Stuttgarter Kickers: Eine Enttäuschung, so groß wie das Saarland

Machen wir’s kurz und schmerzhaft: am Samstag hätten die Stuttgarter Kickers mit einem Auswärtssieg beim FC Homburg die historische Chance gehabt, nach nur einem Jahr Regionalliga in die 3. Liga aufzusteigen. Ein sogenannter Durchmarsch. Hätte, hätte, Saarlandwette.

Spoiler: es hat nicht geklappt. Stattdessen haben die Blauen in Homburg 3:0 auf den Sack bekommen. Der von den letzten Wochen schon schmerzte. „Endspiele können wir nicht“ hieß es dazu in den sozialen Netzwerken.

Die Kickers haben den Aufstieg aber nicht am letzten Spieltag verdaddelt, sondern in den letzten Wochen. Immer wieder hatte die Konkurrenz – die damals noch TSG Hoffenheim II hieß – gepatzt. Immer wieder haben es die Kickers ihnen gleichgetan. Endspürte können wir nicht.

Bis dann schließlich am letzten Spieltag der VfB II es dem VfB I nachgemacht hat: sich im toten Winkel anschleichen und dann noch überholen. Und der FC Bayern und der SV Kickers Stuttgart wissen jetzt beide, wie Scheisse sich das anfühlt.

Ich hatte schon vor Wochen zu meinem Kumpel Ali gesagt: wenn es am letzten Spieltag in Homburg um den Aufstieg geht, müssen wir ins Saarland fahren. Ali war sofort an Bord. Wir waren zusammen schon in Mainz, Ulm und sonstwo. Immer wenn’s drauf ankam, waren wir da. Das unterscheidet uns zwei ein bisschen von der Mannschaft der Stuttgarter Kickers.

Die – und das soll bitte nicht hinten runterfallen – als Aufsteiger sensationell wochenlang an der Tabellenspitze und am Ende auf Platz 2 waren. Wieso weshalb warum man eine super Saison dann nicht krönen konnte, sollen andere analysieren.

Am Samstag sollte es also ins Saarland gehen. In eine Gegend, die die meisten nicht als Bundesland sondern als Maßeinheit kennen. Es gibt sogar einen Saarlandrechner, der jede Fläche in das x-fache des Saarlands umrechnet. Am Vorabend war man noch in den Nachrichten. Wegen Starkregen, Dauerregen, Überschwemmung, Hochwasser. Olaf Scholz, Kollege Geiger und Ali würden sich also am Samstag auf den Weg in ein Krisengebiet machen. Alle drei mit der Mission, eine größere Katastrophe abzuwenden.

Wir waren lange nicht sicher, ob der Platz und das Saarland überhaupt bespielbar sein würden. Aber Greenkeeper, THW und Bundeskanzler haben echt alles gegeben. Bis kurz vor Homburg war die Fahrt schön, die Gegend malerisch. Dann kam das Hochwasser und es sah aus, als hätte jemand einen Safaripark geflutet. Heftig. Aber befahrbar.

In Homburg fiel uns ein, dass die vermutlich im Waldstadion keine vegetarischen Speisen anbieten. In Degerloch gibts seit der Rückrunde eine vegane Stadionwurst, die sich ganz gut mit drei Worten beschreiben lässt: Un Genieß Bar.

Also suchte Beifahrer-Ali uns was im Internet: „Das einzige vegetarische Restaurant in Homburg ist 150 km entfernt?“ Er hatte sich vergoogelt – und in BAD Homburg gesucht. Es gibt zwei von diesen Käffern -eines bei Frankfurt.

Im Homburg bei Zweibrücken sollten wir aber vor dem Spiel doch noch einen Foodtruck namens Vegabunden finden, die uns einen Wrap gewickelt haben, der gar nicht schlecht war. Ob wir eine Zehnerkarte zum Abstempeln wollen, fragte man uns beim Gehen. Was wir großmütig ablehnten: „Wir kommen nie wieder. Nur heute kurz, um 3 Punkte zu holen. Nächste Saison sind wir dann in der 3. Liga.“ Enttäuschung kommt von sich täuschen.

Im Stadion dann großes Hallo. Halb Degerloch ist da. 3.000 mitgereiste Fans, viel blaue Prominenz. Wir checken die Infrastruktur für einen Platzsturm („müsste gehen“) und der FC Homburg lässt mit einem halben Dutzend Cheerleadern sowas wie Superbowl-Stimmung im Saarland aufkommen – die Kickers beginnen stark, um dann noch stärker nachzulassen und überhaupt nicht mehr ins Spiel zu finden.

In der 60. Minute meint ein sehr betagter Mann auf der Allgäuer Latschenkiefer Tribüne vor uns, dass Kickers Trainer Mustafa Ünal keine Ahnung hätte. Ali und ich widersprechen ihm, wären aber in unserer Verzweiflung auch bereit, Opa Besserwisser für die letzte halbe Stunde auf die Bank zu setzen. Alles, nur nicht vergeigen. But vergeigen, we did. Ein Durchmarsch sollte nicht gelingen. Weder durch die Regionalliga, noch durch das Saarland.

Der VfB überholt die Kickers. Und der Fußball schreibt die dümmsten Geschichten.

Ali und ich sind dann reumütig zurück zu den Vegabunden und haben uns zwei Zehnerkärtle ausstellen lassen. So wie es aussieht, kommen wir noch ein paar Mal. Auf der Rückfahrt amüsieren wir uns über das am Straßenrand beworbene „Deutsche Schuhmuseum“ (Sonderausstellung Schnürsenkel?), erzählen uns gegenseitig alte Geschichten und spielen uns neue Musik vor. Und es wäre beinahe ein richtig schöner Tagesausflug gewesen.

Wenn da jetzt in uns Kickers-Fans nur nicht diese saarlandgroße, tiefblaue Leere wäre.

Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert