Premier League: Wie kommt man an Tickets für den FC Chelsea?

Ingmar Volkmann (*) alias Außenreporter hat uns neulich schon Bilder seines London-Wochenendes zukommen lassen. In der folgenden Geschichte beschreibt er, wie man an Tickets für ein Spiel des FC Chelsea kommt. 

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Für die einen gehört die Big-Ben-Besichtigung zum London-Pflichtprogramm, andere schwören auf den Spitalfield-Market zum Shoppen eines urbanen Outfits oder auf die Tate-Modern, um die nötige Dosis Kunst zu inhalieren – ich muss ins Stadion, wenn ich das Moloch an der Themse besuche.

Beim letzten mal verabschiedete ich mich bei einem Heimspiel emotional von Highbury, dieses Mal sollte es ein Besuch an der Stamford Bridge sein, meinen Michi Ballack besuchen, mal nach dem Rechten sehen, ob Hiddink der unfitten Scolari-Elf auf der Zielgeraden der Saison neues Leben einhaucht.

Einziges Problem: wie immer die Ticket-Beschaffung. Alle Hoffnungen auf eine Akkreditierung ersticken im Keim. Alle „Hat dein Schwager eigentlich noch den Arbeitskollegen, dessen Stiefvater einen guten Freund hat, der eine Dauerkarte sein eigen nennt“-Versuche bringen wie gewohnt: nichts. Für das Schwarzmarkt-Geschachere vor dem Stadion, bei dem man sich mit zahnlosen Engländern herumschlagen muss, die nach Vinegar riechen und Deutsche per se eher problematisch finden, bin ich mittlerweile zu alt.

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(Die Fans rücken ordnungsgemäß an.)

Groß war da die Freude, als ich im Magazin der Süddeutschen Zeitung London-Tipps fand. Journalist Lars Reichhardt erwies sich als Connaisseur und tippte allerlei Vernünftiges für das schönste Viertel der Stadt, den Osten, und garnierte seine Tipps mit dem Hinweis „Fußball und bessere Hotels gibt es eher in Londons Westen, der Concierge dieses kleinen Hauses treibt immer noch Karten für Chelsea-Spiele auf“.

Wer Lesen kann ist klar im Vorteil, die Aussicht auf Haupttribünen-Plätze direkt neben Romy Abramowitsch trübte meine Wahrnehmung, ich suchte das Hotel im Londoner Osten, weil sich ja schließlich eben auch der Rest der Tipps in Hoxton und Shoreditsch befand.

Bis, ja bis mich ein englischer Taxifahrer in gewohnt touristenfreundlicher Art anblaffte, dass der Adress-Zusatz SW ja wohl kaum für London-East stünde und selbst eine Kartoffel ohne Englisch-Kenntnisse verstehen sollte, dass das Hotel im Südwesten der Stadt zu finden sei.

Da lag es dann auch tatsächlich, im poshen Stadtteil Chelsea/Kensington (wer hätte das gedacht). Allen Unkenrufen zum Trotz – mein Freundeskreis hatte mich für verrückt erklärt, als ob gerade ich in einer Nobelherberge ein Chelsea-Ticket auf dem Silbertablett geliefert bekommen würde – stand ich schließlich vor dem Concierge meiner Träume, zeigte ihm das SZ-Magazin, erklärte, dass die SZ also mindestens die wichtigste Zeitung der Welt sei und hier schwarz auf weiß stünde, dass er meinen feuchten Chelsea-Traum erfüllen würde.

Der Gute verstand erst einmal nur Bahnhof und hatte nicht geahnt, dass ein fieser deutscher Journalist seinen speziellen Hotel-Nebenservice aufdecken würde. Scheinbar hatte sich kein deutscher Tourist zuvor bei ihm auf diesen Artikel hin gemeldet. Komisch.

„Eigentlich mache ich das nur für Hotelgäste“, räumte der Hotelfachangestellte ein.

„Im Herzen bin ich Ihr Hotelgast“, versicherte ich.

