Fan-Abschied von den Stuttgarter Kickers: Jetzt reicht’s (erst mal)

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Neulich am Nebentisch: ein Pärchen. Laut Max Goldt sind Pärchen ja Paare, die man nicht leiden kann. Ich finde außerdem, Pärchen sind: sie – Perlenohrring, er – Loafer, cognacfarben. Und Pärchen sind Paare, die im Restaurant auf ihre Handys gucken. So wie neulich beim Uhrenvergleich.

Die beiden am Tisch nebenan synchronisierten analog ihre digitalen Kalender. Zehnter Dezember schlug sie vor. Für was auch immer. Vielleicht eine Verabredung zum Sex? Nach dem Motto „Wer da ist, ist da. Und wer nicht, halt nicht“?

Aber 10.12. war bei ihm schlecht. „Da hab ich schon ein Save the Date drin.“ Es war nur ein kleiner Reflex. Das Zucken eines Muskels. Aber ich musste auch kurz in mein Smartphone schauen. 10. Dezember – kann ich. Ich trag’s mir mal ein.

So wie man sich heute immer nur mal was einträgt. Unverbindlich, ohne feste Zusage. Unsere standesamtliche Trauung? Ich trag’s mir mal ein. Kann aber nicht versprechen, dass es klappt.

Vor kurzem hat mir ein Digital Native erzählt, wieviele Leute im Schnitt bei facebook Veranstaltungen zusagen und dann nicht kommen. Weiß nicht mehr, wieviele es waren, aber viele. Phänomen Fussi: Beim VfB ist es genau umgekehrt – alle sagen, sie gehen nicht mehr hin, keinen Bock auf zweite Liga, und sitzen dann doch auf der Gegentribüne.

Manche hoffen auf einen zweiten Platzsturm, damit endlich mal was passiert. Wie damals im Mai, der 7.5.16 im Neckarstadion – weißt du noch? Wie am 30.09., nur anders. Und während am schwarzen Donnerstag irgendwie keiner Selfies gemacht hat, waren beim besiegelten Abstieg des VfB eine Menge Leute stocksauer. Die meisten, weil sie ihren Selfiestick vergessen hatten.

So – worum geht’s eigentlich? Gleich bringt der Postbote wieder die Leserbriefe: Kollege, jetzt hab ich bis hierhin gelesen, laberrhababer, aber ich weiß immer noch nicht, wie David Gilmour war. Oder das Spiel gegen die Offenbacher Kickers. Antwort: eines davon war hochprofessionell. Das andere hatte Michael Zeyer organisiert.

Gehen tut’s hier aber in der Tat um alles oder nichts. Beim besagten Blick in den Smartphone-Kalender hab ich nämlich auch gesehen, dass ich am Samstagvormittag noch nix vor hab. Da kommt das Angebot der Stuttgarter Kickers genau unrecht. Die laden diesen Samstag zum Weißwurstfrühstück und Fanstammtisch mit Sportdirektor Michael Zeyer ein.

Das ist insofern topungünstig, weil ich davon nichts mehr leiden kann: Stammtisch nicht, Weißwurst nicht, Zeyer nicht. Da wäre mir ehrlich gesagt sogar ein Brunch mit Matthias Sammer lieber. Der hat wenigstens seinen Verein nicht kaputt gemacht.

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(Erste Runde Bukarest, zweite Runde Rom – da war die Welt noch in Ordnung)

Die Stuttgarter Kickers taumeln inzwischen durch eine Liga, in die sie nicht gehören. Gelenkt von einem Manager, den sie nicht verdient haben. Ferngesteuert von einer Firma, die eine Menge Dinge im Sinn hat. Fußball gehört aber nicht dazu. 

Dass die Quattrex Sports AG mit Wolfgang Dietrich von jemandem gegründet wurde und heute angeblich nicht mehr geleitet wird, der sich ausgerechnet beim VfB Stuttgart um das höchste Amt bewirbt – das sollen bitte andere beurteilen. Am besten am 9. Oktober. Die Hin- und Rückfahrt mit der VVS ist an diesem Tag ja im lebenslangen Mitgliedsbeitrag von 1.893,00 Euro mit drin.

Dass in Degerloch aber seit einiger Zeit nicht nur zuviel Mist gekickt, sondern auch gebaut wird – das ist das wirklich Unerträgliche. Und ich mag nimmer. Dabei war ich das Gegenteil eines Schönwetter-Anhängers. Der klassische Misserfolgsfan.

Ich war mit den Kickers in den letzten 30 Jahren  in den Spielklassen 1, 2, 3 und 4. Von der Gerberit-Arena in Pfullendorf (2:0) bis zum Olympiastadion München (4:1).  Dieses dunkelste Kapitel jetzt tue ich mir nicht mehr an. Das ist vielleicht noch mein Verein, aber nicht mehr meine Mannschaft. Und ganz sicher nicht meine Vereinsführung.

Das iCal-Abo mit den Spieltagen 2016/2017 der Stuttgarter Kickers hab ich weggeklickt. So krieg ich nicht mehr mit, wann die Kickers spielen. Nur noch, gegen wen sie verloren haben. Ich mag das nicht mehr sehen. Und auch nicht mehr wissen, dass es geschieht, während ich weggucke.

Man will ja schließlich auch nicht erfahren, wann genau die Ex mit ihrem neuen Lover in die Kiste steigt. Am 10. Dezember werden die Kickers übrigens auswärts vom TSV Steinbach gefickt werden. Ohne mich. Ich hab da ein Save the Date mit Loafer & Perlenohrring.

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