland-Flat, also die BahnCard 100. Damals noch ohne „Mobility“. Oder noch früher die NetzCard. Das war geil. Mal kurz zum Shoppen in ne andere Stadt? Pas de problem. Will noch ne Tageszeitung, aber nur noch der Kiosk im Hauptbahnhof hat offen? Na nix wie hin.

    Ist heutzutage leider nicht mehr so. Der Schwabe im Geist hat zugeschalgen nach dem Umzug in den Arbeitsort, und dem Herzug der Freundin. Jetzt muss ein VVS-Firmenticket Plus langen. Fühlt sich aber an wie der VfB nächste Saison.

  3. says: PowerBar

    @Martin Sp.

    Dito. Dank Ticket Plus bin ich am WE fast nur noch mit den Öffis unterwegs. Parkplatzsuche kenn ich nur noch vom „hören-sagen“! 😉

  4. says: Anja

    oh wie schön!!! MIr geht’s genauso mit meinem neu erworbenen Umweltticket!!!
    Fühle mich wie die Königin der SSB wenn ich, ohne zu überlegen was jetzt günstiger ist, von einem Öfi zum anderen springe! Neulich bin ich sogar einfach mal ne Halbe Stunde zwischen Hauptbahnhof und Charlottenplatz hin und her gegondelt um eine Bahn Richtung Süden zu jagen. Gut, war etwas mißglückt das Experiment….Trotzdem gilt SSB/VVS…Du bist die MAFIA! 41,80 ist eine Ansage!!!!!

  5. says: Annette

    Ich weigere mich hartnäckig, eine Dauerkarte zu kaufen. Ich hoffe immer noch drauf, dass mich mein schwäbischer Geiz öfters zum in die Arbeit laufen motiviert, anstatt ein Kurzstreckenticket zu kaufen.

    Dieser Vorsatz wird aber meistens entweder von schicken Kundenschühchen mit mangelhaften Langstreckenqualitäten oder von einer schweren Sporttasche mit dazugehörigem Haltungsschadensrisiko sabotiert. Gerne auch im Wechsel.

  6. says: se

    ach, herrlich, diese ausführungen zu lesen! ich bin aber gegen dieses umweltticket. is ne frechheit. eine diskrimminierung der früh-auf-arbeit-sein-müssenden menschen…

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