Auswärtsfahrt: Die Stuttgarter Kickers in Balingen

Am 23. Spieltag mussten die Stuttgarter Kickers nach Balingen. Und ich damit irgendwie auch. Und wie für viele andere Anlässe hat der König des gepflegten Bonmots – DJ Elbe – auch für Spieltage wie diesen einen schönen Ausdruck in seiner Zitatesammlung: „Fick sie weg, Alter“ pflegt er in solchen Situationen gern zu sagen.

Zum wegficken bin ich also tatsächlich an diesem sonnigen Samstag zum Auswärtsspiel nach Balingen getuckert. Auch, weil 15 Grad im Zollernalbkreis ja schon Kaiserwetter sind.

Wir erinnern uns. Also zumindest ich: Das letzte Mal, das ich aus freien Stücken in Balingen war, war 2003 beim Bang Your Head Festival. Auch das war damals mehr oder weniger eine Viertliga-Begegnung. Auf der Bühne Hard & Heavy-Bands wie Axxis, TNT und Twisted Sister. Und im Publikum Menschen, die Totenschädel und so Mittelalter-Wildleder-Flaschen dabei hatten.

Ich hatte bei dem Regionalligakick ehrlich gesagt mit einem ähnlichen Klientel gerechnet. Aber da waren nur ganz normale Leute. Überhaupt hatte ich mir vom Stadionbesuch ein bisschen mehr versprochen. Mehr Skurillität, mehr Kauzigkeit, mehr Fotomotive – aber Balingen im Allgemeinen und das hochmütig „Bizerba-Arena“ getaufte Stadion im Speziellen hatten wenig bis gar nichts Spektakuläres oder Blogbares zu bieten.

In einer Mischung aus Naivität und Hummeln nach der langen Winterpause im Hintern hatte ich tatsächlich geglaubt, Balingen wäre eine Reise wert. Aber bis auf die Tore von Braig (70.) und Palauke (8.) gab es da nix zu sehen. Unterm Strich blieben 3 Punkte auswärts, die hart verteidigte Tabellenführung, 7 Punkte Abstand auf den zweiten Platz – und der eine denkwürdige Moment, als die Wurst aus war und der TSG Balingen zur Verpflegung des Gästeblocks dann eben einfach Käsbrötle geschmiert hat.

Sehens, bemerkens- und knipsenswert fand ich allerdings den fahrenden Händler vor dem Stadion. Der den polnischen Teil der Balinger Bevölkerung mit dem Wichtigsten versorgt.

Weil ich jetzt aber schlecht nur mit zwei Fotos in die ktv Redaktion zurückkommen kann, hab ich auf dem Rückweg noch einen Stopover eingebaut: Zwischen Hechingen und Tübingen zwingt einen die Ortsdurchfahrt Ofterdingen zum Runterbremsen auf 50 km/h – aber auch zum Whatthefuck-Denken. Was da links und rechts vom Straßenrand an Subkultur entstanden ist, davon träumt man bei der Location-Suche für Tatort-Produktionen.

Hier zum Beispiel hat sich jemand mit einem gut gehenden Western-Saloon eines Tages gedacht: Bäcker wäre besser. Ich würde da gerne mal reingehen, nein Stop!… Ich würde da gerne mal mein Pferd anbinden, dann reingehen, mit meinem Colt in die Decke schiessen und dann rufen „Einen Hafer-Cappu to go. Und so n Brotique-Sauerteig-Brot, aber ein bisschen plötzlich“ – und dann in die verdutzten Gesichter schauen. Hatte aber schon zu.

Ofterdingen ist so ein Ort, in dem die Menschen Namen tragen wie Schrottplatz-Schorsch, Western-Johnny oder eben…

Und wer sich schon immer mal gefragt hat, wo die ganzen Autos aus den „Wir kaufen Ihr Auto“ Visitenkarten-Ankäufen landen: hier landen die. In Ofterdingen. Eine Art Endlager für Golf GTI und Ford Focus. Und ein Epizentrum der Gebrauchtwagenhändler.

Am besten hat mir der Kollege hier gefallen. Wo ich gar nicht weiß, was ich geiler finde: dass er sich einen Verkaufstresen aus einem Fiat 500 geschweißt hat – oder dass er einen Eiswagen auf dem Hof hat, der zum Verkauf steht. Ich hatte im Vorbeifahren erst gedacht, da hat ein Italo-Schwabe seinen Eiswagen di Eisblitz genannt und wollte ihn schon kaufen, nur des Namens wegen.

Leider hab ich mich verlesen – und die haben schlecht typographiert. Das soll dr‘ Eisblitz heissen. Das i-Dipfele ist ein Apostroph und der Name, wenn wir ehrlich sind, damit natürlich nicht mal halb so gut. di Eisblitz lass ich mir aber glaube ich schützen oder tättowieren oder beides.

Ein paar Meter weiter kommen Flohmi-Fans auf ihre Kosten. Das A in A&A steht glaube ich für Alten Kruscht. Und unser Trödel-Thorsten, der alte Dinge mag – und deshalb glaub auch mit mir befreundet ist – würde hier bestimmt fündig, wie man unter Flohmarkt-Gängern so schön sagt.

Ofterdingen hat aber noch mehr Flagship-Stores. Und wer hier sein Spirit Animal nicht findet, dem ist nicht mehr zu helfen. Larisa Terracotta Ofterdingen führt aber auch „Harley Davidson Parking only“ Schilder, Buddha-Statuen für den kleinen Garten-Ashram und so riesige Steinadler. Also im wahrsten Sinne: Stein + Adler. Adler aus Stein, die ihre Schwingen so riesig ausbreiten und schön Schatten spenden, falls man zum Beispiel Schirme nicht mag.

Und ihr kennt das ja schon: wenn uns in der ktv Redaktion nix einfällt, schauen wir immer, was andere so schreiben. Im unendlichen Fundus der Google Rezensionen schwärmt zum Beispiel Ingrid „Wir haben bei Larissa Terracotta zwei Ziegen gekauft (Vier! Ziegen-Emojis) Die Tiere sind sehr schön und ein Blickfang in unserem Garten (Daumenhoch Emoji).“

Während User S. Röder die Auswahl lobt:…allerlei Figuren: römische, ägyptische und griechische Antike, Comicfiguren, verschiedene Tiere, Zwerge, Amphoren und Brunnenfiguren, Schalen und Schüsseln… Alles was das Herz begehrt.“

Wobei ich mich jetzt nicht mehr ganz genau erinnern kann, wann mein Herz das letzte Mal Zwerge und Amphoren begehrt hat, aber ok. Ich schätze, es war 2003 auf dem Bang Your Head Festival.

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