Fußball Kolumne auf Kessel.TV – Kickerle.tv

Alter Schalter (sagt man das eigentlich heutzutage noch oder ist das voll 1999?), bin ich auf Entzug. Aber so was von. Im Urlaub im Teeparadies herrschte totale Nachrichtensperre, auf Sri Lanka wissen die nicht mal, wie man Fußball schreibt. Spielen stattdessen Kricket. Das ist meiner Meinung nach keine richtige Sportart, sondern gefühlter Schwarztee mit Milch mit etwas mehr Bewegung, postkoloniale englische Beschäftigungstherapie halt.

Zurück in Deutschland hab ich erst mal zwei Tage lang kicker.de auswendig gelernt. Rangnick, Alter, was geht in der Kurpfalz ab? Rensing wechselt nach Köln und Butt darf nicht mehr? Alles unglaublich. Zum Glück geht es am Wochenende wieder los. Um die Wartezeit etwas zu verkürzen ein kleiner Einblick in einen romantischen Fußballausflug in die dritte Liga vom Dezember.

Manch Fußball-Fan reist mittlerweile bis nach Katar oder sonst wohin, wo garantiert kein normaler Mensch Fußball spielt, um die Winterpause mit einer anständigen Portion Kickerei zu überbrücken. Dabei muss man gar nicht so weit in die Ferne schweifen, gibt es doch in Deutschland kaum eine exotischere Gegend als die Schwäbische Alb.

Hier sprechen die Menschen eine Sprache, die man bereits im Nachbardorf nicht mehr versteht. Hier kickt mit dem 1. FC Heidenheim ein sympathischer Verein, der in den vergangenen Jahren einen erstaunlichen Durchmarsch bis in Liga 3 aufs Parkett gelegt hat.

Bereits die Anreise ist exotisch: Von Stuttgart gibt es keine direkte Verbindung, so bimmelt man mit der Bahn und einmal Umsteigen auf die verschneite Alb. Dass das Spiel überhaupt stattfindet, ist der Rasenheizung des FCH geschuldet –die meisten Partien in Liga 3 fallen an diesem Wochenende dem kältesten Dezember-Anfang seit Erfindung des Winters zum Opfer.

Das Albstadion, das mittlerweile wenig vorteilhaft Gagfah-Arena heißt nach einer sympathischen Immobilien-Firma aus Essen, ist mit 7.200 Zuschauern ordentlich besucht. Nur die Haupttribüne bleibt erschreckend leer. Hier hat sich der Verein mit der Kalkulation seiner Business-Seats deutlich verrechnet. Der Alb-Ureinwohner delektiert sich eben weniger an Canapés vor dem Spiel sondern sieht lieber seine Mannschaft Gras fressen.

Das klappt in der ersten Halbzeit gegen den Tabellenführer der Dritten Liga auch erstaunlich gut, das Team von FCH-Trainer Frank Schmidt geht gegen die Eintracht aus Braunschweig verdient in Führung. Danach legen die Braunschweiger aber einen Zahn zu, spielen ordentlich ruppig und erzielen noch in Halbzeit 1 den Ausgleich.

Nach einer herzhaften Feuerwurst zur Pause, heruntergespült mit zwei mittelprächtigen Glühwein, kippt das Spiel. Braunschweig dominiert den FCH 1846 im Schneetreiben, Schiedsrichter Dominik Nowak macht sich mit einigen Entscheidungen keine Freunde, am Ende steht es 1:4 aus Sicht der enttäuschten Ostalbler.

Die sehr jungen Ultras auf der Osttribüne – zum Auswärtsspiel in Offenbach in der Woche zuvor war man mit drei Bussen und dreieinhalb Privat-PKWs angereist – beschimpfen alle Zuschauer, die das Stadion im immer stärker werdenden württembergischen Schneefall frühzeitig verlassen. Der neutrale Beobachter freut sich über den pittoresken Schneefilm auf der Torlatte.

Da muss kein Fan auf der Suche nach einem exotischen Kick nach Katar pilgern: Heimspiele im Winter in Schwäbisch-Sibirien könnte kein Zuckerbäcker romantischer gestalten.

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16 Comments

  1. says: JMO2

    Im alten Albstadion war ich vor knapp anderthalb Jahren noch. Vom Gästeblock konnte man einen Blick auf den angrenzenden Tierpark werfen, was damals definitiv spannender als das Spiel an sich war

  2. says: LKTRSNDY

    Hehe, das kann ich nur bestätigen. Ich war vor nem Jahr oder so auch mal bei nem Heimspiel vom TSV Backnang. Nieselwetter, Glühwein und Rentner von denen ich noch ein paar Schimpfwörter lernen konnte. Am Ende hat Backnang gewonnen und alle hatten gute Laune. Es geht doch nichts über ein schönes Landesligaspiel.

  3. says: Aussenreporter

    Mist, den Tierpark gibt es glaub nimmer, zumindest ist er mir nicht aufgefallen. Dafür steht neben dem Stadion noch die fette Indoor-Rollschuhbahn, die aber glaub auch bald weichen muss. Und das Spiel war übrigens tatsächlich gar nicht so schlecht, hab schon schlimmere Zweitliga-Spiele gesehen. Auf Landesliga hätte ich aber auch mal wieder Lust.

  4. says: bernd

    @JMO2: also unterklassiges Gebolze würd ich das nich nennen, 3.Liga is schon ne feine Sache mit viel Herzblut und die 2.Liga ist inzwischen um Meilen spannender als die 1.

  5. says: Aussenreporter

    Sorry, Bambi, für meine HDH-Unkenntnis, wenn ich das nächste Mal in Heidenheim bin, schau ich mir den Eichert auf jeden Fall an. Sieht ja tierisch gut aus.

  6. says: JMO2

    @bernd: Hast mich vielleicht mißverstanden, bezog mich auf die von LKTRSNDY erwähnte Landesliga. Und ich schaue regelmäßig einen Verein der Regionalliga Süd, also 4. Liga, an. Ich bin ein großer Freund des Fußballs abseits der vermeintlich glamorösen Bundesliga und es gibt nix besseres als sonntags bei den Amateuren zuzuschauen (vielleicht besser ausgedrückt 😉 )

  7. says: JMO2

    Nein bernd, ich unterstütze einen anderen der viel zu wenigen richtigen Vereine in der RL Süd. Dank der diversen Insolvenzen jetzt in akuter Aufstiegsgefahr 🙂 Aber das erste Heimspiel von euch dürfte das Nachholspiel gegen meinen Haufen sein

  8. says: bernd

    okay doch nicht wie ich vermutet hatte, aber trotzdem auch das motto „tradition verpflichtet“ 🙂 dann hätte ich dich ja quasi im November mitnehmen können zu deinem Heimspiel oder wohnst du in Hessen?

  9. says: No 2da Ra

    Sagt bloß ihr 2 kennt euch noch nicht!!!!! JMO2 is a Stuttgarter by nature! Dabei habt ihr in der Corso letzt quasi nebeneinander gestanden 😀

  10. says: JMO2

    @No 2da Ra: Ich bin ganz sicher kein Stuttgarter by nature…Komme von, ähm, außerhalb, mehr in westlicher Richtung

    @Kassa: Richtig! 😀

  11. says: NO 2da RA

    Du sagst mir du wohnst in Stuggi – also biste Stuttgarter by nature….. 😛 Verwirr mich nicht! Den Stempel haste jetz halt auf der Stirn 😉

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