„Das kann aber teuer werden, bis zu 150 Pfund.“

„Macht nichts, ich habe keine Freunde und auch sonst keine Hobbys“, verdeutlichte ich die Ernsthaftigkeiten meiner Absicht.

Der bezaubernd höfliche Concierge gab klein bei, tätigte ein Telefonat, machte mir ein Ticketangebot über 100 Pfund, dass ich begeistert annahm, wollte das Geld aber noch am selben Abend in bar. Meine deutsche Krämerseele pochte daraufhin auf eine Quittung, woraufhin mich Londons nettester Hotelmensch sanft auslachte, etwas von Blackmarket und illegal erklärte, mir aber einen Fresszettel ausfüllte mit „100 Pfund dankend erhalten“ sowie dem Namen seines Kollegen, bei dem ich am Folgetag das Ticket zum Glück abholen sollte.

Dazu wollte er noch meine Nummer, um die genaue Uhrzeit des Deals festzulegen.

Eine Stunde später – mittlerweile zurück im eigenen Hotel – läutete das Handy, das Ticket sei am nächsten Tag gegen 12 Uhr zu erwarten, ich möge mich bitte um 13 Uhr im Hotel einfinden. Spitzen-Service! Am nächsten Tag macht ich mich frühlingshaft pfeifend auf zum Traumhotel, als kurz vor der Übergabe-Zeit Concierge 2 bei mir anrief, um zu sagen, dass das Ticket nun aber da sei! Aber nichts anderes hatten wir erwartet!

An der Rezeption stand grinsend Concierge 2 und übergab das Ticket in einem samtenen Briefumschlag, nicht ohne die dubiose Geschichte der Zeitung in Germany aus erster Hand erfahren zu wollen. Nachdem er sich köstlich über die eigenwillige PR aus München gefreut hatte, zeichnete er auf einer Karte noch den Fußweg zur nächsten Haltestelle ein, die geschickteste Tube-Verbindung und Tipps zum bestmöglichen Reisezeitpunkt.

Ob ich seinen Namen lobend erwähnen dürfte in einem Artikel in Deutschland, fragte ich zum Abschied, oder ob das rechtliche Konsequenzen haben würde? „Schreib doch einfach, dass es in London einen extrem netten Concierge gibt, das wäre uns am liebsten.“ Gern geschehen.

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(Eckball Lampard. Diese Publikumsnähe ist einfach immer wieder unglaublich. Gibts in Deutschland nur in der Kreisliga oder in Aachen.) 

Ach so, das Spiel war schön, Chelsea gewann gegen Wigan Athletic 2:1, Wigan spielte ähnlich sexy wie der KSC, Chelsea unberechenbar wie der FC Bayern, Ballack spielte durch und wurde nur einmal beschimpft („Ballack you lazy cunt, wake up“), außer Touristen und reichen Engländern geht scheinbar keiner mehr ins Stadion, aber haben wir eigentlich schon gesagt, dass es in London einen unglaublich netten Concierge gibt?

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(Dieses Shirt hat ein Pfund gekostet. Der Verkäufer meinte: „You don’t get much this days for only a pound.“)

* Ingmar Volkmann ist hauptberuflich Redaktionsleiter beim Stadtmagazin LIFT und war drei Wochen lang mein Wohni. Ein sehr dufter Typ mit einem Manko: Er ist Fan vom KSC. Aber erstens hat jeder Mensch seine Macken, zweitens muss es auch sympathische KSC-Fans geben und drittens steigt der KSC ja sowieso ab. Ingmar Volkmann eröffnet im Jahr 2011 die Lounge „Maik Franz“ auf der Theo. 

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(Stuttgarter Geschäftsfrauen arbeiten derzeit an der Markteinführung von Chantré in Großbritannien. Nebenberuflich casten sie außerdem einen neuen Mittelstürmer für Chelsea, weil Drogba nach der Saison als Gomez-Ersatz zum VfB wechselt.)

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8 Comments

  1. says: JMO2

    Jetzt erst dazu gekommen die Mai-Ausgabe der „11 Freunde“ zu lesen und welcher Artikel fällt mir da ins Auge…:)

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